zum Hauptinhalt
Foto: dapd

© dapd

Gastbeitrag: Das Oligopol der Verlage schwächen

Überteuerte Zeitschriften in der Wissenschaft betreffen alle, sagt René Röspel, stellvertretender Sprecher für Forschungspolitik der SPD-Fraktion. Er fordert einen Paradigmenwechsel in der Publikationspraxis.

Überall mehrt sich der Widerstand von Wissenschaftlern gegen die Geschäftspraktiken einiger wissenschaftlicher Zeitschriftenverlage. Auch in Deutschland. Dem faktischen Oligopol einzelner Zeitschriften beziehungsweise der Verlage haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur wenig entgegenzusetzen.

Der Protest der Wissenschaft gegen die Praktiken der Wissenschaftsverlage, der vor etwa einem halben Jahr in einem Boykottaufruf gegen den Wissenschaftsverlag Elsevier mündete, richtet sich gegen eine Schieflage, die dringender Abhilfe bedarf: Wissenschaftler, die als Urheber und Wissensproduzenten die Inhalte der von den Wissenschaftsverlagen publizierten Zeitschriften liefern, sind auf einen Austausch mit ihren Kollegen angewiesen. Durch die Vertriebspraktiken der großen Verlage ist jedoch eine Situation eingetreten, in der ein ungehinderter Wissensaustausch behindert wird.

Dabei sollte es die Aufgabe der Verlage sein, einen positiven Beitrag zu diesem Austausch zu leisten und ihn mittels der von ihnen vertriebenen Zeitschriften letztlich zu ermöglichen. Die Anerkennung, die ein Wissenschaftler für eine Veröffentlichung in einem viel zitierten, hochrangigen Journal erhalten kann, erhöht einerseits den Publikationsdruck auf den Wissenschaftler und stärkt andererseits die Rolle der Verlage und ihre Verhandlungsposition.

Zudem zeigt sich, dass die teils exorbitanten Preiserhöhungen durch die Zeitschriftenverlage für bestimmte Zeitschriften immer mehr Universitätsbibliotheken und öffentliche Forschungseinrichtungen dazu zwingen, bestimmte Publikationen oder Zeitschriftenbündel abbestellen zu müssen. Die Leidtragenden sind die Studierenden und die Wissenschaftler an den jeweiligen Einrichtungen gleichermaßen, da hierdurch Forschung und Lehre behindert werden.

Wenn Wissenschaft und Forschung nicht ungehindert am freien Informationsfluss der wissenschaftlichen Community teilnehmen können, dann wirkt sich dies allerdings langfristig negativ auf den Innovationsstandort Deutschland aus. Die derzeitige Schieflage ist somit nicht ein isoliertes Problem der Wissenschaft, sondern es handelt sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Der Gesetzgeber darf sich dieser Problematik nicht verschließen und muss tätig werden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits im März 2011 einen Gesetzentwurf zur Einführung eines Paragrafen 38a Urheberrecht in den Bundestag eingebracht. Durch diese Änderung soll den wissenschaftlichen Urhebern – nach einer Frist von sechs beziehungsweise 12 Monaten – ein unbeschränktes Zweitverwertungsrecht eingeräumt werden, wenn die Forschung, auf der die Publikation beruht, mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanziert worden ist.

Eine solche Regelung würde zu einem Paradigmenwechsel in der wissenschaftlichen Publikationspraxis führen. Dies wäre ein nicht zu unterschätzender positiver Beitrag zum Wissenschafts- und Innovationsstandort Deutschland. Das Mono- beziehungsweise Oligopol der wissenschaftlichen Verlage wäre geschwächt, die Existenzgrundlage der Verleger wäre aber nicht gefährdet, da sie auch künftig – im Rahmen ihres Erstverwertungsrechts – eine Geschäftsgrundlage hätten. Die öffentlich geförderten wissenschaftlichen Einrichtungen wie Hochschulen und Bibliotheken dagegen müssten nicht mit Steuergeld das Wissen zurückkaufen, das ebenfalls mit öffentlichen Geldern geschaffen wurde.

Man wird abwarten müssen, ob die Regierungsfraktionen bereit und in der Lage sind, diesen Schritt für den Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland mitzugehen. Wir erleben derzeit eine stark auf Fragen von Kunst und Kultur fokussierte Debatte über die Zukunft des Urheberrechts. Dabei zeigt das Beispiel Zweitverwertungsrecht, wie wichtig auch eine grundsätzliche Debatte über die Chancen eines bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts ist.

- Der Autor ist Mitglied des Bundestags und stellvertretender Sprecher für Forschungspolitik der SPD-Fraktion

René Röspel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false