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© Mike Wolff

Hochschulen: Gebildete Erzieher

Die Alice-Salomon-Fachhochschule wird 100

Die Betreuung und Bildung von Kleinkindern ist zu einem der zentralen politischen Themen in Deutschland geworden. Niemand wird heute noch bestreiten, dass Erzieherinnen auch akademisch ausgebildet werden müssen. „Wir waren allerdings 2004 die Ersten in Deutschland, die einen grundständigen Studiengang für Erzieherinnen angeboten haben, und das kam einem Dammbruch gleich“, sagt die Soziologin Christine Labonté-Roset, Rektorin der Alice-Salomon-Hochschule Berlin (ASFH), nicht ohne Stolz.

Die Erste, die Älteste: Diese Attribute verdient die heutige Fachhochschule, die inzwischen in einem modernen Gebäude in Hellersdorf residiert, auch als deutsche Ausbildungsstätte für soziale Arbeit. Weltweit gibt es nur zwei Institutionen, eine in Amsterdam und eine in New York, die gleich alt sind. Am heutigen Donnerstag und am Freitag feiert die Schule, die als „Soziale Frauenschule“ in Berlin-Schöneberg begann, ihren hundertsten Geburtstag. Im Jahr 1908 wurde dort, nach einer 15-jährigen Experimentierphase, mit der zweijährigen Ausbildung von Sozialarbeiterinnen begonnen. Genau in dem Jahr übrigens, in dem Frauen die Zulassung zum Hochschulstudium zugebilligt bekamen.

Zwei Jahre zuvor hatte die 1872 geborene Namensgeberin Alice Salomon an der Berliner Universität promoviert – ohne Abitur, aber wegen ihrer Publikationen im von Helene Lange herausgegebenen „Handbuch der Frauenbewegung“ ausnahmsweise trotzdem zum Studium zugelassen. Im Dritten Reich musste sie dann, wie viele andere Lehrende, zuerst die Schule, später auch das Land verlassen. Sie starb 1948 in New York.

Von Anfang an verfolgte die Schule ein doppeltes Ziel: durch praktische Sozialarbeit Not zu lindern und soziale Unterschiede überbrücken zu helfen, gleichzeitig aber auch berufliche Perspektiven für Frauen zu schaffen. Zum „Lehrkörper“ gehörten aber schon immer auch Männer: Zu den prominentesten Dozenten zählen Albert Einstein und Theodor Heuss. Heute sind je nach Studiengang zwischen 60 und 75 Prozent der Studierenden und 62 Prozent der Lehrenden Frauen. „Wir nehmen einfach immer die Besten“, sagt Labonté-Roset.

Bei der ASFH hieß das: Menschen, die neben hoher Qualifikation eine solide praktische Erfahrung in einem der Bereiche mitbringen, auf die die Hochschule ihre Studierenden auch in berufsbegleitenden Programmen vorbereitet. Unterrichtet werden nichtmedizinische Gesundheitsberufe wie Pflege oder Physiotherapie, Erziehung und Soziale Arbeit.

Seit man auf einigen Feldern nach dem Bachelor und mehreren Jahren Berufserfahrung auch den Master machen kann, wächst das Interesse an Doktorarbeiten. Labonté-Roset fände es nur folgerichtig, wenn ihre Fachhochschule das Promotionsrecht bekäme – zumal sie bei der Drittmitteleinwerbung und bei wissenschaftlichen Publikationen besonders erfolgreich sei.

Einstweilen kann die Rektorin sich und ihre Studierenden damit trösten, dass die ASFH in mehreren Promotionsprogrammen mit den Berliner Universitäten kooperiert, unter anderem mit dem Graduiertenkolleg „Multimorbidität im Alter“ der Charité: Eine Thematik, die ohnehin zur Zusammenarbeit von Medizin, Psychologie, Pflege- und Sozialwissenschaft zwingt.

Sozialarbeit, Pflege und Kleinkindpädagogik sind, anders als in der Gründungszeit der ASFH, längst anerkannte Professionen. Doch die Akademisierung dieser typischen „Frauenberufe“ ist für viele in Deutschland noch gewöhnungsbedürftig. Ein Blick in die Zukunft, etwa zum 200. Geburtstag der Fachhochschule, wäre schon deshalb spannend. aml

Informationen über die Alice-Salomon-Hochschule Berlin, den Festakt am heutigen Donnerstag und das öffentliche Programm, das am Freitag ab 14 Uhr geboten wird, unter: www.asfh-berlin.de.

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