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Digitale Lehrstunde. Die Kuratoren des Museums, hier der Zoologe Jason Dunlop, fordern den Spieler mit Rätseln heraus.

© Exozet

Humboldt-Spiel "The Secret Legacy": Ein Forscher erobert das iPad

Alexander von Humboldt hat ein Vermächtnis: Die Sammlung des Berliner Naturkundemuseums wird in "The Secret Legacy" zum Computerspiel. Die Forschung des Museums kann so spielerisch erkundet werden - und der Museumskeller.

Im Keller des Museums für Naturkunde (MfN) herrscht ein ziemliches Chaos. Die Regale verschoben, der Staub in dichten Lagen, auf dem Boden liegen verstreut alte Pergamente. Wer hier etwas sucht, wird so schnell nicht fündig. Genau das richtige Gelände also, auf dem sich einer wie Florian Berger austoben kann. Berger ist Spieleentwickler bei der Softwarefirma Exozet. Gemeinsam mit vier Kollegen und dem MfN entwirft er das Spiel „The Secret Legacy“ über das Vermächtnis Alexander von Humboldts.

Sara, eine Nachfahrin Humboldts und Mitarbeiterin im Museum, entdeckt im Nachlass ihres Ahnen das Fragment einer Schatzkarte. Anhand von Tagebüchern und Artefakten will sie die Karte entschlüsseln. Der Spieler steuert Sara und taucht mit ihr in die Aufzeichnungen Humboldts ein. Der Clou: Auch wenn das Geheimnis und damit die Erzählung fiktiv ist – die Hinweise, die dem Spieler begegnen, sind alle authentisch. Im Humboldt-Spiel blättert der Spieler durch echte Tagebuch-Aufzeichnungen des Forschers oder wandelt durch die originalgetreuen Räume des Naturkundemuseums.

Zunächst wurde an Indiana Jones gedacht

„Zugegeben, unsere Fantasie von den Kellerräumen war am Anfang etwas zu wild“, sagt Spieleentwickler Berger. Sein Team hatte beim Skizzieren der Museumsräume zunächst an den Hollywood-Archäologen „Indiana Jones“ gedacht. Bevor die Programmierer jedoch mit der Arbeit begannen, besuchten sie das MfN und fotografierten Keller- und Ausstellungsräume. Dort stehen die Schränke geordnet an der Wand und der Boden ist gefegt. Die digitale Unordnung musste Berger überarbeiten.

Seit über einem Jahr sitzt das Team um Berger an der Entwicklung von „The Secret Legacy“. Anders als bei gewöhnlichen Computerspielen können sich die Entwickler und Designer nicht allein auf ihre Fantasie verlassen, sondern müssen mit Wissenschaftlern Hand in Hand arbeiten. „Spieledesigner sind keine Pädagogen und Pädagogen sind keine Spieledesigner“, sagt Berger. So brauche es Zeit, eine gemeinsame Sprache zu finden.

Als Vermittlerin hat das Museum Ulrike Sturm engagiert. Die Museumsmitarbeiterin sucht mit den Kuratoren nach Themen und Ereignissen, die das Potenzial für kleine Forschungsaufgaben haben und schlägt diese Bergers Team vor. Die Programmierer suchen dann nach einer Möglichkeit, den Lerninhalt spielerisch umzusetzen. Bis ein Rätsel funktioniert, kann es mehrmals zwischen Museum und Spieleschmiede wandern – mal ist es den Designern zu trocken, mal den Forschern zu ungenau. „Es geht darum, die Balance zwischen Spielspaß und realistischer Information zu finden“, sagt Sturm.

Das Spiel ist als Adventure konzipiert

„The Secret Legacy“ ist als Adventure konzipiert. Der Spieler kann die Welt durch Saras Augen sehen, er benutzt Gegenstände und redet mit anderen Personen. Während er das große Rätsel um Humboldts Karte löst, werden ihm immer wieder Steine in den Weg gelegt, kleine Spiele im Spiel. Zum Beispiel muss der Spieler dem MfN-Zoologen Jason Dunlop helfen, Spinnentiere zu sortieren. Dunlop hilft dafür mit wertvollen Informationen zu Humboldt weiter.

Dass Alexander von Humboldt als Spielpate fungiert, ist kein Zufall. „Am MfN haben wir eine besondere Beziehung zu Alexander von Humboldt“, sagt Sturm. Der Forscher gehörte zu den bedeutendsten Gelehrten der Moderne und vernetzte die Wissenschaftler Europas mit einem „ganzheitlichen Ansatz“. Auch die Gründung des Museums ging auf Humboldt zurück, zahlreiche Objekte von ihm und Geschenke an ihn gehören heute zur Sammlung. Berühmt ist das Präparat des Vasa-Papageis, der 30 Jahre lang Humboldts Haustier war. Humboldt war den Geheimnissen der Welt auf der Spur und wollte die Rätsel dieser Erde entschlüsseln – es ist nur naheliegend, dass ein Abenteuerspiel über Naturwissenschaften am großen Abenteurer Humboldt nicht vorbeikommt.

Geschult werden auch soziale Kompetenzen und kognitive Fähigkeiten

„The Secret Legacy“ gehört zur Sparte der sogenannten Serious Games, anspruchsvolle Spiele mit Lerninhalten. „Eigentlich trifft das auf jedes Computerspiel zu“, sagt Entwickler Berger, der parallel zu seiner Arbeit über Lernspiele promoviert. Denn jedes Spiel schule Sozialkompetenzen und kognitive Fähigkeiten. Doch liegt der Fokus – und die Schwierigkeit – bei Lernspielen darin, Wissen spielerisch rüberzubringen. „Nur weil spielen Spaß macht, heißt das nicht, dass automatisch jedes Lernspiel Spaß macht“, sagt Berger. Anstatt also Spieler mit Lerninhalten „zu erschlagen“, brauche es eine intelligente Verquickung von Wissen und Spielhandlung. Das Humboldt-Spiel wird sich an junge Schüler richten, das spielerische Entdecken der Naturwissenschaft im Vordergrund stehen.

„The Secret Legacy“ wird im Rahmen des EU-Projekts „Europeana Creative“ entwickelt. Europeana ist eine digitale Datenbank mit über 30 Millionen kulturellen und historischen Dokumenten, Bildern, Videos und Tondateien. Die Plattform speist sich aus Museen, Archiven und Bibliotheken in ganz Europa. Um die Unmengen von Daten besser zu erschließen, wurde „Europeana Creative“ ins Leben gerufen. Die Initiative unter Leitung der Österreichischen Nationalbibliothek will Kreative dazu animieren, dem kulturellen Erbgut der EU neues digitales Leben einzuhauchen, also Inhalte der Plattform in Spiele, Apps und Websites zu integrieren.

Das Museumsspiel von Exozet ist dabei ein Pilotprojekt mit dem Schwerpunkt Naturkunde. Das erste Kapitel zu Saras Entdeckungen im Berliner Naturkundemuseum soll im Juli für das iPad erscheinen. Doch zum Ende des Spiels wird es neue Rätsel geben, die zum Nationalmuseum nach Prag führen. „Allerdings wird da gerade noch renoviert“, sagt Berger. Er wird sich hüten, wieder Räume zu entwerfen, bevor er sich das neue Prager Museum angeschaut hat.

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