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Wissen: „Humboldt steht nicht auf einem Bein“ Senator Zöllner präsentiert neues Hochschulgesetz

Seit Monaten ärgern sich Angehörige der Hochschulen über die Pläne von Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner für ein neues Berliner Hochschulgesetz. Zwischen Juli und Oktober vergangenen Jahres haben mehr als 50 von der Novelle betroffene Organisationen und Einrichtungen Stellung genommen und in ungezählten Einzelpunkten Widerspruch angemeldet.

Seit Monaten ärgern sich Angehörige der Hochschulen über die Pläne von Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner für ein neues Berliner Hochschulgesetz. Zwischen Juli und Oktober vergangenen Jahres haben mehr als 50 von der Novelle betroffene Organisationen und Einrichtungen Stellung genommen und in ungezählten Einzelpunkten Widerspruch angemeldet. Nun, da das Gesetzgebungsverfahren in die Zielkurve einbiegt, ist der Protest nur noch lauter geworden. Gremien verschiedener Hochschulen haben Resolutionen verabschiedet, dem Senator ein zweites „Stuttgart 21“ angedroht, die Asten haben zu Vollversammlungen aufgerufen.

Zöllner selbst sagte am Montag vor Journalisten, er habe „den Dialog mit den Betroffenen sehr ernst genommen“ und, „so weit es möglich war“, Kritik berücksichtigt: „Ich habe ein gutes Gewissen.“ Zöllner hat ausgerechnet, dass er den Hochschulrektoren nach drei Gesprächen in 15 Einzelpunkten entgegen gekommen ist.

Im Mittelpunkt der Novelle stehen neue Vorschriften zum Bachelor. Zöllner sagte, nach den großen Studierendenprotesten im Herbst 2009 müsse er „nachsteuern“. Dabei setzt er auch Vorgaben der Kultusministerkonferenz um. Zöllner will den Studierenden das Leben im Bachelor erleichtern. So reduziert er die Zahl der Prüfungen auf eine pro Modul (meist zwei Lehrveranstaltungen). Nur drei Viertel der Studienleistung muss mit Noten bewertet werden. Die Anerkennung von an anderen Hochschulen erbrachten Studienleistungen soll erleichtert, ein Auslandssemester möglich gemacht werden, im Studium soll es „ausreichend“ Freiräume für individuelle Interessen geben. Die Hochschulen müssen allen Studierenden im zweiten Studienjahr eine „Studienverlaufsberatung“ ermöglichen. Zöllner stellt explizit fest, dass der Bachelor auch vier Jahre dauern kann. In der Vergangenheit hatten Unipräsidenten mehrfach fälschlicherweise behauptet, der Gesetzgeber habe dreijährige Bachelorstudiengänge vorgeschrieben. „Mit der Novelle setzen wir uns an die Spitze der Bewegung“, sagte Zöllner.

Dass der Senator Kritik berücksichtigt hat, bestätigt FU-Präsident Peter-André Alt, der momentan für die Hochschulen spricht. So wolle Zöllner die Hochschulen nun nicht mehr zur Möglichkeit des Teilzeitstudiums flächendeckend zwingen. Auch sei der Verdacht aus der Welt, der Senat wolle sich über akkreditierte Studiengänge inhaltlich das letzte Wort vorbehalten. „Den großen Sprung in Sachen Autonomie haben wir aber nicht gemacht“, sagt Alt.

Vor allem bleibt es bei der Möglichkeit, Dozenten mit Arbeitsschwerpunkt Lehre einzuführen – ein Einfallstor „für Sparmaßnahmen aller Art“, wie Alt sagt. Denn zukünftige Regierungen könnten so mehr Lehre für weniger Geld verlangen – zulasten der Forschung. Die zwei neuen Personalkategorien – wissenschaftliche Mitarbeiter mit Schwerpunkt Lehre und Hochschuldozenten – sollen angestellt oder befristet beschäftigt werden und doppelt so viel unterrichten wie Professoren an Universitäten, nämlich 18 Semesterwochenstunden. Diese hohe Lehrverpflichtung soll aber nicht durchgängig erbracht werden müssen, versprach Zöllner am Montag. In der Lehrverpflichtungsverordnung würden Ermäßigungen für die Arbeit in Gremien oder fürs Forschen vorgesehen. Die Unis würden so flexibler, denn sie seien ja nicht gezwungen, die Dozenten einzuführen. Zöllner warb für eine Aufwertung der Lehre gegenüber der Forschung: „Humboldt steht nicht auf einem Bein.“

Werden die Hochschulen noch weitere Kritikpunkte wegverhandeln können, bevor das Parlament die Novelle im Mai oder Juni beschließt? Das ist schon deshalb schwierig, weil sich die Kritiker nur in ihrer Forderung nach Autonomie und in ihrer Ablehnung von „Lehrknechten“ einig sind. Ansonsten nehmen die unterschiedlichen Gruppen der Betroffenen an jeweils anderen Punkten Anstoß.

So freuen sich die Unipräsidenten, dass die Novelle endlich für Berlin das „Überkreuzwahlrecht“ bei den Gremienwahlen ausschließt, also vorschreibt, dass zum Beispiel Professoren nur von Professoren in den Akademischen Senat gewählt werden dürfen, nicht aber von Studierenden oder wissenschaftlichen Mitarbeitern. Dies hätten sich Vertreter des Mittelbaus aber gerade gewünscht. Ähnlich sind die Frauenbeauftragten zufrieden, dass Zöllner von den Unis Satzungen zur Gleichstellung der Geschlechter verlangt, während die Präsidenten sich davon gegängelt fühlen. Die Studierendenvertreter bringt die Möglichkeit von „Zwangsexmatrikulationen“ auf die Palme, die Präsidenten finden sie okay.

Im Senat der TU haben Wissenschaftler die Kleinteiligkeit der Novelle unlängst als trickreiche Strategie des Senators identifiziert. Er wolle den Widerstand breit in alle Richtungen zerstreuen, um ihm die Spitze zu nehmen. Darum sollten alle Gruppen ihre Einzelinteressen zurückstellen. Sie sollten mehr Autonomie fordern und die „Lehrknechte“ stoppen, lautete die Parole. Anja Kühne

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