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Genetik: Einzelne Gendeletion verlängert Lebensspanne

Mutierte Mäuse leben länger, altern langsamer und essen mehr.

Forscher haben eine Mutationsmaus geschaffen, die länger lebt, trotzdem sie mehr isst und dabei weniger wiegt - alles dank eines einzigen fehlenden Proteins.

Ohne dieses Protein ist der Körper weniger empfänglich für den Herzschlag erhöhenden Effekt des Hormons Adrenalin und könnte resistenter gegenüber Stress werden.

Wissenschaftler haben bereits Substanzen entwickelt, die das Protein mit der Bezeichnung Type 5 Adenylyl Cyclase (AC 5) hemmen. "Natürlich sind wir an einer solchen Substanz sehr interessiert", sagt der Kardiologe Stephan Vetner, der dem Team, das diesen Effekt entdeckte, angehört.

Zurzeit konzentrieren sich die Forschungen über das Altern auf die Beschränkung der Kalorienzufuhr als ein möglicher Weg so etwas wie einen "metabolischen Jungbrunnen" zu aktivieren. Die neue Entdeckung, dass durch das Ausschalten eines einzelnen Gens die Lebensspanne verlängert werden kann, war ein unerwartetes Beiprodukt der Herzforschung.

Vatner hatte zusammen mit seinen Kollegen an der New Jersey Medical School an der University of Medcine and Dentistry in Newark ursprünglich herausfinden wollen, ob das Ausschalten von AC5 hilft, das Herz zu schützen.

Es ist bekannt, dass Betablocker, die die Wirkung von Adrenalin hemmen, Patienten helfen, die einen Herzinfarkt erlitten haben oder unter Herzrhythmusstörungen leiden. Wie Forscher bereits 2003 herausfanden, sind Mutantenmäuse ohne AC5 weniger anfällig für derartige Herzerkrankungen. (1)

Dabei wurde dem Forschungsteam ebenfalls klar, dass die Mutantenmäuse länger lebten als ihre normalen Artgenossen. In einem Beitrag in Cell (2) berichteten sie nun, dass die behandelten Mäuse etwa ein Drittel länger lebten und weder Herzprobleme noch eine Zersetzung der Knochen, die häufig mit dem Altern einhergeht, zeigten.

Schutz vor Krebs

Es gibt weiterhin einige Geheimnisse um die Mäuse, denen CA5 fehlt. Junge Mutanten wiegen dasselbe wie ihre normalen Artgenossen, ältere Mutanten jedoch wiegen weniger - obwohl sie mehr essen. Dies lässt auf eine Stoffwechselveränderung schließen, so Vatner, die eine Kalorienreduktion vorgaukeln könnte.

Es ist ebenfalls möglich, dass Mäuse, denen CA5 fehlt, widerstandsfähiger gegen Krebs sind, fügt Vatner hinzu. "Die Hauptursache, aufgrund derer alte Mäuse sterben, ist nicht Herzversagen", erklärt Vatner. "Die Mehrzahl normaler Mäuse stirbt an irgendeinem Tumor." Es ist möglich, dass die Mutanten länger leben, weil sie in der Lage sind, die Bildung von Tumoren hinauszuzögern.

Die Wunderdroge

All das lässt einen AC5-Hemmer als Wunderdroge erscheinen, aber ganz so einfach ist die Lösung womöglich nicht.

Ohne AC5 reagieren die Mäuse immer noch auf Adrenalin, aber der Effekt des Hormons auf das Herz ist nicht mehr so ausgeprägt. Durch Stress ausgelöste Adrenalin-induzierte Reaktionen sind jedoch in so genannten "Flucht-oder-Kampf-Situationen" von Nutzen, erklärt Michael Bristow, Kardiologe am University of Colorado Health Science Center in Denver. AC5 ist Teil einer komplexen Leitungsbahn, fügt er hinzu, und die Auswirkungen, die das Ausschalten des Proteins mit sich bringt, sich noch nicht gänzlich abzusehen.

Psychische Nebeneffekte könnten ebenfalls auftreten, merkt H. Kirk Hammond, Kardiologe an der University of California in San Diego, an. Mäuse, denen AC5 fehlt, sprechen nicht mehr so gut auf Morphine oder Antipsychotika, wie z.B. Haloperidol, an.

Bristow und Hammond sind sich einig, dass die Ergebnisse erstaunlich sind und einen neuen Weg in der Forschung über das Altern eröffnen. Hammond fügt jedoch hinzu, dass obwohl ein AC5-Hemmer ein wirksames Medikament darstellen würde, um das Herz zu schützen, es andere und direkte Weg gibt, das Leben zu verlängern. "Ich denke, als erstes würde ich dafür sorgen, dass die Leute langsamer fahren, aufhören Big Macs zu essen und zu rauchen."

(1) Okumura, S, et al. Proc. Natl Acad. Sci USA 100, 9986-9990 (2003). (2) YAn, L. et al. CEll 130, 247-258 (2007).

Dieser Artikel wurde erstmals am 26.7.2007 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news070723-10. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Heidi Ledford

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