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Putzmittel können Giftstoffe enthalten, die Krebs verursachen, die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder ungeborenes Leben schädigen können.

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Körperlotionen, Reiniger, Klebstoff: So bedenklich können Alltagsprodukte sein

Putzen hilft gegen Keime – kann aber selbst auch krank machen. Denn Putzmittel können wie viele andere Alltagschemikalien giftige Substanzen enthalten, die sich in der Luft anreichern.

Von Annett Stein, dpa

Putzmittel machen sauber – ganz so einfach ist es nicht. Sie und etliche andere Alltagschemikalien können Giftstoffe enthalten, die unter anderem Krebs verursachen, die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder ungeborenes Leben schädigen können, wie ein Expertenteam im Fachmagazin „Environmental Science & Technology“ warnt. Eine achtsame, zurückhaltende Verwendung sei wichtig – und, dass Hersteller Alternativen entwickeln.

Gängige Produkte wie Shampoos, Körperlotionen und Reinigungsmittel können giftige flüchtige organische Verbindungen (VOC) enthalten, wie die Wissenschaftler um Kristin Knox vom Silent Spring Institute, einer gemeinnützigen Gesundheitsorganisation in den USA, erläutern. Sie entweichen demnach als Gase, können sich in der Raumluft anreichern und eine Reihe von Gesundheitsproblemen verursachen.

Die Belastungen summieren sich und könnten ernsthafte Schäden verursachen.

Meg Schwarzman, Ärztin und Umweltmedizinerin an der UC Berkeley School of Public Health

Europäer verbringen Experten zufolge ebenso wie Nordamerikaner im Mittel rund 90 Prozent ihrer Zeit in Innenräumen – und sind dort einem komplexen Gemisch von Chemikalien ausgesetzt. „Gegenüber Außenluft- haben Innenraumquellen in Mitteleuropa in der Regel eine deutlich größere gesundheitliche Bedeutung, da sich die Menschen überwiegend in Gebäuden aufhalten“, heißt es beim Umweltbundesamt zum Vorkommen flüchtiger organischer Verbindungen. „Zudem ist der Abstand zu den VOC-Quellen drinnen meist geringer.“ Die Verbindungen entweichen demnach zum Beispiel, wenn Lösemittel verdunsten oder flüssige Produkte trocknen. Aber auch aus festen Produkten können solche Stoffe langsam ausgasen.

Das Team um Knox nutzte Daten des California Air Resources Board (Carb), das seit Jahrzehnten unter anderem den Gehalt an VOC in Konsumgütern erfasst. Berücksichtigt werden dabei Produkte von Unternehmen, die in Kalifornien Produkte verkaufen. Neben den VOC-Konzentrationen in verschiedenen Produkttypen werde jeweils auch erfasst, wie viel davon in Kalifornien verkauft wird.

Für die Auswertung seien 33 VOC berücksichtigt worden, die unter dem kalifornischen Gesetz „Prop 65“ (California Safe Drinking Water and Toxic Enforcement Act) aufgeführt seien, weil sie nach aktuellem Wissensstand Krebs auslösen, die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder zu Missbildungen bei Neugeborenen führen können. Andere unter Prop 65 aufgeführte giftige Chemikalien wie Blei seien nicht einbezogen worden.

Formaldehyd in Nagellack, Shampoo und Make-up

Bei für den Körper verwendeten Produkten wie Nagellack, Shampoo und Make-up war der Auswertung zufolge Formaldehyd die häufigste Prop-65-VOC. Formaldehyd kann die Schleimhäute reizen und Krebs verursachen. Von den Haushaltsprodukten enthielten Allzweckreiniger, Künstlerbedarf und Waschmittel die meisten Prop-65-VOCs. Und gleich mehr als ein Dutzend Prop-65-VOCs enthielten in Kalifornien verkaufte Klebstoffe. Nutzer könnten also bei der Verwendung eines einzigen Produkts gleich mehreren giftigen Chemikalien ausgesetzt sein, heißt es dazu von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

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Kubikmeter Luft atmet der Mensch pro Tag ein, je nach Alter und je nachdem, wie aktiv er ist. 

Die Belastungen summierten sich und könnten ernsthafte Schäden verursachen, sagte Mitautorin Meg Schwarzman, Ärztin und Umweltmedizinerin an der UC Berkeley School of Public Health. Zu den besonders gefährdeten Gruppen zählen den Autoren zufolge Menschen, die beruflich mit vielen verschiedenen VOC enthaltenden Produkten in Kontakt kommen: Personal von Nagel- und Friseursalons, Putzkräfte und bestimmte Handwerker oder Mitarbeiter von Autowerkstätten zum Beispiel.

Für Kalifornien errechnete das Team anhand der Carb-Daten, dass dort im Jahr 2020 aus Konsumgütern mehr als 5000 Tonnen Prop-65-VOCs in Innenräumen emittiert wurden. Handlungsbedarf sehen die Autoren unter anderem beim Einsatz von Methanol, Toluol, Ethylenglykol und Formaldehyd. Die Richtlinien zur Verwendung von Substanzen unterscheiden sich in den USA und der EU, die Ergebnisse lassen sich daher nicht direkt übertragen.

Geschwächte Lunge

Dass Putzmittel nicht nur sauber machen, sondern auch gesundheitsschädlich wirken können, haben bereits mehrere Studien nahegelegt. So stellte eine 2018 veröffentlichte norwegische Langzeitstudie fest, dass Menschen, die sehr viel putzen, eine schwächere Lunge hatten als solche, die nie sauber machten. Den stärksten Abfall der Lungenfunktion beobachteten die Wissenschaftler der Universität Bergen bei Reinigungskräften.

Menschen, die sehr viel putzen, haben womöglich eine schwächere Lunge als solche, die nie sauber machten.

© stock.adobe/alexanderon

Eben jene standen auch im Fokus einer belgischen Studie, die ein Jahr zuvor berichtete, dass das Sterberisiko männlicher Reinigungsfachkräfte deutlich höher ist als etwa das von Büroangestellten. Privatpersonen könnten sogar noch gefährdeter sein, da sie wenig über entsprechende Sicherheitsmaßnahmen wüssten sowie die Produkte falsch anwenden oder bedenkenlos kombinieren würden.

Im Fachblatt „Science Advances“ berichtete im Februar 2022 ein Team um Colleen Rosales, zum Zeitpunkt der Studie an der Indiana University, über primäre und sekundäre Emissionen von Putzmitteln, insbesondere „natürlich“ nach Zitrusfrüchten oder Pinie riechenden. Derartige Reiniger enthalten demnach häufig Monoterpene wie Alpha- und Beta-Pinen, Limonene sowie Campher.

Monoterpene werden über die Lunge stark aufgenommen und können sich in fettreichem Gewebe anreichern. Kurzfristige Folge einer Freisetzung solcher Substanzen in die Raumluft können Schleimhautreizungen an Auge, Nase und Rachen sein, wie es beim Uba heißt. Langfristig ist eine dauerhafte Verschlechterung von Lungenfunktionsparametern möglich. Pro Tag atmet der Mensch demnach zehn bis 20 Kubikmeter Luft ein, je nach Alter und je nachdem, wie aktiv er ist. Die eingeatmete Innenraumluft könne eine Vielzahl von Schadstoffen enthalten, die unsere Gesundheit beeinflussen.

Das Team um Knox betont, dass vielen Verbrauchern nicht ausreichend bewusst sei, dass Konsumgüter wichtige Quellen für eine Exposition gegenüber schädlichen Chemikalien sind. Hersteller und Aufsichtsbehörden seien gefragt, die Zusammensetzung von Produkten abzuändern, um diese Mengen zumindest zu verringern.

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