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Zwei Frauen walken an einem Seeufer.

© Kitty Kleist-Heinrich

Hoffnung für Rheuma-Patienten: Früher erkannt und besser behandelt

Rheuma gehört zu den Krankheiten, die vor allem Berufstätige oft verschweigen, um nicht ausgegrenzt zu werden. Dabei lässt sich das Leiden heute mit Medikamenten meist gut behandeln - und mit einem aktiven Lebensstil.

Für die beruflich erfolgreiche Personalchefin ist ihre Krankheit kein Thema, jedenfalls nicht im Job. Seit 20 Jahren leidet sie unter entzündlichem Gelenkrheuma. In der Firma erzählt sie lieber nichts davon. Sie nehme Urlaub, wenn ein Eingriff an einem ihrer Gelenke erforderlich sei, berichtet sie dem Arzt, der sie in der Uniklinik betreut.

Ähnliche Geschichten hört Matthias Schneider, Rheumatologe an der Düsseldorfer Uniklinik, immer wieder. „Um nicht scheinbar unweigerlich in das Bild von Behinderung gesetzt zu werden, verbergen die meisten Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis ihre Krankheit am Arbeitsplatz“, berichtete der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie in einer Presseveranstaltung. Anlass war der Kongress seiner Fachgesellschaft, der vom 17. bis zum 20. September in Düsseldorf stattfindet und auf dem das Image der Krankheit mit den vielen Gesichtern ein Thema ist.

Kein Leiden, das nur alte Menschen betrifft

„In den Köpfen der Menschen ist Rheuma immer noch ein Leiden, das alte Menschen betrifft“, bestätigte Erika Gromnica-Ihle, Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga, der mit 280 000 Mitgliedern größten Patientenorganisation der Bundesrepublik. Rheuma wird mit Klagen über Schmerzen und steife Gelenke, mit Behinderung, Rollatoren und Rollstühlen gleichgesetzt. Mit Einschränkungen also, die nicht zum Bild des dynamischen Mitglieds der Leistungsgesellschaft passen. „Wer sich pausenlos verstecken muss, kann aber nicht frei leben“, sagte Schneider. „Das Verstecken und Verbergen führt zudem dazu, dass wir im Rheumakranken nicht den Menschen sehen, der gerade neben uns in einer Konferenz sitzt oder gemeinsam mit uns Sport macht.“

Dabei ist das recht wahrscheinlich. Denn rund 20 Millionen Menschen haben allein in Deutschland „Rheuma“ in der weitesten Bedeutung des Wortes. Darunter fallen chronische Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates, die zu Schmerzen führen. Teilweise sind sie, wie die Arthrose, Folge von Verschleißerscheinungen, teilweise aber auch von Autoimmunprozessen, bei denen sich die körpereigene Abwehr gegen Strukturen des Organismus wendet. Dann droht eine Zerstörung der Gelenke. Es können aber auch innere Organe betroffen sein.

Hilfe durch Antikörper, die in das Immunsystem eingreifen

Rund 1,5 Millionen Menschen, zwei Prozent der Erwachsenen, leiden an Entzündungen, Schwellungen und Schmerzen der Knochen, Gelenke, Muskeln und Gefäße, die dem entzündlich-rheumatischen Formenkreis zugerechnet werden. In den meisten Fällen handelt es sich um die Autoimmunkrankheit rheumatoide Arthritis. Allerdings merkt man den meisten Kranken ihr chronisches Leiden über weite Strecken nicht an – auch weil sie sich heute gut behandeln lässt.

Neben den Basismedikamenten gegen Entzündungen, Schmerzen und Knochenzerstörung werden seit einigen Jahren Antikörper eingesetzt, die direkt in das Immunsystem eingreifen. Vor allem die TNF-alpha-Blocker, die einen Entzündungs-Botenstoff namens TNF-alpha ausschalten. Daten von Kranken- und Rentenversicherungen zeigen, dass Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich abgenommen haben. „Bei 80 Prozent der Neuerkrankten mit rheumatoider Arthritis erzielen moderne Medikamente einen Stillstand der Symptome“, erklärt Schneider. Vor allem jüngere Patienten können damit rechnen, dass die Therapie ihnen zu einer weitgehend normalen Beweglichkeit im Alltag verhilft.

Wer schmerzfrei ist, leidet weniger unter Angst und Depressionen

Eine im Dezember 2013 erschienene Studie aus den Niederlanden belegt eindrucksvoll, dass es auch der Seele guttut, wenn Entzündungen und Schmerzen verschwinden und der Zerstörung der Gelenke Einhalt geboten werden kann: Die Psychologin Cécile Overman und ihre Kollegen von der Uni Utrecht haben Daten von mehr als 1000 Patienten mit rheumatoider Arthritis ausgewertet und dabei festgestellt, dass sich in den letzten 20 Jahren nicht nur die körperlichen Einschränkungen halbiert, sondern auch Depression und Angst bei den Betroffenen dramatisch abgenommen haben. Litten zu Beginn der 90er Jahre noch 43 Prozent der Patienten unter Depression, so sind es heute nur noch 14 Prozent. „Es ist leichter geworden, mit der Krankheit zu leben“, resümieren die Autoren.

Ein starker Muskel hält ein krankes Gelenk

Frühere Diagnose, bessere Medikamente, die konsequenter und intelligenter eingesetzt werden, sind nur ein Teil der Erklärung. Entscheidend ist auch, dass Rheumatologen heute zum Bewegen statt zum Schonen raten. „Ein starker Muskel hält ein krankes Gelenk“, sagt Gromnica-Ihle. In Kursen zum Selbstmanagement der chronischen Krankheit, die die Rheuma-Liga gerade neu etabliert, sollen ehrenamtliche, selbst erkrankte Trainer zu Sport animieren.

Christine Seyfert von den Zeisigwaldkliniken Bethanien in Chemnitz findet es wichtig, dass Ärzte ihre Patienten nicht nur zum Fahrradfahren, Walken und Schwimmen anregen, sondern sie im Einzelfall auch unterstützen, wenn sie ihren alten Sport wieder aufnehmen möchten, etwa Tennis, Reiten oder Skifahren. Von Ballsportarten, bei denen man immer wieder einen jähen, heftigen Aufprall mit Mitspielern riskiert, rät sie allerdings ab.

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