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Das Enzym Fanzor, wie es Erbgut (blau-rote Helix) schneidet.

© MIT/Zhang lab

Neue Genschere entdeckt: Nach „Crispr“ nun „Fanzor“

Die Entdeckung der Genschere „Crispr/Cas-9“ in Bakterien hat die Genforschung revolutioniert. Jetzt hat einer der Mitentwickler einen neuen, womöglich besseren Erbgut-Cutter entdeckt: in Pilzen, Pflanzen und Tieren.

Einen Nobelpreis bekam Feng Zhang 2020 für seine Rolle bei der Entdeckung und Entwicklung der Gen-Schere „Crispr/Cas-9“ nicht. Dem Schaffensdrang des „Biotech-Wunderkindes“ tat das keinen Abbruch. Dennoch wirkt seine jüngste Entdeckung wie eine Botschaft in Richtung Nobelpreiskomitee: Schaut her, was ich hier gefunden habe! Eine neue Gen-Schere, aber nicht eine, die aus einem Bakterium kommt und Menschenzellen fremd ist, sondern eine, die natürlicherweise im Pilz-, Pflanzen- und Tierreich vorkommt.

Es war vor allem Zhang – schon im Alter von gerade 30 Jahren Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA – der die im Bakterium Streptococcus pyogenes entdeckte Crispr-Technik so modifizierte, dass sie in menschlichen Zellen funktionierte. Erst seitdem kommt Crispr für Gentherapien infrage.

Besser als Crispr?

Parallel durchsuchte Zhang jedoch seit Jahren Pilze, Pflanzen und Tiere nach ähnlichen, erbgutschneidenden Enzymen: „Was gibt es jenseits von Crispr?“ Nun wurde der Chemiker, Physiker und Neurowissenschaftler fündig, wie er im Fachblatt „Nature“ schreibt: „Fanzor“ ist ein Protein, das mithilfe einer Art Navi, einem RNA-Molekül, zielgenau an die Stelle im Erbgut gelotst werden kann, wo es das Erbgut schneiden soll. Im Grunde genau wie Crispr-Cas9, nur stammt das Fanzor-Enzym eben aus Zellen mit einem Kern, also evolutionsbiologisch moderneren, dem Menschen ähnlicheren Spezies.

Die Genschere „Fanzor“ kommt auch in Tieren, etwa Venusmuscheln, vor.

© IMAGO/Design Pics/IMAGO/Karen Sarraga

„Dieses neue System ist eine weitere Möglichkeit, präzise Veränderungen in menschlichen Zellen vorzunehmen, und ergänzt die bereits vorhandenen Genom-Editing-Tools“, wird Zhang in einer Mitteilung des MIT zitiert. Die Hoffnung ist, dass Fanzor leichter in menschliche Zellen geschleust werden könnte als Crispr, um dort therapeutisch wirksam zu werden.

Auch Fanzor hat Vorläufer in Bakterien: Dort schneiden sehr ähnliche Omega-Proteine unter bestimmten Umständen DNA-Stücke aus dem Erbgut und setzen sie anderswo wieder ein – das Phänomen der springenden Gene. Fanzor-Enzyme fanden Zhang und sein Team am Broad Institute in Cambridge zunächst in Algen, Amöben, Pilzen und einer Venusmuschel. Nie zuvor wurde ein derartiger Erbgut-schneidender Mechanismus in einem Tier entdeckt.

Ein uralter Mechanismus

Vermutlich, so Zhangs Team, stammen die Fanzor-Genscheren auch ursprünglich aus Bakterien. Offenbar gerieten die „springenden Gene“ aus den Bakterien irgendwann auch ins Erbgut tierischer Zellen. Das Omega/Fanzor-System sei in der Evolution sogar früher entstanden als Crispr , so die MIT-Forscher, und war wohl in der Lage, zwischen Prokaryoten (Bakterien) und Eukaryoten (Tiere, Pflanzen, Pilze) hin und her zu „springen“.

Fanzor ist in der Lage, DNA-Stücke aus menschlichem Erbgut herauszuschneiden oder sie einzusetzen. Zwar scheint es dabei weniger effektiv zu sein als Crispr. Zhangs Team konnte die Genschere aber bereits so optimieren, dass sie zehnfach effektiver arbeitet. Besonders interessant scheint ein Fanzor-Enzym aus einem Pilz zu sein. Während Crispr und auch andere Gen-Scheren mitunter „daneben“ schneiden, also nicht nur das gewünschte Ziel im Erbgut zerschnippeln, zeigt diese Fanzor-Schere keine „Kollateral-Aktivität“, schreiben die Forscher. „Die Natur ist großartig“, sagt Zhang, „sie ist so vielseitig.“

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