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Junge Uni. Die Hongkong University of Science and Technology besteht seit 1991.

© Imago

Hochschulen: Hong Kong will „von den Deutschen lernen“

Der Präsident der führenden Technischen Universität von Hongkong war zu Besuch in Berlin. Im Interview erklärt er, warum ihn der deutsche Bachelor interessiert - und warum er auch mit Unis kooperiert, die im Ranking nicht ganz oben stehen.

Herr Chan, Ihre Uni ist eine der renommiertesten Technik-Universitäten Asiens. Jetzt suchen Sie neue Partnerschaften mit deutschen Hochschulen. Was macht Deutschland für Hongkong interessant?
Für uns als technische Universität wird Deutschland wichtiger. Kaum ein Land ist so gut bei technischen Innovationen. Wir wollen in der Forschung zusammenarbeiten und beim Studierendenaustausch. Bei jungen Deutschen spüren wir ein großes Interesse an Asien. Wir beobachten, dass seit Beginn des Bologna-Prozesses deutsche Unis viele Programme auf Englisch anbieten. Das ist für unsere Studierenden attraktiv, die ins Ausland wollen. Die deutsche Lehre hat international einen exzellenten Ruf. Die Grundlagenausbildung in den Technikfächern ist unglaublich gut. Die Deutschen lernen nicht einfach stur auswendig, die lernen, wie man Wissen analysieren muss, um Neues zu schaffen.

Hongkong hat den Bachelor gerade von den auch in Deutschland üblichen drei Jahren auf vier Jahre verlängert. Warum?

In Asien sind wir in der Bildung immer noch sehr von der konfuzianischen Tradition geprägt. Die Jugendlichen respektieren, was ihnen die Älteren sagen, auch wenn sie schon 17 oder 18 Jahre alt sind. Sie brauchen einfach eine längere Zeit, sich davon frei zu machen. Die wollen wir ihnen an der Uni geben. Jetzt können wir ihnen mehr überfachliche Kurse anbieten, wie etwa Wissenschaftstheorien und Wissenschaftsgeschichte. Sie sollen Zeit für zusätzliche außercurriculare Aktivitäten haben, wie für ein längeres Praktikum. Und sie sollen mehr Möglichkeiten haben, ins Ausland zu gehen.

Tony Chan, Präsident der Hongkong University of Science and Technology.

© Promo/HKUST

Nimmt man in Hongkong die Exzellenzinitiative der deutschen Universitäten wahr?

Aber ja! Das ist ein Grund, weswegen wir nach Deutschland kommen. Ich mag diesen Wettbewerbsgedanken unheimlich. Taiwan und Korea haben den Wettbewerb ja bereits kopiert. Auch in Hongkong sollten wir das tun.

In Deutschland gibt es eine heftige Diskussion über den Wert von Rankings. Die Uni Hamburg ist ausgestiegen, weil sie Ranglisten für unseriös hält, zumal die Uni-Weltrankings. Gibt es solche Diskussionen auch bei Ihnen?

Über Rankings hat jeder eine Meinung. Ich kann nur jedem raten, das gelassen zu sehen. Wir gucken uns nicht so sehr an, auf welchem Platz wir landen. Ob Rang 56 oder 37, das sagt tatsächlich nicht viel aus. Wir fragen uns vielmehr, ob wir etwas lernen können, wenn uns irgendwo Schwächen bescheinigt werden.

Sie schneiden in der Regel auch ziemlich gut ab, da ist Gelassenheit einfach. Profitieren sie nicht auch davon, dass etwa die von den Weltrankings benutzten Zitationsindices Unis aus dem angelsächsischen Raum bevorteilen? Da gehört Hongkong mit seiner britischen Tradition ja durchaus zu.

Das kann man in der Tat so sehen. Für uns als eine junge Uni haben Rankings allerdings einen großen Vorteil. Gute Ergebnisse öffnen Türen, sie ermöglichen uns die Kooperation mit internationalen Spitzenunis. Glauben Sie mir: Jede Uni präsentiert erst einmal ihre Rankingergebnisse, wenn sie eine neue Zusammenarbeit mit einer ausländischen Hochschule anstrebt.

Dann dürften Sie mit deutschen Unis ja gar nicht kooperieren. Die stehen in den Weltrankings eher hinten.

Naja, bei der TU Berlin etwa kennen wir viele Fachbereiche persönlich. Das sagt dann natürlich sehr viel mehr aus als Rankings.

Sie haben am Caltech in Kalifornien und in Stanford geforscht und für die National Science Foundation gearbeitet, die größte Wissenschaftsförderungseinrichtung der USA. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen den Wissenschaftssystemen der USA, Chinas und Europas?

Neben den noch bestehenden Unterschieden sehe ich vor allem, dass Differenzen zwischen den Wissenschaftssystemen immer mehr nivelliert werden. Die Politik reagiert überall ähnlich: Forschungsförderung wird immer stärker wettbewerblich organisiert, große Forschungsverbünde – auch über Ländergrenzen hinweg – spielen eine zunehmend wichtigere Rolle. In den meisten Ländern werden Ressourcen auf die gleichen Bereiche konzentriert: Energie, Umwelt, IT- und Kommunikationstechnologien.

China versucht, einen immer größeren Einfluss auf Hongkong zu bekommen. Spürt man das auch bei Ihnen an der Uni?

Das ist eine schiefe Wahrnehmung, die manche im Westen haben. In der Realität lebt Hongkong unter der Strategie „Ein Land, zwei Systeme“, seitdem es 1997 an China zurückgegeben wurde. Von Angelegenheiten der Außen- und Verteidigungspolitik abgesehen, ist Hongkong komplett autonom. Also übt Peking im Bildungsbereich überhaupt keinen Einfluss auf uns aus.

Die Fragen stellte Tilmann Warnecke.

Tony Chan ist seit 2009 Präsident der Hongkong University of Science and Technology. Der Ingenieur und Mathematiker arbeitete vorher für die National Science Foundation in den USA.

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