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Martin Karplus ist einer der drei Preisträger des Nobelpreises für Chemie. Die mit acht Millionen schwedischen Kronen dotierte Auszeichnung teilt sich der Harvard-Professor für Chemie mit Arieh Warshel und Michael Levitt, ebenfallt US-Forscher.

© dpa

Nobelpreis für Chemie: Zwei Teams, bei denen die Chemie stimmt

Seine Erfahrung habe ihn geprägt, auch seine wissenschaftliche Arbeit, schreibt Martin Karplus in seiner Kurzbiographie. Zusammen mit Arieh Warshel und Michael Levitt teilt sich Karplus den Nobelpreis für Chemie. In zwei Teams haben sie Computermodelle entwickelt, die chemische Reaktionen simulieren.

Martin Karplus war wütend. Statt seinen Geburtstag zu feiern, saßen alle am 13. März 1938 im verdunkelten Wohnzimmer um ein Radio herum. Keiner beachtete den 8-Jährigen. Kurze Zeit später zog Hitler in Wien ein. Die jüdische Familie packte umgehend ihre Koffer und floh nach Zürich. Im Oktober kamen sie mit dem Schiff im Hafen von New York an und beobachteten, wie die Freiheitsstatue aus dem Nebel auftauchte.

Die Erfahrung habe ihn geprägt, auch seine wissenschaftliche Arbeit, schreibt Karplus in seiner Kurzbiographie. Es wurde für ihn selbstverständlich, Bekanntes immer wieder hinter sich zu lassen und sich auf Neues zu konzentrieren – von der Biologie, zur theoretischen Chemie und zurück zur Biologie.

Diese intellektuelle Beweglichkeit ermöglichte die Leistungen, die nun mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurden. Er teilt sich den Preis mit Arieh Warshel und Michael Levitt. In zwei Teams haben sie Computermodelle entwickelt, die chemische Reaktionen simulieren. Alle drei leben und forschen in den USA und haben eine doppelte Staatsbürgerschaft.

Nach dem Studium an der Universität Harvard schloss sich Karplus – auf den Rat von Oppenheimer, mit dem sein Bruder zusammenarbeitete – am Caltech der Gruppe von Max Delbrück und später von Linus Pauling an. Er interessierte sich zunächst für das Sehen, wandte sich aber bald der theoretischen Chemie und der Welt der Quanten zu. Nach Stationen an den Universitäten Oxford, Illinois und der Columbia, kehrte er 1965 nach Harvard zurück. Ein zweites Standbein wurde für ihn Frankreich; Österreich kam für ihn nicht infrage. Er erfuhr erst vor etwa acht Jahren, dass er noch immer Staatsbürger ist.

Er hatte bereits Computerprogramme entwickelt, die mithilfe von Quantenphysik chemische Reaktionen simulieren, als er 1969 einen Forschungsaufenthalt am Weizmann-Institut in Rehovot, Israel, antrat. Dort traf er auf Arieh Warshel. Der 1940 in einem Kibbuz geborene Biochemiker schrieb gerade seine Doktorarbeit. Die Chemie stimmte, es begann eine Zusammenarbeit, die nun mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Am Weizmann-Institut und in Harvard entwickelten sie ein Programm, das Retinal modellierte. Der Stoff in den Stäbchen der Netzhaut spielt eine große Rolle dabei, die Signalkaskade zum Sehnerv und damit zum Gehirn freizusetzen. Warshel forscht mittlerweile seit 1976 an der Universität von Südkalifornien in Los Angeles.

Der dritte Nobelpreisträger ist Michael Levitt von der Universität Stanford. Der in Südafrika geborene Brite schloss 1971 seine Doktorarbeit an der Universität Cambridge ab und arbeitete danach ebenfalls zwei Jahre am Weizmann-Institut. Dort lernte er Warshel kennen. Als er 1974 nach Cambridge zurückkehrte, folgte ihm Warshel. Gemeinsam erarbeiteten sie ein Computerprogramm, mit dem man nicht nur die Struktur von Biomolekülen wie Enzymen simulieren konnte, sondern auch ihre Reaktionen. Das Ergebnis war revolutionär, denn es war auf jedes Molekül im Körper anwendbar. Selbst wenn kein Experiment zeigen konnte, wie die Struktur eines Eiweißes seine Funktion beeinflusst – der Computer konnte es.

Der Nobelpreis ist mit acht Millionen schwedischen Kronen (918 000 Euro) dotiert. Er wird in gleichen Teilen an die drei Preisträger ausgezahlt.

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