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Wissen: In Ägypten graben

Vor 100 Jahren wurde das deutsche Archäologische Institut Kairo eröffnet. Was sich seitdem geändert hat

Stolz wirkt er und ein wenig verwegen, der Herr mit dem Tropenhelm. Ein Kolonialherr, umringt von hunderten von Arbeitern, die teilweise barfuß vor der Ruine der Pyramiden von Abusir in Ägypten hocken: Ludwig Borchardt, Ägyptologe und Gründungsvater des ersten deutschen archäologischen Instituts in Kairo, um 1902 mit seinem Grabungsteam.

Das Bild zeugt von der langen Geschichte der deutschen Archäologen im Land der Pharaonen, die mit der Eröffnung des „Kaiserlich Deutschen Instituts für Ägyptische Altertumskunde“ 1907 eine Institution erhielten. Die Nachfolgeeinrichtung, das Deutsche Archäologische Institut (DAI) Kairo, feiert vom morgigen Sonntag an ihr 100. Jubiläum – mit einem Symposium und einer Ausstellung von Grabungsfunden im Ägyptischen Museum in Kairo. Dessen Catalogue Général legte Borchardt einst mit an.

Berühmter ist Borchardt allerdings für seinen sensationellen Fund der Nofretete-Büste, dem heutigen Publikumsmagneten auf der Museumsinsel in Berlin, deren Ausleihe nach Ägypten mittlerweile ein Dauerstreitthema zwischen beiden Ländern geworden ist. Doch der sechste Nachfolger von Borchardt, der jetzige Institutsleiter Günter Dreyer, hofft, dass die Feierlichkeiten nicht von dem Streit überschattet werden. Dreyer, der seit 1978 in Ägypten forscht und seit 1998 Direktor des DAI-Kairo mit seinen zehn festen Mitarbeitern ist, findet es durchaus richtig, ägyptische Kunstwerke nach Ägypten auszuleihen. „Oberster Grundsatz sollte die Frage sein, ob ein Transport das Objekt gefährdet“, sagt der 64-Jährige.

Die 100-Jahr-Feier ist weniger den sensationellen Funden als der langfristigen und mühseligen Arbeit der Archäologen gewidmet. Beispielsweise auf der Nilinsel Elephantine in Assuan, auf der in Kooperation mit den Schweizern seit den 60er Jahren die 4000 Jahre alte Geschichte einer Stadt untersucht wird. Oder die Grabung in Buto im Nildelta, welche die Geschichte der alten Hauptstadt Unterägyptens rekonstruieren will.

„Bei Gräbern und Tempeln gibt es schnell schöne Funde“, sagt Dreyer, „man muss nur ein wenig den Sand wegschaben.“ Daher wisse man viel über das Leben der Herrscher und der Oberschicht im alten Ägypten – 80 Prozent der Grabungen in Ägypten konzentrieren sich auf die Wüste im Süden des Landes. Die eher unspektakulären Stadtgrabungen dagegen geben Auskunft über das tägliche Leben der Menschen. Im Schwemmland des Deltas sind die Arbeiten zudem aufwendiger, weil Pumpen eingesetzt werden müssen, um tiefere Schichten freizulegen.

Wenn die Deutschen in aller Ruhe Reste von Stadtmauern freilegen können, liegt das auch an der Finanzierung des Instituts. Das Institut, das einen festen Daueretat vom Auswärtigen Amt hat – „ein großer Vorzug“, sagt Dreyer – ist heute in einer aufgestockten Villa mit großem Garten in Zamalek, dem Stadtzentrum Kairos, untergebracht.

Die Faszination deutscher Archäologen, in Ägypten zu graben, jedenfalls ist seit 150 Jahren ungebrochen. Sein „persönliches Highlight“ war der Fund der frühesten Schriftzeugnisse in Abydos, nördlich von Luxor, sagt Dreyer. In vordynastischen Gräbern fand er mit seinem Team in den 80er Jahren Gefäße mit Tintenaufschrift und Elfenbeintafeln mit eingeritzten Schriftzeichen aus der Zeit von 3200 v. Christus. Diese Zeichen waren bereits phonetisch lesbar und damit älter als die bisher in Mesopotamien gefundenen Schriftstücke. Damit habe sich die Grenze der Vorgeschichte zur Geschichte, deren Beginn mit der phonetischen Schrift angesetzt wird, um 200 Jahre nach vorne verschoben, sagt Dreyer. „Mehr kann man sich als Archäologe nicht wünschen.“

Der Jahrhundertrückblick macht auch die Veränderungen der Archäologie deutlich. Im 19. Jahrhundert dienten die Grabungen der Anreicherung europäischer Sammlungen. „Heute geht es mehr um Wissen und Erkenntnis“, so Dreyer. Auch die Methoden haben sich seit den Zeiten Ludwig Borchardts verändert: Dank geomagnetischer Untersuchungen und Messungen des Erdwiderstandes kann heute viel gezielter gegraben werden. „Wir können praktisch sehen, was unter dem Sand verborgen ist.“Andrea Nüsse, Kairo

Infos zum Jubiläum im Internet:

http://www.dainst.org/kairo100jahre

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