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Medizin: Skalpell mit eingebauter Sicherung

Medizintechniker der Charité, des Fraunhofer Instituts und der Berliner TU entwickeln Systeme für schonende Operationen. Eines der Ziele ist es, operative Eingriffe noch weiter zu verkleinern.

Forschung in der Medizin ist längst interdisziplinär. Die Entwicklung der Schlüssellochchirurgie, um Patienten schonend und effektiv zu operieren, wäre sonst nicht möglich gewesen. So arbeiten im Zentrum für Mechatronische Medizintechnik Wissenschaftler der Technischen Universität (TU) Berlin, der Charité sowie des Fraunhofer Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) zusammen. Bei einem der Projekte geht es darum, welche Kräfte auf eine elektro-mechanische Beinprothese wirken und welchen Belastungen sie ausgesetzt ist.  Ingenieur Marc Kraft (TU-Institut für Konstruktion, Mikro- und Medizintechnik) stellt eine Prothese aus Metall vor, die elektronisch gesteuert wird und mit Drähten und Sensoren gespickt ist. Die elektrischen Sensoren regeln Beugung, Streckung und Dämpfung der Oberschenkelprothese. Das neuartige Messsystem ermittelt die damit verbundene Belastung auf die künstlichen Gelenke und zeichnet die Daten auf.

Die Analyse der Daten zeigt den Forschern, wie sich der Patient bewegt. Ob er Treppen steigt, Rad fährt oder ganz normal läuft. Auch ob der Patient mit der Prothese humpelt, lässt sich erkennen. "Mit diesen Daten über die Art der Beanspruchung können die Prothesen besser den jeweiligen Belastungen angepasst werden", sagt Kraft. So können starke Belastungen etwa beim Treppensteigen für die individuelle Prothese berücksichtigt werden. Der Bedarf an Prothesen ist groß. Derzeit gibt es deutschlandweit etwa 300.000 Patienten, die Prothesen der unteren Extremitäten tragen. Die Mehrzahl der jährlich 40.000 Amputationen geht auf Gefäßverschlüsse bei älteren Patienten zurück. Aber auch Motorradunfälle geben Anlass für Amputationen.

Nicht nur die Patienten, auch die Ärzte selbst, profitieren von der Arbeit der Mechatroniker. Einer der Schwerpunkte zielt darauf ab, operative Eingriffe noch weiter zu verkleinern. Hierbei sind die Chirurgen auf ein Höchstmaß an Präzision und optischer Unterstützung angewiesen. Speziell Operationen in der Nase sind durch den engen Zugangsweg über die Nasenlöcher sehr kompliziert. Präzise Vorbereitung auf den Eingriff ermöglicht die Computertomographie. Der Chirurg kennzeichnet per Hand das kranke Gewebe, etwa einen Tumor, auf den Bildern und plant so die Operation. Die Berliner Forscher nehmen hierfür zusätzlich einen Computer zu Hilfe, der dreidimensionale Bilder erzeugt. Auch endoskopische Live-Videobilder können den Chirurgen unterstützen. Auf dem Monitor sind das kranke Gewebe und das OP-Instrument des Chirurgen zu sehen. Durch farbige Markierungen wird deutlich, wie viel Gewebe entfernt werden soll und was der optimale Winkel dafür ist. "Gesunde Strukturen sind damit besser vor Verletzungen geschützt", sagt Eckart Uhlmann vom TU-Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb und Leiter des IPK. Das Risiko für Komplikationen werde dadurch geringer.

Noch einen Schritt weiter geht ein neu entwickeltes mechatronische Assistenzsystem, das Instrumente elektronisch steuern kann. Nach der Markierung des kranken Gewebes legt der Chirurg im Computer millimetergenau den Bereich fest, in dem er arbeiten will. "Verlässt der Chirurg mit dem OP-Instrument, etwa einer Fräse, diesen Arbeitsbereich, wird das Instrument automatisch abgeschaltet", erklärt Martin Klein, leitender Oberarzt an der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Charité. Die Systeme werden derzeit in klinischen Studien an der Charité und am Universitätsklinikum Leipzig getestet. Die Marktreife wird bis Ende 2008 erwartet. Die Kosten für die Einführung dieser Technologien werden auf rund 50.000 bis 100.000 Euro geschätzt. Das speziell für die Zahnchirurgie entwickelte klinische Navigationssystem "Robodent" ist bereits zugelassen und mit 60 Geräten in privaten Praxen vertreten.

Doch die Technisierung der Medizin hat auch Grenzen und diese liegen in der Akzeptanz durch die Ärzte. "Der Chirurg lässt sich nicht gerne das Skalpell aus der Hand nehmen", sagt Uhlmann. Auch Oberarzt Klein kennt das Problem: "Ältere Chirurgen sind oft skeptisch und lehnen die Technologie gefühlsmäßig ab." Doch auch die Medizintechniker selbst wollen den Chirurgen nicht überflüssig machen. OP-Säle ohne Ärzte wird es Uhlmann zufolge nie geben. Expertise und Erfahrung eines guten Chirurgen hält er für unabdingbar. 

Stephan Struve

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