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Durstige Riesenvögel. Bislang ist kaum Kerosin auf Pflanzenbasis verfügbar. Technische, ökologische und ökonomische Schwierigkeiten müssen bewältigt werden.

© mauritius images

Kraftsoffe: Biokerosin im Sinkflug

Pflanzen als Treibstoff für Jumbo-Jets? Bis nachwachsende Rohstoffe Flugzeuge fliegen lassen, müssen noch viele Probleme gelöst werden. Kritiker warnen: Der Anbau von Lebensmitteln könnte durch den hohen Treibstoff-Bedarf von Fluglinien gefährdet werden.

Im Jahr 2008 erreichte der Ölpreis die Rekordhöhe von rund 146 Dollar pro Barrel. Im gleichen Jahr flog zum ersten Mal eine Boeing 747 mit Biokerosin aus nachwachsenden Rohstoffen. Für fünf Prozent Bioanteil am Treibstoff wurde das Öl aus 150 000 Kokosnüssen und zu einem geringeren Anteil aus brasilianischen Babassu-Nüssen in einen Treibstoff der zweiten Generation veredelt. Das Ziel: den Kohlendioxidausstoß im Flugverkehr zu verringern und eine Alternative zum Erdöl zu finden.

Seit diesem ersten Testflug der Virgin Atlantic Airlines von London nach Amsterdam haben ungefähr ein halbes Dutzend Testflüge stattgefunden. Mittlerweile mit einem Bioanteil von bis zu 50 Prozent im Kraftstoffgemisch. Die neuen Treibstoffe haben gezeigt, dass sie den Sicherheitsansprüchen im Flugverkehr genügen. Auf zehn Kilometer Höhe bei minus 50 Grad Celsius und bei 70 Grad plus in der Sahara verhalten sie sich genauso wie der Treibstoff auf Erdölbasis.

Das bedeutet aber nicht, dass schon morgen alle Flugzeuge mit Pflanzengemisch fliegen werden. Zwar hat man Pflanzen gefunden, die wegen ihrer hohen Energiedichte als Rohstoff infrage kommen und nicht zwangläufig mit der Lebensmittelproduktion konkurrieren müssten, aber sie sind nicht ausreichend verfügbar. Außerdem hapert es an der Technik, den Treibstoff in großer Menge herzustellen.

Da ist beispielsweise die tropische Purgiernuss, auch Jatropha genannt. Mit ihrem ungenießbaren Öl wurden schon die Boulevards von Paris beleuchtet, bevor das Erdöl Karriere machte. Oder der Leindotter, Camelina sativa, der auch hierzulande als Zwischenfrucht gesät werden kann. Infrage kommen auch Raps oder bestimmte Algen. Ihnen gemeinsam ist der hohe Fettgehalt in den Samen oder dem Gewebe. Sie werden, ähnlich wie bei der Biodiesel-Gewinnung, zunächst gepresst und dann in einer Reaktion erst mit Wasserstoff und dann mit Methanol in hydrogenierte Pflanzenöle, also brennbaren Treibstoff, umgewandelt.

„Aber der Ölertrag pro Hektar ist relativ gering, verglichen mit dem gesamten Biomasseertrag“, sagt Martin Kaltschmitt vom Deutschen Biomasseforschungszentrum in Leipzig. „Beim Raps besteht die Hälfte der Biomasse aus Stroh und nur 50 Prozent sind die ölhaltige Rapssaat.“ Weitere Verluste entstehen beim Verarbeiten. Am Ende liegt die Ölausbeute bei 40 Prozent. „Wenn die Energiepreise steigen und wir den Klimaschutz ernst nehmen, können wir uns nicht leisten, 60 Prozent der Energie, die in der Biomasse steckt, ungenutzt zu lassen“, sagt Kaltschmitt.

Die bessere Lösung wäre die Umwandlung der gesamten Pflanze in Energie. Biomass to Liquid, kurz BTL, heißt das Verfahren. Hier wird die Pflanze bei hoher Temperatur unter Entzug von Sauerstoff zuerst in Gas umgewandelt. Aus diesem Synthesegas kann bei der nachfolgenden Fischer-Tropsch-Synthese, mit der Treibstoff aus Biomasse gewonnen wird, theoretisch das Produkt der Wahl hergestellt werden. Von Benzin über Diesel bis hin zu Kerosin. Das Problem: Bisher ist die Reaktion noch nicht sehr ausgereift, es entsteht eine Art künstliches Erdöl. „Das Produkt, das nach Fischer-Tropsch herauskommt, muss anschließend noch einmal den gesamten Raffinerieprozess durchlaufen, um die Kerosinfraktion herauszufiltern“, sagt Kaltschmitt. Und damit liegt auch hier die Ausbeute erst bei 30 bis 40 Prozent.

„Wir würden gerne mit BTL-Kraftstoffen fliegen“, sagt Justin Dubon, Umweltexperte von Airbus. „Aber sie sind nicht verfügbar.“ Schon 1000 Tonnen BTL zu bekommen wäre zur Zeit sehr schwierig. Zum Vergleich: Allein die Lufthansa-Gruppe verbraucht rund 20 000 Tonnen Treibstoff am Tag, das sind 7,6 Millionen Tonnen im Jahr. „BTL benötigt noch massive Investitionen in die Technik und die Vermarktung“, sagt Dubon. Die Treibstoffhersteller haben keinen Anreiz, das Verfahren für den großen Maßstab zu entwickeln. Denn bisher laufen gerade einige Versuchsanlagen. Die Hersteller müssten viel Geld investieren, hätten aber keine Garantie, den wesentlich teureren Biotreibstoff verkaufen zu können, solange der Erdölpreis nicht wieder deutlich steigt. Um die Industrie zu motivieren, müssten sich die Fluggesellschaften verpflichten, bestimmte Mengen des Biotreibstoffs abzunehmen.

„Biotreibstoffe sind unsere einzige Option“, sagt Dubon, „Autos können elektrisch fahren oder Brennstoffzellen verwenden, solche Möglichkeiten gibt es für Flugzeuge nicht.“ Die Internationale Flug-Transport-Vereinigung IATA hat sich zum Ziel gesetzt, dass der Flugverkehr ab 2020 kohlendioxid-neutral wachsen soll. Lufthansa will ab 2020 mit zehn Prozent alternativem Treibstoff fliegen.

Offen bleibt aber, wo die Pflanzenrohstoffe herkommen sollen, um den massiven Treibstoffbedarf der Luftfahrt zu decken. Mit der Jahresernte Indonesiens, weltgrößter Produzenten für Kokosnüsse, könnte die Boeing 747 der Virgin Atlantic ungefähr 4500 Mal abheben. Das ist weniger als das Flugaufkommen in Berlin-Schönefeld in einem Monat.

Mit steigendem Biotreibstoffbedarf verschärft sich das Tank- versus Teller-Problem. Um das zu umgehen, sehen die Airlines die Energiepflanzen am liebsten an unwirtlichen Standorten wachsen, etwa in Wüsten oder Salzwasser. Kritiker wie die britische Nichtregierungsorganisation Biofuelwatch sehen unvermeidliche Konflikte bei der Herstellung von Biosprit: Werden die Treibstoffpflanzen auf landwirtschaftlichen Flächen angebaut, treten sie in direkte Konkurrenz mit dem Anbau von Lebensmitteln und treiben die Preise für Nahrungsmittel in die Höhe. Werden neue Flächen für Camelina oder Jatropha erschlossen, leidet die Umwelt.

Um diese Probleme zu umgehen, setzen einige Treibstoffhersteller auf Erdgas als Rohstoffquelle. Gas to Liquid, GTL, verwendet den gleichen Verfahrensweg wie BTL, nur dass Erdgas in Treibstoff umgewandelt wird und nicht Biomasse. In Katar will Shell ab 2012 etwa eine Million Tonnen GTL-Kerosin pro Jahr produzieren. „Bei dem Klimaproblem mit Kohlendioxid ist GTL kaum von Vorteil“, sagt Manfred Aigner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart. Die Klimabilanz von Erdgas als Treibstoff sei nur geringfügig besser als die von Erdöl. „GTL ist eine Hilfe, weil man damit die Kerosinvorräte strecken, oder sogar ersetzen kann.“ Damit wäre der Nachschub trotz sinkender Ölförderung vorübergehend gesichert.

Originell klingt die Idee von Britisch Airways: Die englische Luftfahrtgesellschaft plant im Osten Londons eine Fabrik, die den Abfall der Stadt in Treibstoff umwandeln soll. 500 000 Tonnen Müll sollen mehr als 60 Millionen Liter Treibstoff zur Verfügung stellen.

Britta Danger

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