zum Hauptinhalt

Wissen: Hörschäden – häufig und vielfältig Wie moderne Therapien helfen können

Probleme mit dem Hören? Da sind Sie nicht allein, sondern haben in Deutschland schätzungsweise 14 Millionen Leidensgenossen.

Probleme mit dem Hören? Da sind Sie nicht allein, sondern haben in Deutschland schätzungsweise 14 Millionen Leidensgenossen. Schwerhörigkeit kann plötzlich oder schleichend entstehen, ganz verschiedene Ursachen zwischen Lärmschäden und Infektionen haben; sie kann leicht und schnell zu beheben sein, etwa wenn ein Ohrschmalzpfropf den Gehörgang verschließt, aber auch bis zur Taubheit gehen. Und dazwischen gibt es alle Facetten.

Aber vielen Patienten kann heute geholfen werden, selbst denen, die am schlimmsten dran sind, das sind in Deutschland etwa 80 000. Sie sind gehörlos geboren oder erlitten einen Hörverlust, ehe sie sprechen lernen konnten. Hochleistungs-Hörgeräte oder ein Cochlea-Implantat ermöglichen das Hören innerhalb gewisser Grenzen.

Cochlea, das ist die Hörschnecke im lnnenohr, ein gewundener Knochenhohlraum, gefüllt mit zweierlei Lymphflüssigkeit und ausgestattet mit vielen tausend Hörsinneszellen, den Haarzellen. Fällt deren Funktion für immer aus, kann in vielen Fällen der Schall durch elektrische Impulse eines Implantats an den Hörnerv übermittelt werden. Solche Implantate und die modernen Hörgeräte sind fast so kompliziert wie unser organisches Hörsystem, das entsprechend anfällig ist.

Seine Anatomie und Funktion sowie alle Hörstörungen samt Untersuchung und Behandlung beschreibt die HNOÄrztin Karin Kippenhahn fundiert, allgemeinverständlich, teils sogar vergnüglich – und kritisch. Gerade erschien ihr Buch „Ich glaub’, ich hör’ nicht recht – Schwerhörigkeit, Tinnitus & Co“. Erlebte Patientengeschichten machen die Informationen anschaulich, Tipps und Adressen nützen Betroffenen, medizinhistorische Anekdoten illustrieren den jeweiligen Stand des wissenschaftlichen Irrtums. So entnimmt die Autorin den Schriften des lydischen Arztes Alexander von Tralleis (525–605 n. Chr.), „dass er zwar nicht viel von den Mitteln halte, die damals gegen Schwerhörigkeit empfohlen wurden, doch wenn keine andere Hilfe möglich sei, müsse der Arzt auf diese zurückgreifen, etwa auf den Saft der Kellerassel“.

Gegenüber dem Hörsturz hat sich solch hilfloses Handeln bis heute gehalten: Man meint, etwas tun zu müssen, auch wenn man selbst nicht dran glaubt. Eine systematische Befragung von HNO-Ärzten ergab, dass Hörsturzpatienten oft zehn Tage lang zwar nicht mit Asselsaft, aber mit durchblutungsfördernden Mitteln behandelt wurden, ohne dass die Ärzte vom Sinn der Sache überzeugt waren. Inzwischen tragen die Krankenkassen die Kosten nicht mehr. Die Standardtherapie beim oft stressbedingten Hörsturz heißt heute Ruhe.

Hört man jedoch auf einem Ohr plötzlich fast gar nichts mehr, zum Beispiel nach dem Heben einer schweren Last, wird’s gefährlich. Dann könnte eine kleine Membran, das runde Fenster, eingerissen sein. Selten, aber schwerwiegend. Wird der Riss nicht rasch chirurgisch geflickt, geht das Hörvermögen auf Dauer verloren. Gerät diese Flüssigkeit durch einen lauten Knall (über 125 Dezibel) in heftige Bewegung, wird ein Teil der Haarzellen geknickt. Nicht immer erholt sich das Gehör davon. Und chronische Lärmschäden können schon durch längere Lärmbelästigung von über 85 Dezibel entstehen. Jeder zweite dauernd Lärmgeschädigte hat auch einen Tinnitus. Der stört ihn zunächst oft mehr als die Hörminderung. Die Club-Generation ist dann häufig mit vierzig schon so schwerhörig wie andere erst im hohen Alter, sagte Kippenhahn dem Tagesspiegel.

Tinnitus haben in Deutschland drei Millionen, die meisten sind schwerhörig. Die Ohrgeräusche haben oft psychische Ursachen (Stress) und Folgen (Depressionen). Oft verschwinden sie von selbst.

Gegen die Altersschwerhörigkeit helfen oft Hörgeräte. Gut die Hälfte der Betroffenen würde davon profitieren, aber weniger als die Hälfte trägt ein Hörgerät, selbst wenn sie eins besitzen. Viele bringen nicht die Ausdauer auf, sich mithilfe des Akustikers genau das richtige Gerät auszusuchen und sich daran zu gewöhnen. Auch daran, dass alles anders klingt. Denn das Hörgerät, mit dem der Patient so hört wie mit einem gesunden Ohr, ist noch nicht erfunden. Rosemarie Stein

Karin Kippenhahn: Ich glaub’, ich hör’ nicht recht – Schwerhörigkeit, Tinnitus & Co. Schattauer-Verlag, Stuttgart 2011, 212 Seiten, 24,95 Euro.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false