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Alarmiert. Studierende der BTU Cottbus gehen für ihre Uni auf die Straße.

© dapd

Interview: „Eine Hochschule neuen Typs“

Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst hält an ihren Fusionsplänen für die Hochschulen in der Lausitz fest. Im Interview verteidigt sie sich gegen Kritik und erklärt, was die Fusion Studenten und Forschern bringen könnte.

Frau Kunst, Sie wollen die BTU Cottbus mit der FH Lausitz zusammenlegen und eine „Energie-Uni“ gründen. Dagegen gibt es starke Proteste. Halten Sie am Plan fest?
Ich habe wahrgenommen, dass sich gegen meinen Vorschlag viel Protest artikuliert. Andererseits glaube ich nach wie vor, dass es der richtige Weg ist, um den Hochschulen in der Lausitz eine Weiterentwicklung zu ermöglichen. Energie ist das große Zukunftsthema. Wir müssen auch die demografische Entwicklung beachten. Zwar wird die Studierendenzahl in Brandenburg bis weit nach 2020 zu halten sein. Aber allein in Cottbus wird die Einwohnerzahl langfristig um 16 Prozent sinken. Vor diesem Hintergrund müssen wir ein sehr attraktives Studienangebot entwickeln, damit wir die jungen Leute herlocken und halten können. Gemeinsam können die beiden Hochschulen noch mehr Profil und Kraft gewinnen. Für bessere Gegenvorschläge bin ich selbstverständlich offen.

Sie gehen über den Vorschlag einer Expertenkommission hinaus. Die schlägt eine enge Kooperation von Uni und FH vor, hält aber eine Fusion für zu kompliziert.

Universität und Fachhochschule können gemeinsam zu einer Hochschule neuen Typs weiterentwickelt werden. Das halte ich für ein Zukunftsmodell, in dem sich Studierende am besten entfalten können. Dank der Neustrukturierung der Studiengänge in den letzten Jahren sind die Voraussetzungen geschaffen. Mit der Umstellung auf Bachelor und Master sind die Abschlüsse von Unis und FHs schließlich formal gleichgestellt.

Sabine Kunst, Wissenschaftsministerin in Brandenburg.
Sabine Kunst, Wissenschaftsministerin in Brandenburg.

© picture alliance / ZB

Wie können Studierende profitieren?

Unter einem Dach wird es für sie alle Angebote geben: Von anwendungsorientierten Studiengängen bis zur Weiterqualifizierung in der Forschung. Es gibt Studienanfänger, die fangen auf dem FH-Niveau an und entwickeln sich dann weiter. Sie müssen nicht mehr befürchten, im Master an einer Uni nicht mitzukommen. Die Hochschule Lausitz hat ganz viel Lob erhalten, einen wirklich berufsqualifizierenden Bachelor anzubieten. Von dieser klaren Ausrichtung könnte auch der Unibereich lernen. Wenn man die Ingenieurausbildung an Universitäten kritisch bilanziert, sieht man eine sehr hohe Abbrecherquote. Wer die hohen theoretischen Anforderungen eines forschungsorientierten Studiums nicht schultern kann, müsste an der neuen Hochschule nicht befürchten, vor dem Nichts zu stehen.

Kritiker sagen, Ihr Konzept, Uni und FH zu verbinden, sei unklar. Wie kann man sich das vorstellen?

Es soll gemeinsame Dachstrukturen geben: Für die Doktorandenausbildung, für die Weiterbildung, für Teile der Forschung. Bei der Primärausbildung werden dagegen die anwendungsorientierten Angebote der Fachhochschule bestehen bleiben wie die Angebote, die spezifisch sind für die BTU. Das haben auch die Experten der Lausitzkommission vorgeschlagen. Durch das Wirken in den Dachstrukturen wird es ein langfristiges Zusammenwachsen in den anderen Bereichen geben.

Auch Gesamthochschulen im Westen sollten früher Uni- und FH-Elemente vereinen. Die wurden aber später in reine Unis umgewandelt. Die soziokulturellen Konflikte zwischen Uni- und FH-Professoren seien zu groß, urteilte der Wissenschaftsrat. Wie können Konflikte jetzt vermieden werden?

Wir streben eine Synthese an, die zu Zeiten der Gesamthochschulen gar nicht möglich war. Der Wissenschaftsrat plädierte für getrennte Strukturen, weil ein Zusammengehen mit dem Selbstverständnis der traditionellen, leistungsstarken Universitätsprofessoren nicht einhergeht. Das ist auch in der Lausitz zu spüren. Aber man muss die Dinge auch nach vorne denken. Wir gehen hier Dinge innovativ an, die in ganz Deutschland anstehen.

Für die gesamte Hochschullandschaft Brandenburgs soll es demnächst ein Zukunftskonzept geben. Wäre eine Fusion der Uni und der FH Potsdam ebenfalls denkbar?

Die Landeshochschulstrukturkommission wird ihre Empfehlungen noch abgeben, dem will ich nicht vorgreifen. Die Kommission hat keine Denkverbote. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sie Vorschläge machen könnte, wie Arbeitsgebiete auch anderswo zusammengehen könnten. Aber an eine ähnliche Größenordnung von Fusion ist nicht gedacht.

Gilt das Denkverbot auch für Studiengebühren oder für Studienkonten, die Sie im vergangenen Jahr befürwortet haben?

Wenn sie sich die bundesrepublikanische Großwetterlage angucken, sind Studienkonten derzeit nicht diskutabel. Über Studiengebühren denken wir in Brandenburg ebenfalls nicht nach. Der Versuch, Gebühren für die grundständige Ausbildung zu nehmen, dürfte in Deutschland auf Jahrzehnte beendet sein, nachdem die meisten Länder die Gebühren wieder abgeschafft haben. Nachdenken kann man mittelfristig über Mischmodelle bei weiterbildenden Studiengängen. Der Bedarf daran wird sich erhöhen, je mehr Bachelor-Absolventen direkt in den Beruf gehen. Die Industrie könnte sich an Gebühren für die Beschäftigten beteiligen, die sie in solche Studiengänge entsendet.

Wie stehen Sie zu Ministerin Schavans Plan, den Bund Unis mitfinanzieren zu lassen? Kritiker wenden ein, davon profitierten nur Eliteeinrichtungen. Ländern wie Brandenburg könnte das kaum helfen.

Grundsätzlich stehe ich dem Schavan-Vorschlag positiv gegenüber. Für Brandenburg muss man sondieren, in welcher Konstellation wir uns einklinken können. Die Idee, wie bei Charité und MDC in Berlin themenbezogene Pilotprojekte vorangehen zu lassen, ist attraktiv. Beim Thema Energie, beim Thema Gesundheit, ist eine Beteiligung Brandenburgs denkbar. Uns ist aber wichtig, auch das Kooperationsverbot im Bildungsbereich aufzuheben.

- Die Fragen stellte Tilmann Warnecke.

SABINE KUNST (57, parteilos) ist seit 2011 Wissenschaftsministerin in Brandenburg. Davor leitete sie als Präsidentin die Universität Potsdam. Kunst ist Ingenieurin und Politologin.

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