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Überflieger. Die Sonde „Maven“ erforscht die Atmosphäre des Roten Planeten.

© Nasa

Maven-Mission: Dem Mars geht die Luft aus

Vom Sonnenwind verweht: Die Sonde „Maven“ weist nach, wie die Atmosphäre des Planeten erodiert. Vor allem Sonneneruptionen haben eine verheerende Wirkung.

Der Mars wird gelegentlich als Bruder der Erde bezeichnet. Seine felsige Oberfläche und ähnliche Klimabedingungen (im Vergleich zu anderen Himmelskörpern) sind verbindende Merkmale. Die Familienbande werden umso stärker, je weiter man in die Vergangenheit schaut. In seiner Jugend, vor rund vier Milliarden Jahren, hatte auch der Mars eine dichte Atmosphäre und jede Menge flüssiges Wasser. Womöglich gab es auch Lebewesen. Vorbei.

Heute ist es ein wüster Planet, in dem Leben allenfalls in tieferen Schichten denkbar erscheint, weil kosmische Strahlung unerbittlich auf die Oberfläche prasselt. Droht dieses Schicksal auch der Erde? Antworten auf diese Frage erhoffen sich Wissenschaftler von den zahlreichen Marsmissionen, die seit den siebziger Jahren gestartet wurden.

Wie der Planet seine Atmosphäre verlor und das bis heute tut, das soll die Nasa-Sonde „Maven“ (Mars Atmosphere and Volatile Evolution) ergründen, die den Mars seit einem Jahr umkreist. Jetzt stellen die beteiligten Forscher in den Fachblättern „Science“ und „Geophysical Research Letters“ erste Ergebnisse vor.

Die dünne Luft des Mars wird noch dünner

Die Atmosphäre des Mars ist heute sehr dünn, ihre Dichte ist rund hundertmal geringer als die der irdischen Lufthülle. Und sie wird immer dünner, zeigen die Daten der „Maven“-Mission. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Sonnenwind – ein Strom geladener Teilchen, den die Sonne in alle Richtungen hinausschleudert. Während die Erde durch ihr starkes Magnetfeld gut vor diesem Teilchenstrom geschützt ist, hat der Mars seit dem Verlust seines Magnetfelds kaum noch etwas entgegenzusetzen, außer ein paar „magnetischen Resten“ in seiner Kruste und dem bisschen Atmosphäre, die in tiefen Lagen hauptsächlich aus Kohlendioxid besteht. Dadurch kann der Sonnenwind recht nahe kommen.

Er erzeugt ein elektrisches Feld, das ionisierte Atome in großer Höhe (vor allem Sauerstoff und Stickstoff) beschleunigt. Sind sie schneller als fünf Kilometer pro Sekunde, überwinden sie die Marsanziehungskraft und entweichen endgültig in den Weltraum. Dieser Vorgang ist besonders in Richtung des Nord- und Südpols ausgeprägt. Der Grund: Der Sonnenwind erreicht den Mars ziemlich genau von der Seite, das resultierende elektrische Feld ist senkrecht dazu ausgerichtet. Wie viele Atome aus der Atmosphäre vom Sonnenwind verweht werden und vor allem welche, können Forschungsleiter Bruce Jakosky von der Universität von Colorado in Boulder und sein Team noch nicht sagen. Sie schätzen, dass während der Messzeit von „Maven“ etwa ein Drittel bis die Hälfte entlang der Pole entkommen ist.

Weitaus größer ist der Verlust, wenn Mars von den Ausläufern eines koronalen Massenauswurfs der Sonne erwischt wird. Bei diesen Sonneneruptionen werden gewaltige Mengen an geladenen Teilchen ins All geschleudert. Auf der Erde entstehen dann Polarlichter, sogar die Stromversorgung kann gestört werden.

Sonnenausbrüche beschleunigen den Verlust der Atmosphäre

„Maven“ hatte das Glück, die Folgen eines solchen koronalen Massenauswurfs im März dieses Jahres live zu verfolgen. Er brachte die Marsatmosphäre gehörig durcheinander. Es entwickelten sich „magnetische Ranken“, die bis zu 5000 Kilometer ins All ragten und entlang derer ionisierte Atome wie auf Autobahnen in den interplanetaren Raum davonjagten. Die Forscher schätzen, dass die Atmosphärenteilchen dabei bis zu zehnmal so schnell unterwegs waren wie gewöhnlich und dass auf diese Weise bis zu zehnmal mehr Materie verloren geht als sonst. „Angenommen, es gab solche Sonneneruptionen schon früher – und davon ist auszugehen – dann dürften sie maßgeblichen Anteil am Verlust der Atmosphäre haben“, berichtet Jakoskys Team.

Der koronale Massenauswurf bescherte dem Mars weitreichende Polarlichter. Bereits die Sonde „Mars Express“ hatte solche ausgemacht, doch waren sie nur lokal. Die von „Maven“ erfassten Polarlichter sind wesentlich größer. Da der Planet kaum von einem Magnetfeld geschützt ist, dürften diese Himmelsphänomene viel verbreiteter sein als auf Erden, vermuten die Wissenschaftler. Auch die Polarlichter setzen der Atmosphäre zu. Dadurch wird Energie bis in die oberen Schichten gebracht und diese erwärmt. Damit dehnt sich die obere Atmosphäre aus – und wird umso mehr vom Sonnenwind erodiert.

Mit der Luft schwand das Wasser

Der Atmosphärenverlust in diesen Tagen ist dennoch nichts zu dem, was dem Mars vor rund vier Milliarden Jahren widerfuhr. Damals war der Rückgang wesentlich größer, mutmaßlich herbeigeführt durch ein schwächer werdendes Magnetfeld, das wiederum dem Sonnenwind leichtes Spiel ermöglichte. Zugleich waren damals die inneren Planeten des Sonnensystems starkem Beschuss durch Asteroiden ausgesetzt. Mit jedem Einschlag wurde viel Energie frei, die die Lufthülle beschädigte. Zugleich schwand mit der Atmosphäre ein wirksamer Schutz vor Asteroiden – das Drama ging immer weiter und erfasste schließlich die Gewässer. Wenn die Lufthülle dünner wird, ist es umso leichter, das Wasser verdunsten zu lassen.

Damit erklärt sich, weshalb sich heute kein See oder Bach lange auf dem Roten Planeten halten würde. Sie würden rasch verdampfen, wie auch die periodischen Rinnsale am Gale-Krater zeigen, von denen Marsforscher erst Ende September berichtet hatten.

So erweist sich der Bruder der Erde als wenig lebensfreundlicher Himmelskörper. Das wird die Menschheit vorerst nicht betreffen. Erst letzte Woche veröffentlichte das Büro des Nasa-Generalinspekteurs einen Bericht, der einen bemannten Flug zu Zielen wie dem Mars in den 2030ern als „optimistisch“ bezeichnete. Die Gesundheitsrisiken der Reise habe man noch lange nicht im Griff.

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