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Geochemie: Die Erdgeschichte wird jünger

Geoforscher verfeinern Formel zur Altersbestimmung von Gesteinen. Die Folge: Bestimmte Ereignisse fanden bis zu 700 000 Jahre später statt als man bisher glaubte.

Wie alt ist dieser Stein? Um diese Frage, die etwa für die Entstehungsgeschichte eines Gebirges interessant ist, zu beantworten, nutzen Geoforscher „Uran-Blei-Uhren“. Das sind Minerale, die etwas Uran einbauen, das im Lauf der Zeit zu Blei zerfällt. Indem die Forscher heute die Mengen von Uran und Blei in einer Probe bestimmen, können sie ausrechnen, wann zum Beispiel ein Granit aus einer Gesteinsschmelze auskristallisiert ist. Doch die seit gut 35 Jahren verwendete Berechnungsformel ist falsch, zahlreiche Ereignisse der Erdgeschichte geschahen in jüngerer Vergangenheit, als man bisher annahm. Das behaupten Joe Hiess vom Britischen Geologischen Dienst und Kollegen im Fachblatt „Science“ (Band 335, Seite 1610). Einige Altersangaben müssten um bis zu 700 000 Jahre nach unten korrigiert werden, schreiben sie.

Die Uran-Blei-Methode ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. Es müssen verschiedene Isotope berücksichtigt werden. Das sind unterschiedlich schwere Varianten ein und desselben chemischen Elements. Beim Uran sind das die Isotope Uran-235 und Uran-238, deren Menge mit einem Massenspektrometer ermittelt wird. Hinzu kommen die Gehalte von Blei-206 und Blei-207, die am Ende der Zerfallsreihe stehen.

Entscheidend für die Altersberechnung ist die Frage: Wie ist das Verhältnis von Uran-238 zu Uran-235 in einer Probe? Bislang verwendeten Forscher den Wert 137,88. Hiess’ Team analysierte sehr genau 58 Proben von Mineralen, die für die Uran-Blei-Datierung häufig benutzt werden, wie Zirkon, Monazit und Apatit. Demnach entspricht das Verhältnis der Uranisotope im Mittel eher 137,82.

Setzt man den neuen Wert in die bekannte Formel ein, fallen die Gesteinsalter kleiner aus. Je älter eine Probe, umso größer ist der Effekt. Bei einem Gestein aus der Frühphase der Erde kann die Abweichung bis zu 700 000 Jahre betragen, schreiben die Wissenschaftler. Wobei diese Differenz bei einem drei oder vier Milliarden Jahre alten Stein kaum ins Gewicht fällt.

Bedeutender sind die Folgen für junge Proben, obwohl der absolute Fehler dort geringer ausfällt, sagt Konrad Hammerschmidt von der Freien Universität Berlin, der in seinem Labor auch die Uran-Blei-Datierung anwendet. „Tropfsteine sind ein wichtiges Klimaarchiv, weil sie Informationen über die Temperaturen liefern, die zur Zeit ihrer Entstehung herrschten“, nennt er ein Beispiel. „Wenn eine Probe bislang auf 400 000 Jahre datiert wurde und nun 10 000 Jahre jünger ist, ist das schon beträchtlich.“

Da bei der Analyse früherer Klimabedingungen, aber auch generell in den Geowissenschaften, verschiedene Datierungsmethoden genutzt werden, dürften die neuen „Uran-Blei-Alter“ einige Verwirrung hervorrufen – oder bestehende Widersprüche auflösen.

Bemerkenswert für die Isotopendatierung ist auch eine zweite Studie, die in „Science“ erschienen ist (Band 335, Seite 1614). Wie ein Team um Norikazu Kinoshita berichtet, beträgt die Halbwertszeit von 146-Samarium nur 68 Millionen Jahre statt des bisher verwendeten Werts von 103 Millionen Jahren. Das Isotop spielt vor allem für Modelle zur Frühphase des Sonnensystems eine Rolle, erläutert der FU-Geochemiker Hammerschmidt. Wenn die Daten stimmten, hieße das: Die Zeit, in der sich Planeten wie Erde oder Mars bildeten, ist noch kürzer als die bisher vermuteten 30 Millionen Jahre. „Nun wird es noch komplizierter, die Vorgänge der Planetenentstehung plausibel zu erklären.“

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