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© dpa

Digitate Daten: Kurze Ewigkeit

Informationen speichern ist heute einfacher denn je. Doch digitale Daten sind oft schon nach kurzer Zeit verloren. Die begrenzte Lebensdauer der Speichermedien ist aber nur die eine Seite. Die andere ist, dass elektronische Dateien lediglich dann etwas nützen, wenn der Computer sie auch lesen kann.

Adventszeit. Die Verwandten schreiben Weihnachtskarten, die Oma einen Brief, und abends unterm Tannenbaum holen die Eltern das Familienalbum hervor. So ist es Jahr für Jahr. Aber so wird es nicht immer bleiben. Denn Familienfotos klebt man heute nicht mehr ins Album, sondern speichert sie auf Festplatte. Und das Schreiben von Weihnachtskarten wird immer mehr zur Ausnahme, verdrängt von E-Mails und elektronischen Grußkarten.

Bits und Bytes erobern unser Leben. Wo sich früher Fotoalben und Dia-Kästen stapelten, Kartons mit Briefen und bündelweise Telefonrechnungen, surrt heute der Computer. Bilder, Anschreiben, Rechnungen, E-Mails, Videos, Musik – alles landet als Datei auf der Festplatte. Dort kann man es beliebig sortieren, bearbeiten und kopieren.

Aber so bequem die neuen Medien sind, so kurzlebig sind sie. Ein herkömmlicher Papierbrief ist, wenn man ihn sorgfältig aufbewahrt, auch nach vielen Jahrzehnten noch lesbar. Die meisten Computerdateien erreichen diese Haltbarkeit nicht annähernd, denn die Lebensdauer ihrer Speichermedien ist eher kurz. Wie haltbar die Datenträger sind, können Fachleute oft nicht genau sagen. Denn viele Speicher gibt es noch nicht lange genug, um verlässliche Aussagen darüber zu machen.

Schätzungen zufolge verlieren Festplatten nach rund zehn Jahren ihre Magnetisierung und damit die gespeicherten Informationen. USB-Sticks halten etwa ebenso lange. Bei CDs und DVDs vermuten Fachleute zwar eine Haltbarkeit von bis zu 100 Jahren. „Das ist aber eine optimistische Schätzung“, sagt Thomas Gast, Referatsleiter am Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). „Nachprüfen konnte diese Zeitspanne bisher niemand.“ Eine Haltbarkeit von 100 Jahren gelte bestenfalls bei trockener, lichtgeschützter und kühler Lagerung. Das können Privatleute auf Dauer kaum sicherstellen.

Die begrenzte Lebensdauer der Speichermedien ist aber nur die eine Seite. Die andere ist, dass elektronische Dateien lediglich dann etwas nützen, wenn der Computer sie auch lesen kann. Und das ist meist schon nach kurzer Zeit nicht mehr gegeben. Betriebssysteme und Office-Programme wandern nach spätestens zehn Jahren in die Mottenkiste, abgelöst von ihrer x-ten Nachfolgeversion. Und die kann mit der ursprünglich angelegten Datei mitunter nichts mehr anfangen. Elektronische Informationen, die nicht rechtzeitig in aktuelle Datenformate überführt werden, enden als unleserlicher Zeichensalat.

„Wichtige Daten sollte man deshalb regelmäßig mit aktuellen Programmen öffnen und unter einem aktuellen Format speichern, damit sie langfristig lesbar bleiben“, empfiehlt Gast. Außerdem sollte man sie zusätzlich auf weitere Speicher kopieren, etwa CD oder DVD. Bei guter Lagerung halten diese Datenträger länger als Festplatten, die ziemlich anfällig gegenüber Erschütterungen, hohen Temperaturen und Magnetfeldern sind.

Nichtelektronische Dokumente kann man heute schon so archivieren, dass sie viele Jahrhunderte lesbar bleiben, indem man sie auf Mikrofilm fotografiert. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) nutzt diese Methode, um Dokumente der deutschen Kulturgeschichte für die Nachwelt zu erhalten. Im Barbarastollen, einem ehemaligen Silberbergwerk in der badischen Gemeinde Oberried, betreibt das BBK das größte Mikrofilmarchiv Europas. 200 Meter unter der Erdoberfläche lagern dort rund 1400 Edelstahlbehälter, die zusammen mehr als 27 000 Kilometer Mikrofilm enthalten mit fast einer Milliarde Aufnahmen darauf.

„Wir archivieren Dokumente, die besonders wichtig sind, um die deutsche Geschichte und Kultur zu dokumentieren“, erläutert Bernhard Preuss, Referatsleiter Kulturgutschutz am BBK. Dazu gehören Urkunden, Verwaltungsakten und Korrespondenzen von Politikern. Kopiert auf Mikrofilm, lagern im Barbarastollen zum Beispiel die Urkunde zur Kaiserkrönung Ottos des Großen von 936, die Baupläne des Kölner Doms oder der Vertrag zur Deutschen Wiedervereinigung.

Die Mikrofilme bestehen aus dem Kunststoff Polyester, sind 35 Millimeter breit und knapp einen Zehntelmillimeter dick. Die fotografierten Dokumente erscheinen auf dem Film etwa neunmal kleiner als das Original. Je 1500 Meter Film werden zu einer Rolle gewickelt und 16 solcher Rollen in einem Edelstahlbehälter verpackt. Bei den Lagerbedingungen im Stollen halten die Filme voraussichtlich länger als 500 Jahre. „Der Bund bedient sich dieser Methode nicht nur, weil die archivierten Dokumente extrem lange erhalten bleiben, sondern auch, weil man die Daten jederzeit ohne technische Hilfsmittel ansehen kann“, sagt Karsten Mälchers, stellvertretender Pressesprecher am BBK. „Um die Mikrofilme zu lesen, genügen eine Kerze und eine Lupe.“

Zudem ist die Archivierung auf Mikrofilm relativ billig. Der Betrieb des gesamten Barbarastollens kostet im Jahr 30 000 Euro. Die darin eingelagerten Filme enthalten eine Informationsmenge von 5000 Terabyte. Diese Information auf Festplatten zu speichern, wäre erheblich teurer: Man bräuchte neben der erforderlichen Technik etwa 150 Verwalter (Administratoren), um die Daten durch regelmäßiges Bearbeiten und Kopieren dauerhaft zu bewahren.

Im Prinzip lässt sich die Mikrofilmtechnik auch einsetzen, um elektronische Dokumente zu archivieren. Denn Computerdateien sind digital codiert, bestehen also aus einer Abfolge von Nullen und Einsen. Diese Abfolge lässt sich als Punktmuster darstellen, wobei ein heller Punkt zum Beispiel für die Eins, ein dunkler für die Null steht. Egal, ob Textdatei, Internetseite, Digitalfoto oder digitales Video: All das kann man als Punktmuster auf einem Mikrofilm verewigen. Die Punkte sind dabei winzig klein, mit den gegenwärtigen Techniken passen rund eine Million auf einen Quadratzentimeter Film.

„Noch speichern wir keine digitalen Informationen auf Mikrofilm, aber wir testen das Verfahren“, berichtet Preuss. Die Mitarbeiter am BBK experimentieren mit Laserbelichtern, die sehr kleine Punkte auf Mikrofilm bringen können. „Wenn es funktioniert, können wir mit der Langzeitarchivierung von digitalen Daten, etwa von Internetseiten, beginnen“, sagt Preuss. „Aber bevor wir loslegen, muss noch eine entscheidende Frage geklärt werden: Bei welchen Informationen in der heutigen Datenflut es überhaupt wichtig ist, sie zu bewahren.“

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