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Stechender Blick, blau wie das Meer, und auch so mysteriös: Latimeria chalumnae.

© mauritius images/Gerard Lacz / mauritius images/Gerard Lacz

Tagesrückspiegel – Heute vor 36 Jahren: Als ein Student den Quastenflosser entdeckte

Sie können nicht auf dem, aber unter Wasser laufen. Und das, obwohl sie eigentlich seit 65 Millionen Jahren als ausgestorben galten. Ein Berliner war der Erste, der sie lebend zu Gesicht bekam.

Eine Kolumne von Richard Friebe

James Smith soll seinen ersten Blick auf den Fisch so kommentiert haben: Es sei fast so gewesen, als ob ihm ein Dinosaurier auf der Straße begegnet wäre. Smith war Chemiker, kannte sich aber mit Fischen aus, denn vor hundert Jahren war es für Forscher noch einfacher, sich sehr grundlegend umzuorientieren.

An jenem Tag im Dezember 1938 war er, ohne Bio-Studium, längst einer der Top-Fischkundler des afrikanischen Kontinents. Er wusste: Dieser Fisch war eng verwandt mit den Vorfahren der ersten Landwirbeltiere. Er hatte Flossen, die eine Art Vierbeinergang im Wasser erlaubten, einen Voranpassung für das Leben an Land. Und er galt als so lange ausgestorben wie die Dinos.

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Dieser erste nicht versteinerte Quastenflosser bekam von Smith den Namen Latimeria. Nach einer Krankenschwester. Die hieß Marjorie Courtenay-Latimer und hatte ihn entdeckt. Auch sie kannte sich mit Fischen aus. Denn in der Zeit vor hundert Jahren war es ausgerechnet in Südafrika – dem Land, das später zum Diskriminierungsstaat schlechthin wurde – offenbar möglich, als Frau mit selbst angeeigneten Naturkenntnissen letztlich Museumsdirektorin zu werden. Sie fand den Fisch im Fang eines befreundeten Kapitäns aus East London an Südafrikas Ostküste. Sie erkannte seine Besonderheit. Sie kontaktierte Smith.

Versteinerte Quastenflosser, verendete Quastenflosser... lebende

Der Rest ist Geschichte. Deren Höhepunkt kam aber erst heute vor 36 Jahren: Am 17. Januar 1987 war Hans Fricke, Verhaltensbiologe und Chef eines bis dahin frustrierenden Tauchbootprojektes zur Suche nach lebenden Quastenflossern, schon auf dem Weg zurück nach Deutschland.

Seine Mitarbeiter, denen nur wenig Zeit blieb, bevor auch sie ihre Sachen packen mussten, brachen erstmals nicht am Tag, sondern abends zu einer Tauchfahrt auf. „Die Fischer fingen die Tiere auch nachts, deshalb haben wir uns dazu entschieden“, erinnert sich Jürgen Schauer, damals Pilot des Tauchboots „Geo“.

Hans Fricke vor seinem ersten Tauchboot, benannt nach dem Sponsor „Geo“.

© Galiani Verlag / Fricke

Der aus Berlin stammende Student Olaf Reinicke wurde an jenem Abend vor den Komoren im Indischen Ozean zum ersten Menschen, der das „lebende Fossil“ in seinem natürlichen Habitat beobachtete, fotografierte, filmte.

Es war eine der spektakulärsten biologischen Entdeckungen des Jahrhunderts. Schauer wurde danach zum Tauchbootpiloten-Star. Reinicke, Entdecker für die Geschichtsbücher und laut Schauer „ein super Typ, zugewandt, hervorragender Taucher“, hatte weniger Glück mit Karriere und Leben als die anderen Quastenflosser-Entdecker. Er studierte nicht einmal zu Ende. 2008 starb er.

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