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Frauen in der Wissenschaft: Weibliche Konkurrenz

Die Mitglieder der DFG wollen sich selbst dazu verpflichten, das Potential von Frauen besser auszuschöpfen.

Die Mitglieder der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wollen sich selbst dazu verpflichten, die intellektuellen Ressourcen von Wissenschaftlerinnen in Zukunft besser auszuschöpfen. Am Mittwoch bei der Jahresversammlung in Berlin wurde der Vorschlag für „Forschungsorientierte Gleichstellungsstandards“ angenommen. DFG-Präsident Matthias Kleiner sprach von einem „Meilenstein“. Die fehlende Gleichstellung in der Wissenschaft sei „töricht, ja eine Schande“. Bundesforschungsministerin Annette Schavan sagte, Gleichstellung sei nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit. Es gehe auch darum, „ob die Gesellschaft wirklich an ihren Talenten interessiert ist“.

Mit den Standards will die DFG für mehr Wettbewerb in der Wissenschaft eintreten und damit für mehr Qualität. Mit sanftem Druck sollen Hochschulen und außeruniversitäre Institute dazu bewegt werden, jene oft unbewussten Mechanismen zu überwinden, mit denen sich die männliche Wissenschaft seit jeher weibliche Konkurrenz vom Leibe hält. Statt der inzwischen vielfach geforderten harten Quote hatte eine DFG-Kommission vorgeschlagen, die DFG-Mitglieder sollten sich selbst Ziele setzen, in welchem Umfang sie den Anteil von Frauen auf den einzelnen Karrierestufen binnen fünf Jahren anheben wollen. Die Förderung von Anträgen soll auch davon abhängig gemacht werden, ob Einrichtungen sich in Gleichstellungsfragen bewegen. Die Standards waren von einer DFG-Kommission unter Leitung von Ferdi Schüth, Vizepräsident der DFG, und Susanne Baer, Direktorin des Genderkompetenzzentrums der Humboldt-Universität, erarbeitet worden. Der Kommission gehören unter anderem auch FU-Präsident Dieter Lenzen und Andreas Voßkuhle, Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, an.

Selbst der vielfach als „zu weich“ kritisierte Vorschlag der Kommission drohte allerdings bis zum Schluss unter den DFG-Mitgliedern die nötige Mehrheit zu verfehlen. Teilnehmer der Versammlung berichten, Peter Gruss, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, habe unter den Mitgliedern der DFG seit Wochen für Widerstand gegen die Standards geworben. Ein Eingriff in die Autonomie der Einrichtungen müsse verhindert werden. Auch die Präsidenten der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft stimmten mit Nein. Insgesamt gab es zehn Gegenstimmen, 72 Ja-Stimmen und drei Enthaltungen. Vorher hatte es eine „heftige Diskussion“ gegeben, wie aus Teilnehmerkreisen zu hören war. Das ursprüngliche Konzept sei schließlich „verwässert“ worden. So sei die Berichtspflicht gegenüber der Politik gestrichen worden.

Wie schwer sich die deutsche Wissenschaft mit der Förderung von Frauen tut, belegen auch aktuelle Zahlen der DFG. Bei der DFG ist der Anteil der Forschungsgelder, der an Frauen ging, im letzten Jahr sogar leicht gesunken – zumindest in der sogenannten Einzelförderung der DFG, also den Zuschüssen, die Wissenschaftler für zusätzliches Personal, Geräte, Publikationskosten, Forschungsfreisemester oder Konferenzen beantragen können. Von den dafür ausgegebenen 635 Millionen Euro erhielten Forscherinnen gerade mal 14,5 Prozent. 2006 hatte der Anteil bei 14,6 Prozent gelegen. Das geht aus dem neuen DFG-Jahresbericht hervor. In den Jahren zuvor war der Anteil geringfügig gestiegen; 2004 waren 13,1 Prozent der Mittel an Frauen gegangen.

Der einzige große Wissenschaftsbereich, in dem Forscherinnen ihren Anteil an den verteilten Geldern auch 2007 steigern konnten, sind die Lebenswissenschaften. Diese Fächergruppe, zu der die Medizin und die Biologie gehören, liegt bei der Beteiligung von Wissenschaftlerinnen erstmals an der Spitze. Hier gingen 20,9 Prozent der Mittel an Frauen, eine Steigerung von mehr als zwei Prozent. In allen anderen Bereichen kamen Frauen dagegen weniger zum Zuge als noch im Vorjahr. In den Naturwissenschaften sank der Anteil der Gelder für Frauen von 8,3 auf 7,8 Prozent, in den Ingenieurwissenschaften von 7,6 auf 7,0 Prozent und sogar in den Geistes- und Sozialwissenschaften (minus 2,7 Prozent auf 18,6 Prozent).

Insgesamt verteilte die DFG im vergangenen Jahr knapp 2,2 Milliarden Euro, um wissenschaftliche Projekte zu unterstützen. Das sind 580 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Der enorme Zuwachs geht unter anderem auf den Elitewettbewerb zurück, dessen zweite Runde im letzten Herbst entscheiden wurde und für den die DFG fast 170 Millionen Euro mehr als 2006 ausgab. Ein neues von Bund und Ländern initiiertes Programm zum Bau von Großgeräten schlug mit zusätzlichen 85 Millionen Euro zu Buche. Wie sich die Beteiligung von Frauen bei den Projekten des Elitewettbewerbs und bei anderen Großvorhaben wie Sonderforschungsbereichen oder Graduiertenkollegs entwickelte, geht aus dem Bericht nicht hervor.

Sowohl die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Annegret Kramp-Karrenbauer, als auch Ministerin Schavan betonten in ihren Festreden, die Exzellenzinitiative für die Universitäten dürfe keine Episode bleiben. Schavan sprach sich aber dagegen aus, bei der Fortsetzung des Elitewettbewerbs auch noch die Lehre als Kriterium aufzunehmen. Man dürfe nicht versuchen, alle Probleme mit dem gleichen Mittel anzugehen.

Neu als DFG-Vizepräsidentin wurde Christine Windbichler, Rechtswissenschaftlerin an der Humboldt-Universität, gewählt. Windbichler ist die dritte Wissenschaftlerin im zehnköpfigen Präsidium der DFG. Anja Kühne/Tilmann Warnecke

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