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Hochschulmedizin: Die Uniklinik als geschützte Marke

Universitätsklinik: Auf der Suche nach Heilung für viele ein magisches Wort. Beim Kongress der Hochschulmedizin wurde die Einheit von Forschung, Lehre und Versorgung betont.

Die Universitätsklinik verspricht Pionierarbeit im Kampf gegen unheilbare Krankheiten und Behandlung nach dem neuesten Stand der Wissenschaft. Da lässt es aufhorchen, wenn die Schließung einer medizinischen Fakultät droht, weil ein Bundesland sie nicht ausreichend finanziell ausstatten kann, wie jetzt in Lübeck. Oder wenn zwei bisher unabhängige Unikliniken, die zu zwei getrennten Universitäten gehören, miteinander fusionieren, wie vor ein paar Jahren in den hessischen Städten Marburg und Gießen.

Während die einen schließen oder sich in der Not zusammentun, versprechen Politiker angesichts des drohenden Ärztemangels eine Ausweitung des Studienplatzangebots. Und Standorte wie Oldenburg, Bielefeld, Augsburg oder die Asklepios-Kliniken in Hamburg haben ernste Absichten, den Status eines Uniklinikums neu zu erringen – letztere im Teamwork mit der Uni Budapest, an der schon heute zahlreiche angehende Ärzte studieren. Es gebe einen wahren Run auf den prestige- und finanzträchtigen Titel, konstatierte Jörg Rüdiger Siewert (Uniklinik Heidelberg), Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands (VUD). Dort steht man den geplanten Neugründungen ausgesprochen skeptisch gegenüber, wie sich letzte Woche beim 6. Innovationskongress der Deutschen Hochschulmedizin in Berlin zeigte. Statt einer Vermehrung der Standorte sei eine Verbesserung der Arbeit an den schon bestehenden vordringlich, forderte Siewert.

Wesentlich mehr Studienplätze würden eigentlich nicht gebraucht, um den Bedarf an jungen Ärzten zu decken, sagte Dieter Bitter-Suermann (Medizinische Hochschule Hannover), Präsident des Medizinischen Fakultätentages (MFT). Mit 390 Ärzten auf 100 000 Einwohnern liege Deutschland weit über dem internationalen Durchschnitt. „Wir produzieren genug Ärzte, doch sie verteilen sich nach dem Studium falsch.“ Studienplätze an Bewerber zu vergeben, die sich verpflichten, später Landärzte zu werden, sei allerdings nicht der richtige Weg aus der Misere. Aber es sei gerecht, dass die Kultusministerkonferenz die Zahl der Studienplätze vorübergehend um zehn Prozent erhöhen wolle, um Bewerbern aus den doppelten Abiturjahrgängen bessere Chancen zu geben.

Falsch wäre es nach Ansicht des VUD und des MFT aber, wenn sich auch Krankenhäuser als „Uniklinikum“ bezeichnen dürften, in denen nicht oder kaum geforscht wird. Heute absolvieren angehende Ärzte in solchen Lehrkrankenhäusern etwa ihr Praktisches Jahr kurz vor dem Staatsexamen. „Aus der Konzentration von Wissenschaftlern und gleichzeitig in der Krankenversorgung tätigen Ärzten schöpft die Hochschulmedizin ihre Leistungskraft“, sagte Siewert. Der VUD hat einen ganzen Katalog von Anforderungen aufgestellt, die an ein Uniklinikum zu stellen seien.

Auch bestehende Unikliniken sollen auf den Prüfstand. Die Leiter der einzelnen Kliniken sollten auch Lehrstuhlinhaber der Universität sein. Mindestens 150 junge Leute sollten in jedem Jahr an einem solchen Standort mit dem Medizinstudium beginnen, 60 Professoren für die Lehre bereitstehen. Nur so werde eine unitypische Arbeitsatmosphäre möglich.

Diese Zahlen hält der Chirurg Hans-Rudolf Raab vom Klinikum Oldenburg für willkürlich. Zusammen mit dem niederländischen Groningen will man in der nordwestdeutschen Stadt eine „European Medical School“ gründen, die mit 80 Studierenden startet und zu einem europäischen Doppelabschluss führen soll. Eine kühne Vision, die sich jedoch an den gediegenen Vorgaben des Bologna-Prozesses orientiert: Nach drei Jahren machen die Medizinstudenten ihren Bachelor, nach weiteren drei Jahren ihren Master. Jeder muss niederländisch und jeder deutsch können, denn ein Studienjahr an der jeweils anderen Uni ist Pflicht. Eine wissenschaftliche Arbeit kann anschließend in einem dreijährigen Promotionsstudiengang noch drangehängt werden. Bachelor und Master in der Medizin seien abwegig, schon weil dem Bachelor kein Berufsfeld entspreche, konterte Bitter-Suermann für den Fakultätentag.

MFT und VUD bedauern unisono, dass mit der Föderalismusreform dem Wissenschaftsrat die Aufgabe entzogen ist, Unikliniken zu zertifizieren. „Der Bund hat an Einfluss verloren, die Länder haben die Finanzen an sich gezogen, kommen ihrer Aufgabe aber nur ungenügend nach“, sagte Siewert.

Bundesforschungsministerin Annette Schavan, die den Kongress am Donnerstag eröffnete, betonte allerdings Wert, dass der Bund nach wie vor viel für die medizinischen Fakultäten tue. „90 Prozent aller Fördermittel aus dem Bereich Medizin und Gesundheit gehen an die Hochschulen.“ Vor allem in die geplanten Zentren für Gesundheitsforschung, die sich den Volkskrankheiten Demenz, Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf und Infektionen widmen, wird viel Geld fließen. „Die Ministerin sieht die Not der Unikliniken, sie hilft aber zu ihren Bedingungen“, kommentierte Siewert. Adelheid Müller-Lissner

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