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Indonesien: Energie aus dem Vulkan

Erdwärme könnte Indonesiens Strombedarf vollständig decken – deutsche Forscher helfen mit moderner Technik

Das Bergstädtchen Berastagi auf Sumatra an einem lauen Morgen. Am Ortsrand qualmt der Sibayak, der Vulkan, mit dessen Dampf sie hier Strom produzieren. An den Vulkanhängen klebt dünner Rauch, weiter oben ziehen dicke Schwaden gen Himmel. Das Geothermiekraftwerk liegt hinter dem Berg. „Wir besteigen den Vulkan und klettern an der Rückseite herab“, sagt Karim, der Bergführer. Ein Trampelpfad führt in den Krater, in eine schroffe Schüssel, die wie ein vernebelter Steinbruch daliegt. Zwischen Felsbrocken schießt aus faustgroßen Löchern heißer, stinkender Dampf in die Höhe. Die Düsen sind unfassbar laut. Neben den Öffnungen sind die Steine mit einem gelben Pelz überzogen: Schwefel. An einer Stelle liegt ein etwas größeres Erdloch, darin blubbert Schlamm.

Indonesien hat 129 aktive Vulkane, mehr als jedes andere Land der Welt. Der Inselstaat liegt am „zirkumpazifischen Feuergürtel“, einer langen Zone rund um den Pazifik, wo sich die Erdplatten untereinander schieben – was zu Erdbeben und Vulkanismus führt. So entstanden jene Inseln, in denen etwa 40 Prozent des globalen Erdwärmepotenzials stecken soll. Würden alle Reservoirs zur Stromerzeugung genutzt, könnten 27 Gigawatt produziert werden. Manche Experten sprechen sogar von 100 Gigawatt. So oder so: Theoretisch könnte die Hitze aus dem Erdinneren sowohl die Industrie als auch alle 240 Millionen Indonesier mit Strom versorgen. In der Praxis jedoch wird überwiegend Öl und Kohle verfeuert. Nur sieben Geothermiekraftwerke sind am Netz, zusammen liefern sie ein Gigawatt Strom. Mindestens 96 Prozent der Erdwärme in Indonesien sind bisher ungenutzt.

Der Abstieg vom Sibayak ist mühselig, der Hang ist steil. Unten liegt das Geothermiekraftwerk: Ein paar Rohre, drei kleine Kühltürme, ein Verwaltungstrakt. „Wir produzieren 12 Megawatt Strom und möchten auf 20 kommen. Im Boden steckt genug Energie, wir müssen nur das Kraftwerk erweitern“, sagt Dirgo Rahayu, ein schüchterner Mann, der die Anlage leitet. Aus den Bohrlöchern in der Umgebung schießt heißer Dampf empor und wird über Leitungen zum Kraftwerk geleitet, wo er Turbinen antreibt. Diese wiederum erzeugen Strom. Der Dampf wird größtenteils kondensiert – also in den flüssigen Zustand gebracht – und über Injektionsbohrungen zurück in die Tiefe gepumpt. „Der Anteil nichtkondensierbarer Gase am Dampf beträgt nur ein bis zwei Prozent. Der Ausstoß an Kohlendioxid ist minimal“, versichert Rahayu. Sein Kraftwerk ist Positiv- und als Negativbeispiel zugleich. Einerseits liefert die Anlage sauberen Strom mithilfe einer Ressource, die nie versiegt. Denn im Gegensatz zu Wind und Sonnenlicht steht diese Energiequelle rund um die Uhr zur Verfügung.

Andererseits zeigt das Kraftwerk auch, wie aufwendig und teuer Geothermie zunächst sein kann. Ende der achtziger Jahre waren am Sibayak erstmals Reservoirs erforscht worden. In den neunziger Jahren folgten Probebohrungen, zur Jahrtausendwende wurden bescheidene zwei Megawatt Strom produziert. Bis heute ist die Kapazität gering, der Erweiterungsplan stockt. Die Nutzung der Sibayak-Wärme ist nicht leicht, weil das heiße Wasser aus dem Untergrund mitunter sehr säurehaltig ist. Die Flüssigkeit kann dann Bohrlöcher und Leitungen zusetzen. Doch die Qualität des Tiefenwassers lässt sich nicht vorhersagen, die erkennen die Ingenieure erst, wenn sie ihre Bohrungen bis in die tiefen Schichten vorangetrieben haben.

Rückflug nach Jakarta, Hauptstadt Indonesiens. Emy Perdanahari, Direktorin des Energieministeriums, hat bekannte umweltfreundliche Sätze parat: „Wir wollen den Energiemix diversifizieren, weg von Öl und Kohle. Erneuerbare Energien werden eine größere Rolle spielen.“ Indonesien will bis 2018 Kraftwerke mit einer Leistung von zehn Gigawatt errichten, und laut Regierungsbeschluss soll fast die Hälfte der zusätzlichen Strommenge aus Erdwärme gewonnen werden. Das wäre eine Geothermie-Revolution, ein Durchbruch. „Wenn die Welt saubere Energien nutzt, gewinnen wir alle“, sagt auch Staatspräsident Susilo Bambang Yudhoyono.

Doch in Indonesien sind umweltfreundliche Absichtserklärungen ebenso verbreitet wie darauf folgende Tatenlosigkeit. Erdwärme stärker zu nutzen, ist seit langem erklärter Wille. Doch seit 1997 ging kein neues Geothermiekraftwerk ans Netz. „Öl und Kohle sind unkomplizierter. Die Ressourcen sind vorhanden, entsprechende Kraftwerke von der Stange zu kaufen“, sagt der Geothermieexperte Alexander Hansen, der viele Jahre als Berater im indonesischen Forschungsministerium tätig war. „Geothermiekraftwerke müssen dagegen an die lokalen geologischen Verhältnisse angepasst werden.“ Hansen schätzt, dass der Bau eines Geothermiekraftwerkes bei erfolgreichen Probebohrungen zwei- bis dreimal so teuer ist wie der Bau eines einfachen Kohlekraftwerkes. Erfolgreich heißt, dass Schichten im Untergrund erreicht werden, aus denen viel Wasser mit Temperaturen von mindestens 100 Grad Celsius gefördert werden kann. Werden die Bohrtrupps nicht gleich fündig, könne es noch viel teurer werden.

„Aber nach zehn bis 15 Jahren rechnet sich die Stromerzeugung aus Erdwärme“, sagt Hansen. „Der Energieträger bleibt nämlich dauerhaft verfügbar, und man muss keinen Brennstoff heranschaffen und bezahlen.“

Indonesien hat 251 Orte im Land benannt, an denen aus Erdwärme Strom erzeugt werden könnte. Außer hohen Investitionskosten schaffen Bürokratiedschungel und Kompetenzgerangel zwischen der Zentral- und den Provinzregierungen Probleme. Immerhin steht nun endlich ein Preisschema für Strom aus Geothermie fest: Er muss an den staatlichen Elektrizitätsmonopolisten PLN verkauft werden, der die Abnahme garantiert. Weil Indonesien die nötigen Anschubmilliarden nicht ausgeben will, liegt der Schlüssel zum Geothermie-Durchbruch im Ausland. Und dort tut sich gerade einiges. Der Klimawandel ist eine globale Sorge. Saubere Stromgewinnung wird deshalb mit mit Emissionszertifikaten belohnt. Die US-Firma Chevron bekommt jährlich den Ausstoß von 650 000 Tonnen Kohlendioxid gutgeschrieben, weil sie 2007 eines ihrer beiden Geothermiekraftwerke in Indonesien erweiterte. Chevron will weiter investieren.

Briten, Japaner und vor allem Deutsche zeigen ebenfalls Interesse an der indonesischen Geothermiebranche. Weil der Klimawandel arme Menschen besonders hart trifft, weil Geothermiestrom oft ländlichen Gegenden zugute kommt und weil Elektrizität helfen kann, Armut zu lindern, hat Deutschlands Entwicklungsministerium (BMZ) der indonesischen Regierung gerade sieben Millionen Euro für Probebohrungen in der Tsunami-Provinz Aceh geschenkt. Da diese Summe die Bohrkosten nicht ganz deckt, bot die Kreditanstalt für Wiederaufbau an, einen möglichen indonesischen Beitrag per Kredit vorzustrecken. „Abhängig vom Ergebnis der Bohrungen beabsichtigt die Bundesregierung, auch die Errichtung eines Geothermiekraftwerks zu fördern“, sagt BMZ-Sprecher Stephan Bethe.

Ob Zufall oder nicht – nach Tagesspiegel-Informationen möchte die deutsche Firma „MAN Ferrostaal“ mit 115 Millionen Euro ein Geothermiekraftwerk in Aceh bauen, sofern das Unternehmen die Ausschreibung gewinnt und die Voruntersuchungen zeigen, dass die Anlage wirtschaftlich arbeiten kann. Der zuständige Manager Philipp Leckebusch will das aber noch nicht bestätigen. Geothermie in Indonesien eröffne interessante Perspektiven, sagt er nur.

Auch deutsche Wissenschaftler schauen nach Indonesien. Das Forschungsministerium und das Geoforschungszentrum Potsdam wollen dort ein Geothermie-Forschungszentrum gründen und ein Demonstrationskraftwerk bauen. Außerdem ist der Versand von mobilen Geothermiekraftwerken geplant. Sie passen in einen Überseecontainer und können 400 Kilowatt Strom produzieren. Das reicht für ein Dorf.

Moritz Kleine-Brockhoff[  Berastagi, Indonesien]

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