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Umstritten. Eine Simulation des Gehirns im Computer halten viele Forscher für unmöglich. Trotzdem könnten neue IT-Plattformen der Neurowissenschaft nützen. Und das Hirn könnte Vorbild für neue Arten von Chips sein.

© Forschungszentrum Jülich

Meuterei auf dem EU-Flaggschiff: "Human Brain Project" soll demokratischer werden

Größenwahnsinnig, zum Scheitern verurteilt, Geldverschwendung - so beschrieben viele europäische Neurowissenschaftler bisher das "Human Brain Project". Nun soll das EU-Flaggschiff mit neuer Führung wieder auf Kurs gebracht werden.

Es war eine einzigartige Revolte. Wenn sich undurchsichtige Entscheidungsprozesse und wissenschaftliche Ausrichtung nicht grundlegend änderten, wollten fast 800 Neurowissenschaftler nichts mehr mit dem „Human Brain Project“ zu tun haben, schrieben sie im Sommer 2014 in einem Brief an die Europäische Kommission. Größenwahn, Geldverschwendung, zum Scheitern verurteilt – das waren die Worte, mit denen zornige Forscher das Milliardenprojekt beschrieben. Umstritten war insbesondere das Triumvirat um den charismatischen Henry Markram an der Spitze des EU-Flaggschiffs.

Der Protest fand Gehör, sowohl bei der EU als auch bei einem Mediationsgremium – 30 internationalen Experten, angeführt von Wolfgang Marquardt, dem Direktor des Forschungszentrums Jülich. Das Projekt müsse demokratisiert werden und sollte sich hüten, unrealistische Erwartungen zu wecken, darin sind sich EU-Gutachter und Mediatoren einig.

Gewaltenteilung und gegenseitige Kontrolle sollten institutionalisiert werden, schreiben die Schlichter. Forschung, Projektmanagement und -überwachung sowie Richtungsentscheidungen sollten klar getrennt sein. Langfristig sollte das Management an eine unabhängige, neu geschaffene Organisation übertragen werden. Entscheidungsprozesse innerhalb des Human Brain Projects sollten einfach, fair und transparent sein, mahnen auch die EU-Gutachter.

Nach dem Rauswurf im letzten Jahr soll die kognitive Neurowissenschaft wieder integriert werden – in Querschnittsprojekten, die existierende Projektsäulen verbinden, meinen die Schlichter. An sie sollten 10 Prozent des Budgets fließen, bestätigen die EU-Gutachter. Ohnehin müsse die interne Zusammenarbeit verbessert werden, damit zum Beispiel die neuen IT-Plattformen für Neurowissenschaft und klinische Neurologie nicht an den Erfordernissen in Praxis und Forschung vorbeigehen. Außenstehenden Wissenschaftlern müsse es ebenfalls möglich sein, in eine offene Debatte einzusteigen, sodass technisch erreichbare Ziele besser eingegrenzt werden können.

Beide Gutachten betonen, dass das Human Brain Project einen konstruktiven Dialog mit der Wissenschaft und der Öffentlichkeit braucht – und keine vagen Versprechungen. Der komplette Schlichterbericht wird am 18. März veröffentlicht, nachdem das Direktorium des Projekts die Inhalte diskutiert hat. Eine Neuerung gab es bereits: Das autokratische Exekutivkomitee um Markram ist seit Ende letzter Woche entmachtet, stattdessen trifft nun das 22-köpfige Direktorium alle wichtigen Entscheidungen.

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