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Mathematik-Genie: „Menschen sind keine Roboter“

Spieltheoretiker John Nash zu Besuch in Berlin

Mehrere Verhandlungspartner, die unterschiedliche Ziele verfolgen und nicht wissen, wie groß die Kompromissbereitschaft des jeweils anderen ist: Wird es ein einträgliches Geschäft oder platzt der vielversprechende Deal in letzter Sekunde? Um dieses alltägliche Problem mit Formeln zu beschreiben und vor allem zu lösen, nutzen Mathematiker Methoden der Spieltheorie. Einer ihrer Väter, der heute 81-jährige US-Forscher John Nash, besuchte am Freitag die Telekom-Laboratories an der Technischen Universität Berlin.

Die jüngsten Übernahmeverhandlungen bei dem britischen Süßwarenhersteller Cadbury seien ein Beispiel, sagte er. „Als ein Gebot vorlag, mit dem beide Seiten leben konnten, willigte Cadbury ein.“ Noch Mitte Januar hatte es zwei Bieter für die Traditionsmarke gegeben, die typische Dreierkonstellation. Unter welchen Bedingungen sind drei Parteien – oder eben Spieler – bereit, miteinander zu kooperieren und eigene Ansprüche zurückzuschrauben? An welchem Punkt kündigen sie die Koalition auf?

Diesem Thema galt Nashs Vortrag. Das Auditorium, 20 Stockwerke über dem Ernst-Reuter-Platz, war bis zum letzten Platz gefüllt, einige mussten stehen. Den meisten Besuchern ging es weniger um die Formeln als um ihn: John Nash. Der seit den fünfziger Jahren als mathematisches Genie gilt. Der in etwa seit dieser Zeit auch an paranoider Schizophrenie litt, mehrere Jahre in Kliniken verbrachte und nichts mehr publizierte. Dem 1994 für seine grundlegenden Arbeiten zur Spieltheorie, gemeinsam mit Reinhard Selten und John Harsanyi, der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen wurde. Dessen Leben unter dem Titel „A Beautiful Mind“ vor neun Jahren verfilmt und damit einem großen Publikum bekannt wurde.

Nash ist nicht der Mensch, den Russell Crowe am Ende so strahlend, so „geheilt“ mimte. Die Krankheit, auch wenn er sie heute anscheinend gut im Griff hat, sie hat ihn schwer gezeichnet. Der einstündige Vortrag scheint ihm zuweilen eher Last als Lust zu sein.

Formeln, Grafiken und Tabellen zeigt er, in denen die reale Aktion von je drei Probanden mit seinen Modellen verglichen werden. Harte Kost. Manchmal deutet er auf einen Punkt eines Graphen, setzt an: „Was dahinter steckt ... ach nein, das ist jetzt zu kompliziert.“ Und springt weiter. Am Ende gibt es stehende Ovationen.

Die Einladung der Telekom an Nash kommt nicht von ungefähr. Auch in der Kommunikationstechnik wird die Spieltheorie vielfach genutzt. Etwa wenn es darum geht, wie die begrenzten Ressourcen eines Mobilfunknetzes am besten verteilt werden. Statt drei Mitspielern gibt es dann aber hunderte oder tausende.

Die Methoden der Spieltheorie haben auch nach jahrzehntelanger Forschung ihre Schwachstellen, das wurde in der anschließenden Diskussion deutlich. Die Entscheidung von Menschen ist schließlich nie völlig rational, sondern von psychologischen Faktoren beeinflusst. Da geht es nicht nur um das beste Geschäft, sondern manchmal auch darum, dem Konkurrenten eins auszuwischen, koste es, was es wolle. „Das stimmt, Menschen verhalten sich eben nicht wie Roboter“, sagte Nash. Es sei allerdings schwierig, irrationales Verhalten abzubilden mit Modellen, die an sich rational arbeiten.

Nun ist es an seinen Nachfolgern, die Spieltheorie um die menschliche Komponente zu erweitern. Ralf Nestler

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