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H1N1-Virus: Neue alte Grippe

Schweine dienten als Mischgefäß für das H1N1-Virus. Der Erreger ist wahrscheinlich älter als gedacht.

Es ist noch sehr früh, um Lehren aus der Schweinegrippe zu ziehen. Eine erste drängt sich aber bereits auf: In Zukunft sollten Grippeerkrankungen auch bei Schweinen genauer beobachtet und untersucht werden. Das legt jedenfalls eine Untersuchung amerikanischer Forscher nahe. Demnach ist die „Neue Grippe“ nicht wirklich neu. Möglicherweise sei das Virus schon lange in Schweinen gewesen, ehe die ersten Menschen sich damit infizierten, schreiben die Wissenschaftler der amerikanischen Seuchenbehörde CDC im Fachblatt „Science“.

Das Erbgut von Grippeviren ist auf acht einzelne Fäden aufgeteilt. Für den Erreger der Schweinegrippe hat das Forscherteam nun genau nachgezeichnet, wo welche Erbinformationen herkommen. Dafür untersuchten sie Viren von 76 Patienten aus Mexiko und den USA, die an der neuen Schweinegrippe erkrankt waren. Sie entzifferten das Erbgut dieser Viren und verglichen es miteinander und mit bekannten Grippestämmen.

Ihr Ergebnis: Drei der acht Erbgutsegmente des neuen H1N1-Virus kommen von der „klassischen“ Schweinegrippe. So wird der Erreger der ersten Grippefälle bei Schweinen genannt, die 1918 in den USA beobachtet wurden. Forscher gehen davon aus, dass das Virus kurze Zeit vorher von Vögeln, die das Hauptreservoir für Influenza-Viren sind, auf das Schwein übergesprungen war.

Auch die restlichen Segmente stammen zwar ursprünglich von Vögeln, haben sich aber seither im Schwein verbreitet. Zwei Segmente stammen von einem Virus, das wahrscheinlich 1979 in Europa oder Asien vom Vogel auf das Schwein übertragen wurde. Noch zwei Segmente schafften den Sprung 1998.

Das achte Segment scheint vom Vogel zunächst auf den Menschen übertragen worden zu sein und dann 1998 auf das Schwein. Denn Schweinezellen haben auf ihrer Oberfläche sowohl Merkmale, die sie mit Vögeln gemeinsam haben als auch Merkmale, die beim Menschen vorkommen. Daher können sie auch von beiden mit Grippeviren infiziert werden – und dienen dann als ein Mischgefäß, in dem neue Virusvarianten entstehen.

Im Falle der neuen Schweinegrippe könnte das schon vor einigen Jahren passiert sein. Das Virus könnte schon länger unbemerkt in Schweineherden irgendwo auf der Welt zirkuliert sein, schreiben die Wissenschaftler. Dass das Virus nicht früher entdeckt worden sei, zeige, dass Schweine nicht genügend beobachtet würden. Dabei könnten sie Influenzaviren in sich tragen, die das Potenzial haben, eine Pandemie auszulösen.

Diese Sicht bestätigt auch das Friedrich-Löffler-Institut für Tiergesundheit. Da Grippeerkrankungen bei Schweinen weder melde- noch anzeigepflichtig seien, gäbe es nicht viele Daten dazu, sagt Sprecherin Elke Reinking. Eine erste Untersuchung habe aber bei Schweinen in etwa 90 Prozent aller Schweinehaltungsbetriebe Antikörper gegen Influenzaviren gefunden. Antikörper zeigen an, dass die Tiere in der Vergangenheit eine Influenzaerkrankung durchgemacht haben.

„Wir beginnen jetzt natürlich damit, die Grippe bei Schweinen genauer zu untersuchen“, sagt Reinking. Ob es aber auch langfristig eine Beobachtung der Grippeerreger in Schweinen geben werde, sei unklar. „Das ist nicht wie bei Wildvögeln, wo es dafür ein europaweites Programm gibt.“ Am Ende müsse die Politik das Geld bereitstellen, sagt Reinking. Vielleicht ist es dann auch wieder von Vorteil, dass die Grippe in der Bevölkerung nach wie vor als „Schweinegrippe“ bezeichnet wird.

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