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Gastkommentar: Faule Tomaten

Die Autonomie der Hochschulen muss ausbalanciert werden mit der grundrechtlich geschützten Ausbildungsfreiheit. Berlins neues Hochschulgesetz lässt den Hochschulen ihre Freiheit – eine Replik.

Die Novelle des Hochschulgesetzes hat nicht nur Freunde. Der jüngste Vorwurf, der Gesetzentwurf mache aus Professoren Gemüsehändler provoziert zur Replik, denn den inkriminierten Gemüseladen wird man auf keinem Campus finden. Und die von Barbara Riedmüller geworfenen Tomaten (Tsp. vom 2. März) verfehlen ihr Ziel.

Ihre zentrale These, die traditionelle Staatsaufsicht werde wieder eingeführt, ist schlicht falsch. Nehmen wir das Beispiel der Prüfungsordnung: Zur Zeit muss jede Studienordnung und jede Prüfungsordnung für jedes Fach vom Staat einzeln genehmigt werden. Künftig aber gilt dies nur noch für eine Rahmenordnung. Alle weiteren Satzungen und Ordnungen bedürfen keiner Genehmigung mehr. Also mehr Autonomie, nicht weniger.

Auch bei der Genehmigung von Studiengängen wird die Autonomie der Hochschulen keineswegs beschnitten. Dem Staat wird ja nicht das Recht eingeräumt, im Anschluss an die Akkreditierungsverfahren noch zusätzliche eigene Auflagen zu erteilen, sondern er hat lediglich – gewissermaßen als Notar – die Entscheidungen der Akkreditierungsagenturen formell zu bestätigen. Dies ist eine rein formaljuristische Notwendigkeit.

Im Übrigen: Es wird der Weg von der Einzelprogramm-Akkreditierung zur (hochschuleigenen) Systemakkreditierung geöffnet – auch dies ein Beitrag zu mehr Selbststeuerung der Hochschulen.

Tomaten treffen den Gesetzentwurf auch, weil die Stellung der Lehrbeauftragten verbessert wird. Doch in den Fachhochschulen sind die Lehrbeauftragten bereits Mitglieder der Hochschule und verfügen dort über ein aktives und passives Wahlrecht. Das graust niemanden. Dieser Status wird jetzt auf die Universitäten übertragen – und auch das, auf Wunsch der Hochschulen, nur teilweise: Sie dürfen wählen, können aber nicht selbst in die Gremien der Unis gewählt werden. Wie die Lehrbeauftragten ansonsten eingebunden werden, ist ausschließlich Sache der Hochschulen. Die derzeit große Anzahl der Lehrbeauftragten zeigt, welch wichtige Rolle sie für die Vielfalt des Lehrangebots spielen. Dass ihre Stärkung die Forschung an den Hochschulen zu schwächen und aus Hochschulen „höhere Bildungsanstalten“ zu machen drohe, ist nicht erkennbar.

Nicht nachvollziehbar bleibt auch die Kritik an der Regelung zur Zulassung beruflich Qualifizierter, die einen wichtigen Schritt zu mehr sozialer Durchlässigkeit bedeutet. Die Kriterien und Verfahren sind im Rahmen gesetzlicher Vorgaben relativ autonom von den Hochschulen festzulegen. Es geht um die Feststellung der Studierfähigkeit und die Zulassung zum Studium: hehre Eigenrechte der autonomen Hochschulen! Warum sollte das der Staat wieder stärker reglementieren?

Freilich: Es werden auch Tomaten aus der entgegen gesetzten Richtung geworfen. Da lautet die Forderung, der Staat sollte stärker intervenieren, als der Gesetzentwurf dies vorsieht. Er sollte etwa festlegen, dass in jedem einzelnen Studiengang unterschiedslos ein Drittel der Module frei gewählt werden kann. Ich bin aber davon überzeugt, dass Studierende, Professorinnen und Professoren sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den einzelnen Fachbereichen am besten beurteilen können, wie ein Studiengang im Detail ausgestaltet werden sollte. Daher wollen wir die Verantwortung, die Studiengänge flexibel und studierbar zu gestalten, den Hochschulen übertragen. Dadurch aber, so schallt es nun wiederum, werde der Glaube an die Hochschulautonomie übertrieben und das Recht der Studierenden auf eine hochwertige Ausbildung nicht ausreichend geschützt.

Doch auch dieser Vorwurf läuft ins Leere. Es ist gerade Ziel der Novelle, die Qualität des Studiums auszubauen, die Studienabläufe zu optimieren und die Durchlässigkeit des Bildungssystems zu stärken. Daher wollen wir die Übergänge von Bachelor zu Master möglichst offen halten, daher verlangen wir von den Hochschulen eine angemessene Studienberatung, daher beschränken wir die Prüfungsdichte, daher wollen wir eine studentische Beteiligung an Evaluationen. Denn in der Tat: Die Autonomie der Hochschulen muss ausbalanciert werden mit der grundrechtlich geschützten Ausbildungsfreiheit.

Barbara Riedmüllers Angst vor einer Universität, die wie ein Gemüseladen geführt werden müsste, ist mit der Novelle des Hochschulgesetzes nicht zu begründen. Mit dem neuen Gesetz kehrt die staatliche Aufsicht nicht zurück. Im Gegenteil.

Im Fazit bin ich mit Barbara Riedmüller wieder einig: Nur starke Hochschulen können gute Hochschulen sein.

Der Autor ist Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Bildung und Forschung

Knut Nevermann

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