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Mikrometerarbeit. Bei der „Reparatur“ einer erkrankten oder beschädigten Augenhornhaut ist Präzision das erste Gebot.

© p-a

Medizin: Klarer Blick durch das Fenster des Auges

Augenärzte diskutieren auf ihrem Weltkongress in Berlin über Operationsmethoden für schonendere Hornhaut-Eingriffe. Manchmal genügt es, nur einen Teil der Hornhaut zu verpflanzen.

Die Hornhaut des Auges ist ein leicht gewölbtes Fenster, das zugleich die Schönheit der menschlichen Anatomie sichtbar macht. Man kann durch sie auf Iris und Pupille schauen. Sie macht sich zugleich als schützende Hülle und als Einfallspforte für das Licht nützlich, mit ihrer Wölbung ist sie für die Brechkraft zuständig und daran beteiligt, dass die Außenwelt sich scharf auf unserer Netzhaut abbildet. Doch das Fenster kann Schaden nehmen. Es kann sich aufgrund einer genetischen Erkrankung, altersbedingt oder wegen einer Verletzung oder Entzündung trüben, und es kann sich zu stark vorwölben. Weltweit geht jede vierte Erblindung auf eine getrübte Hornhaut zurück. Oft ist eine Transplantation die letzte Rettung. Über die Fortschritte, die auf diesem Gebiet gemacht wurden, diskutieren Augenärzte aus aller Welt bei ihrem Weltkongress, der noch bis zum Mittwoch im Berliner ICC stattfindet. Fast 12 000 Spezialisten dieses Fachgebiets, das Kongresspräsident Gerhard Lang von der Uniklinik Ulm als das „eleganteste“ bezeichnet, nehmen an dem Treffen teil, das jetzt zum dritten Mal in seiner langen Geschichte in Deutschland stattfindet.

Elegant sind vor allem die Operationsmethoden. In neun von zehn Fällen greifen die Augenärzte für die Verpflanzung einer Spenderhornhaut auf ein Verfahren zurück, bei dem der Empfänger die gesamte fremde Hornhaut übertragen bekommt. Mit einem Rundschneidemesser werden beide Hornhäute vorsichtig herausgestanzt, das Transplantat wird anschließend mit einem Nylonfaden in das Auge des Empfängers eingenäht.

„Noch nach fünf Jahren erfüllen 90 Prozent der transplantierten Hornhäute ihre Funktion gut“, sagte Thomas Reinhard von der Universitäts-Augenklinik in Freiburg. Allerdings leiden viele Operierte unter einer mehr oder weniger starken Hornhautkrümmung (Astigmatismus), die sich als „Stäbchensichtigkeit“ bemerkbar macht und mit Brille oder Kontaktlinsen korrigiert wird. Zu den Schattenseiten gehört, dass die Fäden erst nach etwa eineinhalb Jahren entfernt werden können. „Bei jedem zehnten Patienten machen sie Probleme“, sagte Reinhard.

Ganz ohne Nähte wird es auch in Zukunft nicht gehen. Doch es gibt eine Methode, die es erlaubt, mit weniger Fäden auszukommen, die noch dazu früher entfernt werden können. Inzwischen wurde an der Uniklinik in Freiburg schon bei mehr als 100 Transplantationen die Hornhaut von Spender und Empfänger nicht mithilfe des herkömmlichen Rundmessers, sondern mithilfe eines Lasers herausgetrennt. Mit dem Femtolaser kann passgenauer geschnitten werden, die Wunde verschließt schon während des Eingriffs wasserdicht, sie heilt besser, so dass die Fäden schneller entfernt werden können. Das ist wichtig, weil der Patient erst ab diesem Zeitpunkt optimal sieht. „Leider verändert sich aber am Problem der Hornhautverkrümmungen nichts“, bekannte Reinhard.

Hier punktet eine weitere neue Methode, die allerdings nur für jeden fünften Patienten infrage kommt. Bei dem Verfahren namens „Dsaek“ werden nicht mehr alle fünf Gewebeschichten der Hornhaut übertragen. Ist nur die Innenschicht der Hornhaut getrübt, dann kann auch nur eine hauchdünne Scheibe von 100 bis 200 Mikrometern übertragen werden. Sie wird mit einem Präzisionsmesser von der Hornhaut des Spenders abgetrennt und durch einen kleinen Schnitt in die Augenkammer des Empfängers geschoben. „Weil wir hier nur eine ganz kleine Öffnung im Auge haben, muss nicht genäht werden“, erklärte Reinhard. Die Hornhautverkrümmung ist deshalb deutlich seltener. Die Patienten müssen nach dem Eingriff allerdings zwei Tage ganz ruhig auf dem Rücken liegen, damit das neue Gewebe an ihrer Hornhaut haften bleibt. Es wird direkt nach der Transplantation mit Luft gegen die Hornhaut gedrückt, damit es gut haftet.

Viele der Vorträge zum Thema kommen aus deutschen Zentren. „Technisch sind wir auf dem Gebiet der Hornhauttransplantation Spitze“, sagte der Freiburger Augenarzt und Vizepräsident der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, die den Kongress in Berlin ausrichtet, nicht ohne Stolz. Ihm macht allerdings der Mangel an Spenderorganen Sorgen. „Wir führen jährlich Transplantate in vierstelliger Zahl ein.“

Die Möglichkeit, dem Mangel mit künstlichen Hornhäuten abzuhelfen, klingt verlockend – zumal schon lange an solchen Prothesen gearbeitet wird. Sie sind jedoch keine wirkliche Alternative, da es bisher nicht gelungen ist, das Auge damit wirklich dicht zu verschließen. Die strengen Auflagen der neuen Gewebeverordnung könnten die Situation noch verschärfen, fürchtet Reinhard. Dort ist etwa festgelegt, dass Hornhäute zwar bis zu 72 Stunden nach dem Tod eines Spenders entnommen werden dürfen, dass vom Spender aber Blutproben existieren müssen, die spätestens 24 Stunden nach dessen Tod gewonnen wurden. „Vor allem Spender, die bei Unfällen gestorben sind, werden so durch das Raster fallen“, fürchtet Reinhard. Die Vorsichtsmaßnahme, mit der mögliche Infektionen mit dem Aidsvirus HIV oder Hepatitis B verhindert werden sollen, hält er für überzogen. „Die Statistik sagt, dass es in vier Millionen Fällen bisher zwei fragliche Fälle von Hepatitis B gegeben hat.“

Auch zu einem anderen Thema möchten die Hornhautspezialisten jetzt Zahlen gewinnen: Ist der Erfolg der Transplantation wirklich größer, wenn Spender und Empfänger nach Gewebeverträglichkeit angepasst werden, wie das bei der Übertragung von Herzen oder Knochenmark unumgänglich ist, wo Abstoßungsreaktionen ein weit größeres Problem darstellen? Eine Studie, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert und an der sich zehn deutsche Augenkliniken mit 700 Patienten beteiligen, soll Klarheit bringen.

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