zum Hauptinhalt
Feindbild. Mit Masken von Bildungsministerin Schavan und NRW-Wissenschaftsminister Pinkwart protestieren Studenten in Köln.

© dpa

Stipendienprogramm NaStip: Mehr als ein Taschengeld

Das neue Nationale Stipendienprogramm (NaStip) hat eine große Debatte über die Gerechtigkeit der Studienfinanzierung in Deutschland ausgelöst. Ist das NaStip gerecht und welche Alternativen gibt es?

Das NaStip
Die Regierung will in Zukunft nicht mehr nur zwei Prozent der besonders begabten Studierenden fördern, sondern zehn Prozent. Ein Stipendiat soll mit dem NaStip monatlich 300 Euro bekommen, die Hälfte von Bund und Ländern, die andere Hälfte von einem Unternehmen. Die Stipendien werden nicht nach dem Einkommen der Eltern, sondern nach Leistung verteilt. Berücksichtigt werden sollen aber außerdem gesellschaftliches Engagement oder besondere soziale Umstände, etwa ein Migrationshintergrund. Vom Wintersemester an sollen Stipendien vergeben werden. Wie viele, hängt davon ab, wie schnell die Hochschulen private Mittel auftreiben und wie schnell sie die Auswahlverfahren organisieren. Nach Angaben des Bundesbildungsministeriums hat der Bund bereits Geld für 20 000 Stipendien bereitgestellt. Ist das NaStip-System voll ausgebaut, kostet es den Staat jährlich 300 Millionen Euro. „Besonderes Engagement in der Ausbildung soll honoriert werden“, sagt Bundesbildungsministerin Annette Schavan über das NaStip.

Kritik am NaStip
Die Opposition sieht im NaStip ein „Taschengeld für die Elite“, weil es durchaus unabhängig vom Einkommen der Eltern bezahlt werden soll. Wirtschaftsschwache Länder, zumal im Osten, fürchten, dass sie nicht genug Sponsoren auftreiben können. Der BDA findet den neuen Ansatz zwar sehr gut. Doch stört die Arbeitgeber, dass die privaten Sponsoren nur die Fachrichtung ihres Stipendiums bestimmen dürfen, aber selbst am Auswahlverfahren der Stipendiaten nicht beteiligt sein sollen. Die Hochschulen wiederum treibt die Sorge um, dass ihnen durch die Stipendien ein teurer neuer Verwaltungsaufwand entsteht.

Margret Wintermantel, die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), verweist auf Großbritannien. Dort verbrauche die Verwaltung der Stipendien ein zusätzliches Drittel der Kosten, die für die Stipendien selbst ausgegeben werden. Schon das nordrhein-westfälische Stipendienprogramm bedeute einen „enormen Verwaltungsaufwand“, erklärt eine Sprecherin der Universität Duisburg-Essen. Mit den bislang 150 Stipendiaten, einem Anteil von 0,5 Prozent der dortigen Studierenden, sei eine Verwaltungskraft auf einer halben Stelle beschäftigt, das bundesweite Programm würde eine Verdreifachung des Aufwandes bedeuten. Die Freie Universität Berlin kann sich zusätzliche Stellen kaum leisten, sagt deren amtierende Präsidentin Ursula Lehmkuhl. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) erklärte am Mittwoch in der Fragestunde des Bundestages allerdings, die Hochschulen sollten einen Ausgleich für die Verwaltungskosten erhalten.

Was Stipendiaten sagen

Studierende, die von den elf Begabtenförderungswerken unterstützt werden, protestieren – obwohl sie selber profitieren. Denn zeitgleich mit der Einführung der nationalen Stipendien soll auch das Büchergeld für die Alt-Stipendiaten von 80 auf 300 Euro steigen, was einer Erhöhung um 275 Prozent entspricht. Doch anstatt sich zu freuen, unterzeichneten 3717 Stipendiaten aller Begabtenförderungswerke eine Petition an Schavan, sie solle ihre Pläne dringend ändern. Die neuen nationalen Stipendien würden „nicht zu einem Abbau der sozialen Schieflage“ im Bildungssystem beitragen. Das Büchergeld solle nur „moderat“ erhöht werden. Im Internetforum der Studienstiftung des deutschen Volkes werden die Gegner allerdings auch angegriffen. Viele Studienstiftler könnten das zusätzliche Geld gut gebrauchen. Auch die Abhängigkeit von den Eltern berge Gefahren: Viele Eltern würden weniger als den gesetzlichen Unterhalt zahlen. „Eine Klage gegen die eigenen Eltern zieht aber wohl kaum ein Kind in Betracht“, kommentiert eine Studentin.

Das Bafög

Alle Oppositionsparteien wollen statt des NaStips lieber mehr Geld für das Bafög. Das Bafög ist ein zinsloses Darlehen, die Schulden sind bei 10 000 Euro gedeckelt. Während die Zahlung des NaStips von der Liquidität des privaten Sponsors abhängt, besteht beim Bafög (abhängig vom Familieneinkommen) ein Rechtsanspruch. Zurzeit bekommen in Deutschland 17 Prozent aller Studierenden, also 330 000, Bafög. Der Höchstsatz, den etwa jeder zweite Bafög-Empfänger bekommt, beträgt nach der jetzt beschlossenen zweiprozentigen Erhöhung 670 Euro. Die Bundesregierung hebt auch die Freibeträge noch einmal um drei Prozent an. Das dürfte den Kreis der Geförderten aber wohl kaum ausweiten, sondern gerade mal konstant halten, heißt es aus der SPD. Denn steigen die Einkommen der Eltern durch neue Tarifabschlüsse, fallen sofort viele Familien aus der Bafög-Förderung. Die jetzige Erhöhung der Freibeträge soll das verhindern. Die SPD will eine weitere zehnprozentige Erhöhung der Freibeträge. Dann könnten 100 000 mehr Studierende Bafög bekommen.

Studienkredite

Als Alternative zum Bafög können Studierende auch einen Studienkredit aufnehmen, etwa von der staatlichen KfW-Bankengruppe. Wer damit seine monatlichen Lebenshaltungskosten deckt, kommt allerdings leicht auf mehrere zehntausend Euro Schulden am Ende des Studiums – die Banken schlagen auf die geborgte Summe hohe Zinsen.

Ideen aus dem im Ausland

In einigen europäischen Ländern zahlt der Staat allen Studierenden ein Grundeinkommen. In Finnland etwa bekommen alle Studierenden 260 Euro im Monat. Der Staat übernimmt zudem in der Regel achtzig Prozent der Miete. Aber auch in den Niederlanden bekommen Studenten derzeit knapp 260 Euro im Monat, wenn sie nicht mehr bei ihren Eltern wohnen. Studierende aus ärmeren Elternhäusern erhalten zusätzlich bis zu 231 Euro, also insgesamt fast 500 Euro. Das Geld müssen die Studierenden nur dann zurückzahlen, wenn sie nicht binnen zehn Jahren ihren Abschluss schaffen. Allerdings setzte die Regierung in den vergangenen Jahren die Sätze sukzessive herunter, weil ihr das Studenten-Grundeinkommen zu teuer wurde. Auch wird ein Teil des Geldes von Gebühren aufgefressen: Unis nehmen derzeit bis zu 1600 Euro im Jahr. Weil die Studienfinanzierung erneut beschnitten werden soll – die Regierung will so eine Milliarde Euro sparen –, gingen Anfang des Jahres tausende holländische Studierende auf die Straße.

Jedem Studierenden ein Einkommen

Auch in der deutschen Politik kommt immer wieder der Wunsch auf, alle Studierenden unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern finanziell auf eigene Füße zu stellen. Zuletzt haben die Grünen ein solches Modell vorgeschlagen. Jeder Studierende soll monatlich 200 Euro erhalten. Studenten aus einkommensschwachen Familien sollten zusätzlich 260 Euro, ein Wohngeld von maximal 272 Euro sowie den Krankenkassenbeitrag von 66 Euro bekommen. Insgesamt wären das 798 Euro pro Monat. Das Geld soll aus dem Bafög, dem Kindergeld, Steuererleichterungen für Familien und anderen Posten aus dem Familienleistungsausgleich kommen, die wegfallen würden. Die zusätzlichen Leistungen für Einkommensschwache könnten bis zu 3,5 Milliarden Euro jährlich kosten.

Ähnliche Modelle hatten Ende der 90er Jahre die SPD und die FDP vorgeschlagen. Die Studienfinanzierung sollte nach einem Drei-Körbe-Prinzip gestaffelt sein: Die FDP forderte, alle Studierenden sollten ein Ausbildungsgeld von umgerechnet 250 Euro bekommen, nach sozialen Kriterien sollte es einen Aufschlag von 175 Euro geben sowie ein zusätzliches zinsloses Darlehen von bis zu 375 Euro pro Monat. Im SPD-Modell war ein Grundbetrag für alle von 200 Euro und für die Bedürftigen eine Mischförderung aus nicht zurückzahlbarem Zuschuss und einem unverzinslichen Darlehen von monatlich 375 Euro geplant. Aus dem „dritten Korb“ sollte eine Studienabschlussfinanzierung für diejenigen kommen, die ihre Studien nicht in der Regelstudienzeit abschließen konnten. Im Januar 2000 legte allerdings Bundeskanzler Schröder ein Veto gegen das Drei-Körbe-Modell ein – zugunsten einer Bafög-Erhöhung.

Das Deutsche Studentenwerk hält solche Modelle ohnehin für unrealistisch. Die unterschiedlichen Leistungen in einer Förderung zusammenzuführen, würde viele Jahre dauern, sagt Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde. Er hält den Ausbau des Bafög noch immer für den besten Weg.

Kommt das NaStip wirklich?

Sollte die Regierung in NRW im Mai abgewählt werden, kann das NaStip-Gesetz im Juli im Bundesrat scheitern. Dann könnte der Bundestag den Vermittlungsausschuss anrufen. Wären die Länder kompromissbereit, könnten sie zusätzliche Bedingungen formulieren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false