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Hochschulen: Was Studenten verdienen

Im Bachelor fehlt vielen die Zeit zum Jobben. Das Bafög wird dem neuen Unialltag kaum gerecht - Experten fordern eine deutliche stärkere Erhöhung, als die Bundesregierung sie vorhat.

Adnan Alibasic studiert Deutsch, doch statt mit Goethe beschäftigt sich der Mannheimer Student häufig mit Geld. Der 23-Jährige ist wie viele Studenten sein persönlicher Finanzoptimierer. Rund 900 Euro gibt er im Monat aus, allein ein Drittel davon für die Miete seines WG-Zimmers. Die Einnahmen stückelt er Monat für Monat zusammen: Seine Eltern bezahlen die Studiengebühren von 500 Euro je Semester und überweisen 150 Euro vom Kindergeld. Daneben hat Alibasic einen 400-Euro-Job. Und vor allem: Regelmäßig gehen 450 Euro Bafög auf seinem Konto ein. „Geld ist eigentlich immer ein Thema“, sagt Alibasic.

Dem Mannheimer Studenten geht es damit wie den meisten Studierenden. Die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks spricht von Studienfinanzierung als einer typischen „Mischfinanzierung“. Eine schwierige Balance, bei der Bafög oft noch die sicherste Quelle ist. Doch die von vielen dringend benötigte Studenten-Stütze erreicht nur eine Minderheit.

Alibasic gehört zu jenen 330 000 Studenten, die nach den aktuellen Zahlen Bafög beziehen. Das sind gerade 17 Prozent aller Studierenden. Zieht man jene ab, die wegen eines Zweitstudiums oder anderem Bafög-Förderung nicht beantragen könnten, liegt die Quote bei 24 Prozent. Zwar verkündete Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) jüngst eine Trendwende. Nachdem 2006 und 2007 die Zahl der Bafög-Bezieher gesunken war, stieg ihre Zahl 2008. Die Freibeträge für das zulässige Einkommen der Eltern waren zuvor um zehn Prozent, die Bafög-Sätze selbst um acht Prozent angehoben worden. Dennoch liegt die Zahl der Geförderten weiter unter der von 2005.

Im Schnitt erhält ein Bafög-Empfänger knapp 400 Euro im Monat. Wer Bafög bekommt, kann dennoch nicht ohne Geldsorgen studieren. Rund 770 Euro braucht ein deutscher Student im Monat im Schnitt. In Berlin ist es sogar geringfügig mehr: Studierende geben trotz des vergleichsweise geringen Mietniveaus immer noch mehr für ihre Wohnung aus als Kommilitonen in Ostdeutschland oder auf dem westdeutschen Land.

Adnan Alibasic kennt die Geldsorgen nicht nur von sich selbst. Er war Sozialreferent beim Asta, jetzt jobbt er als Hilfskraft im Bafög-Amt. Dort hat er verzweifelte Studenten am Telefon, für die Bafög die letzte Hoffnung ist. „Es gibt viele, die knapp bei Kasse sind“, sagt er.

Für die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sind Unsicherheiten bei der Studienfinanzierung ein wesentlicher Grund, warum in Deutschland laut OECD nur 36 Prozent der jungen Erwachsenen ein Studium aufnehmen, gegenüber einem OECD-Schnitt von 54 Prozent. Ein Studium dürfe nicht durch ständige Sorge um den Lebensunterhalt beeinträchtigt werden, mahnt die HRK. Der Generalsekretär des Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde, verweist auf Eltern und Kinder der unteren Mittelschicht, die unter den Bafög-Regeln leiden: Mütter und Väter, die zu viel für einen Bafög-Anspruch ihrer Kinder verdienen, aber zu wenig, um ihnen ein Studium zu bezahlen. „Man muss den Kreis der Förderberechtigten erhöhen“, sagt Meyer auf der Heyde. „Und das heißt: mehr Geld für das Bafög.“

Die Bundesregierung hatte dieser Forderung unter dem Eindruck der Studentenproteste ein Stück nachgegeben. Ministerin Schavan kündigte an, im kommenden Herbst die Bafög-Sätze erneut anzupassen. Die Freibeträge werden um drei und die Bedarfssätze um zwei Prozent steigen. Der Referentenentwurf für das Bafög-Änderungsgesetz ist fertig. Derzeit holt das Ministerium die Meinung von Verbänden, Ländern und anderen Ressorts ein. Am 24. März kommt der Gesetzentwurf ins Kabinett, am Tag darauf in den Bundesrat, später in den Bundestag. Im Juli soll das Gesetz verabschiedet sein, plant das Ministerium.

Drei Punkte des Gesetzentwurfes sind unumstritten: Masterstudenten sollen Bafög beantragen können, wenn sie beim Studienstart nicht älter als 35 Jahre sind. Bislang lag die Altersgrenze bei 30 Jahren – zu niedrig, wenn Bachelorabsolventen ernsthaft ermuntert werden, vor dem Master in die Praxis zu gehen. Bei einem ersten Fachrichtungswechsel wird es Bafög weiter als hälftige Mischung aus Zuschuss und Darlehen geben statt nur als Darlehen. Und Zeiten für die Kindererziehung sollen künftig großzügiger angerechnet werden.

Das Bafög für das Turbo-Studium fit zu machen, ist eine drängende Aufgabe: Bei straffen Bachelorstundenplänen bleibt Studenten kaum Zeit zum Jobben. Ohne wirksames Bafög würde damit allein die Finanzkraft der Eltern entscheiden, ob sich ein Abiturient ein Studium leisten kann. Adnan Alibasic hat Glück: Ihn unterstützen seine Eltern, obwohl auch sein Bruder studiert. Doch wackelt eine der drei Finanzquellen Job, Bafög, Eltern, gerät er ins Schleudern. Schon ein Praktikum will gut überlegt sein, wenn er in der Zeit kein Geld verdienen kann.

Ob der Aufschlag auf die Frei- und Förderbeträge unter diesen Bedingungen der sozialen Lage der Studierwilligen gerecht wird, bezweifeln Kritiker. Das Studentenwerk empfiehlt statt der anvisierten Erhöhung des Freibetrags um dreiProzent eine Steigerung von fünf Prozent, bei den Sätzen selbst vier Prozent plus. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert, die Freibeträge um wenigstens zehn Prozent anzuheben. „Wir wollen mindestens 100 000 zusätzliche Bafög-Geförderte", sagt SPD-Bildungspolitiker Ernst Dieter Rossmann. Die Bildungsgewerkschaft GEW hält bei beiden Beträgen einen Zuwachs von zehn Prozent für sinnvoll. „Etwa die Hälfte dieser Forderung sorgt für den Ausgleich der Einkommens- und Preisentwicklung 2007 bis 2010“, argumentiert die GEW. Die andere Hälfte soll die Situation spürbar verbessern. Als Schavan ihre Erhöhung ankündigte, erinnerte GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller daran, dass Bund und Länder 2008 gemeinsam 2,3 Milliarden Euro ins Bafög gesteckt hätten – „in einer Zeit, in der uns die Banken und Automilliarden gerade so um die Ohren fliegen, ein überschaubarer Betrag.“

Während GEW, SPD und Studentenwerk auf eine Aufwertung des Bafögs drängen, das 2011 40 Jahre alt wird, mahnt das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) eine weitergehende Reform an. Die wettbewerblich orientierte Denkfabrik empfiehlt ein „neues Bafög“, das unter einem Dach auch Studienkredite, Beitragsdarlehen der Länder und Stipendien vereint.

Im Mannheimer Bafög-Amt erlebt Hilfskraft Alibasic, wie sich Antragsteller im Dickicht der Paragrafen verirren. Vermutlich kennt sich kaum ein Student so gut mit Bafög aus wie er. Doch auch Alibasic erfuhr durch Zufall, dass sich seine Eltern die Hilfe für Oma und Opa in Bosnien anrechnen lassen können – und sein Bafög-Anspruch steigt.

Trotz dieser Tücken verteidigt das Studentenwerk das Bafög-System. „Es sind keine strukturelle Änderungen nötig“, sagt Meyer auf der Heyde. Im Gegenteil: Bafög sei ein Instrument des Sozialstaates. Eine Hilfe, auf die es einen Rechtsanspruch gebe. Das mache sie komplizierter, aber verlässlicher als freiwillige und frei verteilbare Stipendien. Das Bafög sei eine wichtige Errungenschaft. Das bestätigten die Bafög-Empfänger: Vier von fünf sagen, ohne diese Hilfe könnten sie nicht studieren.

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