zum Hauptinhalt

Medizin: Biologen erringen Nobelpreis durch Knock-out

Schöpfer von Mutantenmäusen werden für ihre Arbeit ausgezeichnet.

Die Erfinder einer Technik, die es Biologen erlaubt, die Funktion einzelner Gene auf einfache Art zu identifizieren, werden für ihre Leistungen mit dem diesjährigen Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Durch die Technik ist es Wissenschaftlern möglich, Knock-out-Mäuse zu schaffen - Mutantenarten, bei denen bestimmte Gene ausgeschaltet wurden. Damit lässt sich die Rolle, die bestimmte Gene in der Erwicklung und bei bestimmten Erkrankungen spielen, nachweisen sowie Modelltiere für Erkrankungen des Menschen schaffen. "Praktisch kein Bereich der Biomedizin ist davon unberührt geblieben", sagt Jeremy Berg, Direktor des National Institute of General Medical Sciences in Bethesda, Maryland. Mario Capecchi von der University of Utah in Salt Lake City, Martin Evans von der Cardiff University in Wales und Oliver Smithies von University of North Carolina in Chapel Hill teilen sich die mit 1,1 Millionen Euro dotierte Auszeichnung. Wie es bei diesem Nobelpreis häufig der Fall ist, wurde die Arbeit des Trios 2001 bereits mit dem Lasker Award ausgezeichnet. Seit 1989 zum ersten Mal über die Technik berichtet wurde, wurden tausende Arten von Knock-out-Mäusen geschaffen. Mehr als 500 von ihnen sind Modelltiere für Erkrankungen des Menschen wie Krebs und kardiovaskuläre und neurodegenerative Erkrankungen. Die Technologie basiert auf dem natürlichen Phänomen der homologen Rekombination, von der man annimmt, dass sie unter anderem zur Reparatur beschädigter DNA dient. Chromosomen, die Träger der DNA, liegen in Paaren vor - jeweils eins von jedem Elternteil - und im Zuge der homologen Rekombination können DNA-Fragmente unter ihnen ausgetauscht werden. Capecchi und Smithies entdeckten, dass sich bekannte artifizielle DNA-Sequenzen mit Mäuse-DNA rekombinierten und nutzen dies, um bestimmte Mäusegene aufzufinden. Evans steuerte das Schlüsselelement der Vererbung bei, das letztlich zur Entwicklung von Knock-out-Mäusen führte - Arten, in denen ein Gen auch bei zukünftigen Generationen ausgeschaltet bleibt. Er hatte die Idee, embryonale Stammzellen von Mäusen zu benutzen, um genetisches Material anderer Mäusearten in Mäusembryonen zu transferieren. Als er den Embryonen die Stammzellen injizieren, kombinierten sie sich wie erwartet mit ihren Chromosomen. Die so geschaffenen Mosaikaembryonen wurden von Leihmüttern bis zur Geburt ausgetragen. Wurden diese Sprösslinge miteinander gepaart, trugen ihre Nachkommen Gene der Stammzellen. Evans begann nun, die Stammzellen zu modifizieren, bevor er sie einpflanzte, wobei er Retroviren benutzte, um die neuen Gene in das Genom einzuschleusen. Die Kombination dieser Technik mit künstlicher homologer Rekombination führte zur Entwicklung der ersten Knock-out-Maus. Wichtige Verfeinerungen dieser Technologie machten Knock-out-Mäuse noch wertvoller für Biologen. Klaus Rajewsky, mittlerweile an der Harvard Medical School, entdeckte das so genannte Cre-lox-System bei Mäusen, das es ermöglicht, bestimmte Gene zu einem ausgewählten Zeitpunkt nach der Geburt auszuschalten. Dies ist aus zwei Gründen wichtig: Zum einen sind etwa 15 % der Gene entscheidend für die embryonale Entwicklung und eine Knock-out-Maus würde ohne sie nicht bis zur Geburt überleben, zum anderen können bestimmte Gene erst im späteren Leben für bestimmte Erkrankungen relevant werden. Smithies sagte gegenüber Nature, dass die Auszeichnung "nicht unerwartet kam, bedenkt man die Größenordnung der Arbeit". Während er mit Eiscreme feierte, gab er zu "sich zu freuen". Er sagt, was ihn am meisten fesselt, sei Journals aufzuschlagen und so viele Beiträge über Knock-out-Mäuse zu finden. "Fest steht, dass die Methode der homologen Rekombination viel zu unserem Verständnis der Genoms beigetragen hat", fügt er hinzu. "Möglicherweise kennen wir die Sequenz, aber Knock-out trägt dazu bei, ihre Funktion zu verstehen." In den vergangenen Jahren hat Capecchi dazu beigetragen, die Rolle bestimmter Gene bei der embryonalen Entwicklung genauer zu untersuchen. Seine Arbeit konzentriert sich auf innere Organe und den "Plan", nach dem sie im Körper des Tiers angelegt werden und ihren rechten Platz bekommen. Evans hat diverse Modelltiere für wichtige Erkrankungen des Menschen entwickelt, darunter zystische Fibrose, und sie genutzt, um Krankheitsmechanismen zu studieren, sowie versucht Wege zu finden, genetische Defekte zu reparieren. Smithies hat ebenfalls eine Knock-out-Maus mit zytischer Fibrose entwickelt, ebenso wie Modelle verbreiteter Erkrankungen wie Bluthochdruck und Arteriosklerose. Nachdem nun das Mäusegenom sequenziert ist, werden weltweit Anstrengungen unternommen, jedes einzelne Gen des Tieres auszuschalten. "Die Auswirkungen der Technologie auf das Verständnis der Funktion der Gene und der damit verbundene Nutzen für die Menschheit werden in den nächsten Jahren noch zunehmen", sagt Evans.

Dieser Artikel wurde erstmals am 9.10.2007 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/449642a. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Alison Abbott

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false