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Guttenberg, Schavan und die Folgen: Maulkorb bei Plagiatsverdacht

Wissenschaftler kritisieren HRK und DFG für Richtlinien bei Fehlverhalten. Sie befürchten, es solle einen Maulkorb für Forscher geben, die wissenschaftliches Fehlverhalten öffentlich machen wollen.

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) planen einen Maulkorb für Forscher, die wissenschaftliches Fehlverhalten öffentlich machen wollen – das befürchten zumindest Wissenschaftler, die jetzt einen offenen Brief im Internet veröffentlicht haben. „Mit großer Sorge“ habe man entsprechende Empfehlungen von HRK und DFG zur Kenntnis genommen, heißt es dort.

Die Kritik bezieht sich auf die im Mai von der HRK verabschiedeten Empfehlungen zur guten wissenschaftlichen Praxis an deutschen Hochschulen. Tatsächlich heißt es dort: Wendet sich ein Hinweisgeber mit seinem Verdacht an die Öffentlichkeit, „verstößt er regelmäßig selbst gegen die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis“. Denn dann sei nicht mehr die „höchste Vertraulichkeit“ gegeben, die ein Ombudsgremium brauche, um Vorwürfe wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu prüfen. Verwiesen wird an dem Punkt auch auf eine „geplante“ Ergänzung der entsprechenden DFG-Richtlinien, die an diesem Donnerstag vorgestellt werden sollen.

Was hat der Passus zu bedeuten? Die Kritiker interpretieren ihn so, dass Wissenschaftler, die ein Plagiat bei anderen erkennen, immer erst die Untersuchungen uniinterner Gremien abwarten sollen, bevor sie sich selber zu dem Fall öffentlich äußern dürfen. Das aber stelle eine „nicht plausibel zu rechtfertigende Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit dar“, heißt es in dem offenen Brief, der jetzt auf der Webseite change.org erschienen ist.

Die Kritiker gestehen darin zwar zu, dass die „rechtssichere Feststellung“ wissenschaftlichen Fehlverhaltens und deren Sanktionierung natürlich in den Händen der Universitäten liege. Dennoch müsse es Forscherinnen und Forschern „unbenommen“ bleiben, den einem solchen Vorwurf zugrunde liegenden Sachverhalt öffentlich zu machen. Schließlich würde es sich bei den Erkenntnissen akademischer Hinweisgeber um „Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit“ handeln. Über deren „Tauglichkeit“ könne „einzig und allein im jeweiligen fachwissenschaftlichen Diskurs entschieden werden“, heißt es in dem Brief.

Unterschrieben haben bereits mehr als hundert Forscherinnen und Forscher aus dem In- und Ausland, darunter etwa Gerhard Dannemann, Professor für Englisches Recht an der Berliner Humboldt-Universität. Initiator ist der Philosophiehistoriker Stefan Heßbrüggen. Die Richtlinien schadeten dem Ansehen der deutschen Forschung im Ausland, sagte Heßbrüggen auf Anfrage: „Wissenschaft ist den Werten der Aufklärung verpflichtet. Dazu gehört Öffentlichkeit.“ Er wirft den Wissenschaftsorganisationen auch vor, diese würden ihre Richtlinien „im stillen Kämmerlein“ entwerfen. Dabei müssten sie breit in der Wissenschaft diskutiert werden.

Bei den bekannten Plagiatsfällen der vergangenen Jahre waren die Vorwürfe durchaus zunächst öffentlich bekannt geworden, bevor sich die zuständige Universität damit befasste. Im Fall Guttenberg etwa veröffentlichte der Bremer Jura-Professor Andreas Fischer-Lescano seine Erkenntnisse zu den Plagiaten in der Promotion des Ministers zunächst in einer Fachzeitschrift, bevor dann große Zeitungen die Berichterstattung aufnahmen. Erst dann begann die Universität Bayreuth, die Promotion selber zu prüfen. Das führte bekanntermaßen zum Rücktritt Guttenbergs und zur Aberkennung seines Doktortitels.

Im Fall der ehemaligen Wissenschaftsministerin Annette Schavan wiederum wurden die Vorwürfe zunächst durch die Webseite „Schavanplag“ bekannt.

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