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Medizin: Ursachen für plötzlichen Herztod erforscht

Herzrhythmusstörungen sind eine häufige Todesursache. Der plötzliche Herztod ist eine Spezialform davon. Nun haben Forscher die Ursachen ergründet. Lassen sich damit die Risiken für Patienten minimieren?

Es ist ein Tod aus heiterem Himmel. Weil das Herz nicht mehr richtig schlägt und schließlich stehen bleibt, sacken die Betroffenen in sich zusammen. Oft ohne Warnzeichen, oft scheinbar gesunde Menschen. Etwa 100 000 Menschen erleiden jedes Jahr in Deutschland den plötzlichen Herztod. Bei der Suche nach den Ursachen haben Wissenschaftler nun zehn „Risikogene“ gefunden, die eine Rolle beim plötzlichen Herztod spielen können.

Ursache eines plötzlichen Herztods ist zu rund 80 Prozent ein Infarkt. Dabei verstopft ein Blutpfropf ein Herzkranzgefäß, also eine Schlagader, die das Herz mit Blut versorgt. Meist bleibt das Herz nicht schlagartig stehen. Zunächst kommt es zu gefährlichen Rhythmusstörungen, die in der linken Herzkammer ihren Ursprung haben. Der normale Herzrhythmus wird über ein Geflecht von Nerven vorgegeben, die aus den Herzvorhöfen in die Herzkammern verlaufen. Entsteht der Rhythmus in der Kammer, besteht die Gefahr, dass dieses Herzrasen zu Herzflimmern wird und der Pumpmuskel schließlich ganz stehen bleibt.

Seit langem erforschen Herzspezialisten, wie man Patienten herausfinden kann, die ein Risiko für diese gefährlichen Rhythmusstörungen und damit für den plötzlichen Herztod in sich tragen. Bis heute ist dabei die Herzstromkurve, das EKG, das wichtigste Instrument. Es gibt Informationen über den Herzrhythmus und den Ablauf der bioelektrischen Erregung des Herzmuskels.

Ein wichtiger Messwert ist das QT-Intervall. Es beschreibt die Zeit, die zwischen dem Beginn der elektrischen Erregung der Herzkammern (Q-Zacke im EKG) und der Rückbildung dieses Impulses (T-Zacke) vergeht. Ähnlich wie eine Welle, die auf den Strand zu- und wieder zurückläuft. Ein verlängertes QT-Intervall erhöht das Risiko, dass in der Phase der Rückbildung – die Welle zieht sich ins Meer zurück – ein Extraschlag einsetzt, der zu gefährlichem Herzrasen führt.

Schon länger weiß man, dass es Familien gibt, in denen aufgrund eines seltenen genetischen Defekts ein angeborenes QT-Syndrom auftritt. „Etwa einer von 2000 Menschen ist davon betroffen“, sagt der Humangenetiker Arne Pfeufer vom Helmholtz-Zentrum München. Pfeufer leitete eine der beiden Studien, mit denen nun nach Risikogenen für ein verlängertes QT-Intervall gesucht wurde. Dabei ging es den Wissenschaftlern nicht um die eher seltenen Ein-Gen-Krankheiten, sondern um häufige Spielarten von Erbanlagen, die zu einer verzögerten Rückbildung der elektrischen Erregung im Herzmuskel führen. Dabei ist klar: „Das“ Herztod-Gen gibt es nicht. Sondern nur etliche genetische Varianten, die im Zusammenspiel das Risiko erhöhen oder verringern.

Gemeinsam mit einem deutsch-amerikanischen Forscherteam durchforstete Pfeufer das Erbgut von rund 16 000 Europäern nach Gen-Varianten, die das QT-Intervall verlängern. Dabei wurde er an zehn Stellen im Genom fündig. Die Ergebnisse wurden zeitgleich mit denen eines weiteren internationalen Forscherteams in der Online-Ausgabe des Fachblatts „Nature Genetics“ veröffentlicht. Dieses Team unter Leitung von Christopher Newton-Cheh von der Harvard-Universität untersuchte knapp 14 000 Erbgutsätze und fand ebenfalls zehn auffällige Abschnitte im Erbgut.

Die Ergebnisse der beiden Teams decken sich weitgehend – ein Indiz dafür, dass man tatsächlich so etwas wie die Nadel im Heuhaufen gefunden hat, nämlich unter Tausenden von Erbanlagen einige echte „Verdächtige“. Allerdings ist der Einfluss der nun gefundenen Gene auf das QT-Intervall nicht allzu groß. Die Wissenschaftler schätzen, dass er zwischen drei und sechs Prozent der Schwankung des QT-Intervalls erklären kann.

Jetzt sollen weitere Studien klären, ob ein Zusammenhang zwischen den verdächtigen Genen und dem plötzlichen Herztod besteht. Aber bis es so weit ist, wird noch einige Zeit ins Land gehen. Bislang können Studien wie die von Pfeufer und Newton-Cheh also das Herztod-Risiko nicht verringern. Dafür ist es einfach noch zu früh.

„Wir ziehen genetische Informationen bislang kaum heran“, sagt Michael Oeff, Spezialist für Herzrhythmusstörungen am Klinikum Brandenburg. Bei der Suche nach Patienten, die durch einen plötzlichen Herztod gefährdet sind, sind andere Gesichtspunkte von viel größerer Bedeutung. Da sind jene Menschen, die ein auffälliges EKG haben – etwa mit langem QT-Zeitraum –, oder jene mit Neigung zu Rhythmusstörungen.

Auch Menschen, die schon einmal einen Herzstillstand überlebt haben, gehören dazu. Und schließlich Patienten, bei denen die linke Herzkammer nicht mehr richtig funktioniert und es deshalb nicht schafft, mehr als 30 Prozent des Blutes in den Kreislauf zu drücken. Ein normaler Wert liegt doppelt so hoch oder noch darüber. Um dem drohenden Herztod vorzubeugen, bekommen viele dieser Patienten einen Defibrillator eingesetzt. Das ist ein Gerät, dass ähnlich wie ein Herzschrittmacher funktioniert. Während ein Schrittmacher allerdings einem langsamen Herz auf die Sprünge hilft, beendet ein Defibrillator gefährliches Herzrasen mit gezielten Stromstößen. Auf diese Weise wird das Herz wieder in den richtigen Takt gebracht. Mit oder ohne genetischem Risiko.

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