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Bewegung hilft. Wer Treppen steigt, verbessert die Durchblutung der Beine.

© dapd

Kranke Gefäße: Infarkt im Bein

Verstopft ein Pfropf eine verkalkte und verengte Schlagader, wird es gefährlich. Doch die ersten Symptome des Leidens werden von vielen unterschätzt.

Es fängt ganz harmlos an. Beim Gehen verkrampft sich die Wade, der Oberschenkel schmerzt oder der Knöchel. Das Hinken kann böse enden: mit dem totalen Verschluss einer Arterie, einem „Beininfarkt“. So zumindest nennt es die Amputierten-Initiative. Denn Arteriosklerose (zu Deutsch: Arterienverkalkung), kann nicht nur zum Herz- oder Hirninfarkt („Schlaganfall“) führen, sondern auch im Bein ein Blutgefäß verstopfen.

In der Medizin heißt das kurz AVK oder – wenn nur die Beine oder seltener die Arme betroffen sind – PAVK (Periphere Arterielle Verschlusskrankheit); das gefährliche Leiden war kürzlich auch Thema des 37. Interdisziplinären Forums der Bundesärztekammer. Ein Laie jedoch kann mit der Abkürzung wenig anfangen, der Begriff „Beininfarkt“ ist griffiger und besser geeignet, um über die oft verkannte Krankheit zu informieren und Amputationszahlen zu senken, findet die Amputierten-Initiative.

Etwa sechs Millionen Gefäßkranke leben in Deutschland. Wie viele davon Durchblutungsstörungen der Beinarterien haben, ist nicht bekannt. Der Hamburger Gefäßmediziner Holger Lawall schätzt, dass jeder Fünfte über 65-Jährige betroffen ist. Viele sind zugleich zuckerkrank oder haben verengte Herzkranzgefäße. Die meisten haben anfangs noch keine Beinbeschwerden und ahnen nichts von der drohenden Gefahr, die Gliedmaßen oder im schlimmsten Fall das Leben kosten kann.

Zu den Risikofaktoren gehören unter anderem Alter und genetische Veranlagung, aber auch das Wohlbekannte: falsche Ernährung und zu hohe Blutfett- oder Blutzuckerwerte, Rauchen (weshalb man auch vom „Raucherbein“ spricht), Bluthochdruck und vor allem zu wenig Bewegung. Um der Krankheit vorzubeugen oder sie zu verzögern, sollte man daher seine Lebensweise umstellen, sagt der Dresdener Gefäßspezialist Sebastian Schellong.

Damit der Arzt zur richtigen Diagnose findet, sollte er sich nicht auf Röntgenaufnahmen verlassen, sondern den Patienten genau befragen und untersuchen. Die Aufnahmen führen mitunter in die Irre: Auf den Bildern sehe man im Alter immer degenerative Veränderungen an Wirbelsäule und Gelenken, die überhaupt nichts mit den Beschwerden durch die Mangelversorgung der Beine zu tun haben.

Einen Engpass der Schlagadern (Stenose) kann man selbst als Laie von der Einengung des Wirbelkanals (der Spinalstenose) unterscheiden: Wenn das Gehen schmerzt und sich die Schmerzen beim Stehenbleiben bessern, ist dies ein Hinweis auf Mangeldurchblutung. Weil man am unauffälligsten vor einem Schaufenster stehen bleibt, wird das Leiden in diesem Frühstadium auch „Schaufensterkrankheit“ genannt. Bessern sich die Beschwerden erst im Sitzen und sind beim Treppabsteigen schlimmer als werden beim Treppaufsteigen, deutet dies auf eine Spinalstenose hin. Um die Beindurchblutungsstörung zu beheben, sollte man zunächst ein Gehtraining machen, möglichst in Gefäßsportgruppen, sagt Lawall. Arzneimittel seien die zweite Wahl. Auch wenn die Krankheit weit fortgeschritten ist – mit Beingeschwüren und -nekrosen – und selbst bei sehr alten Patienten kann ein spezialisierter Gefäßchirurg das Bein oft retten.

Die Zahl der Amputationen geht anscheinend zurück. Im Jahr 2000 sprach man noch von bis zu 60 000 Amputationen jährlich in Deutschland, meist wegen Mangeldurchblutung. Jetzt seien es bis zu 16 000 „hohe“ Amputationen pro Jahr, sagt Lawall. Ein Erfolg der neuen Gefäßzentren mit ihren Spezialisten?

Tatsächlich gehen die Gefäßchirurgen heute schonender vor. Ralf Langhoff vom Gefäßzentrum des Berliner Evangelischen Krankenhauses Königin Elisabeth berichtete, dass lange die Bypass-Operation als Standard galt, wobei eine Beinvene die zugesetzte Arterie ersetzt. Jetzt wird die durch Ablagerungen eingeengte Bein- oder auch Armschlagader möglichst ohne großen Eingriff aufgeweitet und durch eine innere Gefäßstütze, einen Stent, offengehalten.

Danach soll der Patient trainieren und Herz und Hirn durchbluten. So tut man zugleich etwas gegen drei drohende Infarkte: den im Bein, im Herz und im Hirn.

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