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Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) – hier am Dienstag bei einer Pressekonferenz.

© Sina Schuldt/dpa

Affenpocken breiten sich aus: Lauterbach warnt vor Stigmatisierung schwuler Männer

Der Gesundheitsminister sagt, Affenpocken könnten „jeden treffen“. Doch wichtig sei, Risikogruppen anzusprechen, um sie zu schützen. Eine Pandemie drohe nicht.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, haben vor einer Stigmatisierung schwuler Männer im Zusammenhang mit den Affenpocken gewarnt. Es müsse verhindert werden, „dass Menschen stigmatisiert werden, die homosexuell sind und Sex mit Männern haben“, sagte Lauterbach (SPD) am Mittwochabend in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. „Das ist einfach wichtig zu sagen: Es kann jeden treffen.“

Der Grünen-Politiker Lehmann sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, es sei ein Trugschluss, „dass schwule oder bisexuelle Männer an sich gefährdeter sind. Das Virus kennt keine sexuelle Orientierung“. „Panikmache und Stigmatisierung“ müssten unbedingt vermieden werden.

Affenpocken werden dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge durch engen Körperkontakt von Mensch zu Mensch übertragen. Fälle wurden bisher insbesondere bei Männern diagnostiziert, die gleichgeschlechtlichen Sex haben. Darauf hatte am Dienstag auch Lauterbach hingewiesen: „Die Hauptrisikogruppe zum jetzigen Zeitpunkt sind Männer, die Sex mit anderen Männern gehabt haben. Und das muss man ansprechen können, um diese Gruppe zu schützen.“

Eine erhöhte Sensibilität für die Übertragung von Affenpocken sei wichtig, sagte Lehmann. Dazu gehöre auch „zielgruppenspezifische Ansprache gegenüber Männern, die Sex mit Männern haben“. Er fügte aber an, erhöhte Wachsamkeit für Symptome müsse für alle Menschen gelten. „Viele schwule Männer fühlen sich an den Beginn der Aids-Krise erinnert, als die Infektion ausschließlich schwulen Männern zugeschrieben wurde. Das hat in der Folge dazu geführt, dass schwule Männer stigmatisiert und andere Gruppen wenig geschützt wurden.“

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Bei Affenpocken handelt es sich um eine weniger gefährliche Verwandte der seit etwa 40 Jahren ausgerotteten Pocken. Zu den Symptomen von Affenpocken gehören Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen und ein Ausschlag, der oft im Gesicht beginnt und dann auf andere Körperteile übergreift. Die meisten Menschen erholen sich innerhalb weniger Wochen wieder.

Lauterbach erklärte in der Sendung weiter: „Die Affenpocken sind keine Krankheit, wo wir eine Pandemie auch nur befürchten müssten. (…) Es wird keine Pandemie geben.“ Die Affenpocken seien eine „ganz andere Erkrankung“ als das Coronavirus, sagte der Minister. Sie breite sich nicht so schnell aus, das Virus sei harmloser. Zudem verlaufe die westafrikanische Variante der Affenpocken „selbst in Afrika, wo die Gesundheitssysteme nicht gut sind, in 99 Prozent der Fälle nicht tödlich“.

Dieses Bild aus dem Jahr 1997 zeigt die Hände eines Affenpocken-Patienten in der Demokratischen Republik Kongo mit dem charakteristischen Ausschlag in der Erholungsphase.
Dieses Bild aus dem Jahr 1997 zeigt die Hände eines Affenpocken-Patienten in der Demokratischen Republik Kongo mit dem charakteristischen Ausschlag in der Erholungsphase.

© CDC/dpa

Man müsse damit rechnen, dass Erkrankte mindestens 21 Tage ansteckend seien. Daher habe das Bundesgesundheitsministerium gemeinsam mit dem RKI folgende Empfehlung getroffen: „Man muss 21 Tage in Isolation sein, entweder im Krankenhaus oder zuhause. (…) Diejenigen, die unmittelbare Kontakte gewesen sind, (…) sollten für 21 Tage in Quarantäne.“

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Zudem habe er Impfstoff gegen die Affenpocken beschafft, um „exponierten Menschen“ Schutz zu bieten. An einer entsprechenden Empfehlung, welche Personengruppen sich impfen lassen sollten, werde aktuell gearbeitet, so der Bundesgesundheitsminister.

EU-Gesundheitsbehörden zufolge sind mittlerweile mehr als 200 Fälle von Affenpocken außerhalb Afrikas bestätigt worden. Insgesamt 19 Länder, in denen die Krankheit normalerweise nicht vorkommt, hätten mindestens einen Fall bestätigt, erklärte das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) am Mittwochabend. „Die meisten Fälle sind junge Männer, die sich selbst als Männer identifizieren, die Sex mit Männern haben. Es gab keine Todesfälle“, fügte die europäische Agentur mit Sitz in Stockholm hinzu.

Außerhalb der elf afrikanischen Länder, in denen diese seltene Krankheit endemisch ist, konzentrieren sich die meisten bestätigten Fälle derzeit auf drei Länder: Großbritannien (71 Fälle), Spanien (51) und Portugal (37). In Europa wurden insgesamt 191 Fälle bestätigt, dazu kommen 15 in Kanada, neun in den USA, zwei in Australien, einer je in Israel sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten. Verdachtsfälle wurden in der Bilanz nicht mitgezählt.

Am Montag hatte das ECDC in seiner ersten Risikobewertung die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung in der Allgemeinbevölkerung als „sehr gering“, bei Personen mit mehreren Sexualpartnern jedoch als „hoch“ eingestuft. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte sich optimistisch gezeigt, die Ausbreitung der Krankheit stoppen zu können. (dpa, AFP, Tsp)

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