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Forscher

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Open Access: Befreit forschen

Direkter Zugriff auf Daten: Warum kostenfreie Inhalte im Internet für die Wissenschaft unverzichtbar sind.

„Eine Sekunde nachdem mein Text bei uns erschienen ist, steht er bei Google“, sagt Thomas L. Friedmann, dreifacher Pulitzer-Preisträger und Autor der „New York Times“, im „Spiegel“-Interview, und weiter: „Die einen Leser zahlen für meine Leistung und gelten als altmodisch, die anderen zahlen nicht und gelten als die Zukunft. Was hätten wir anders machen sollen? Keine Ahnung.“ Auf die Frage, ob es in 30 Jahren noch gedruckte Zeitungen geben wird: „Nein, wir werden Kindles haben, also Lesegeräte, wie bei Büchern.“

Es geht hier nicht darum, ob Veränderungen dieser Art gut oder schlecht sind. Sie geschehen einfach. Wesentliche Ursachen dieser Veränderungen sind neue Technologien und der Umgang damit. Im Bereich der Kommunikation sind besonders zu nennen die rapide Entwicklung des Internets, des Webs und der Suchmaschinen, allen voran Google.

Im September 1998 nahm Google in einer Garage seine Arbeit auf, heute betreibt Google einen über die ganze Welt verteilten Komplex von Rechnerfarmen von rund einer Million PCs, die auf einen verteilten Speicher zugreifen, der über eine Billiarde unterschiedliche Adressen im Internet (Uniform Resource Locator; URL) enthält. Dieser Artikel mag wie eine Reklame für Google aussehen. Das ist er nicht. Die Konkurrenz wie Yahoo, Microsoft, etc... ist jedoch im Bereich des Publizierens und Suchens von Google abgehängt worden. Google ist ein „Hot-House“ für Web-Applikationen, das von Beginn an mit seinen Innovationen den Bereich des Publizierens tangierte und auch das, was wir heute unter Open Access verstehen, immer wieder erweiterte und erneuerte.

Unter Open Access versteht man die Bereitstellung von wissenschaftlicher Literatur, sodass jede Person jederzeit von überall über das Internet entgeltfrei Zugriff darauf hat. Aktuell wird diskutiert, ob neben Publikationen auch wissenschaftlich relevante Messdaten, Computerprogramme, Fotografien, Bilder und andere Materialien verfügbar gemacht werden sollen. Forderungen nach Open Access auf wissenschaftliche Veröffentlichungen finden sich etwa in der Erklärung der Budapest Open-Access-Initiative und der Berlin Declaration. Die Berlin-Brandenburgische Akademie, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und viele andere haben die Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen unterzeichnet. Die DFG hat Open Access in ihrer Förderpolitik verankert. Die Max- Planck-Gesellschaft sieht sich als führende Unterstützerin von Open Access mit dem Ziel „einer umfassenden und interaktiven Repräsentation des menschlichen Wissens, einschließlich des kulturellen Erbes, bei gleichzeitiger Gewährleistung eines weltweiten Zugangs“.

Der Prozess der Open-Access-Bereitstellung ist schwieriger, als sich das die Protagonisten (auch wir) vorgestellt haben. Neben technischen Problemen sind vielfältige rechtliche und ökonomische Aspekte zu betrachten (Copyright!). Unterschiedliche Fachkulturen spielen dabei auch eine große Rolle. Und es gibt Vorbehalte bezüglich der Qualität und Authentizität von Open-Access-Publikationen und der Zitierfähigkeit. Vorbehalte kommen besonders von denen, die befürchten, durch Open Access ihre Position im Publikationsgeschäft zu verlieren. Dabei werden geflissentlich die Fortschritte übersehen, die Open Access bringt: sehr schnelle Auffindbarkeit durch Suchmaschinen, permanente globale Verfügbarkeit, durchgängige Vernetzbarkeit mit anderen Publikationen und Daten und damit insgesamt die Möglichkeit einer enormen Beschleunigung und Qualitätssteigerung der wissenschaftlichen Arbeit zu geringen Kosten.

Selten erwähnt wird die engere Verknüpfung der wissenschaftlichen Gemeinschaft durch die Bildung von Forschungsnetzwerken im Internet. Und manchmal liegen Kritiker des Open Access in ihrer Argumentation so schief, dass es einem die Sprache verschlägt. „Nichts verstanden!“, möchte man etwa Roland Reuß, dem Autor des Heidelberger Appells, zurufen. Dessen pauschale Verurteilung von Open Access verkennt, was die Bewegung für die Wissenschaft leisten kann.

Der 2004 eingeführte Dienst Google-Scholar für wissenschaftliche Literatur, Bücher, Artikel, Preprints und Reports wurde in der Open-Access-Gemeinde enthusiastisch begrüßt. Endlich konnten Publikationen, die im Netz bereitgestellt worden waren, in einer übergreifenden Volltextsuche lokalisiert werden. Google-Scholar gab der Open-Access-Bewegung starke Impulse, denn hinfort schien es zu genügen, eigene Dokumente in Open-Access-Servern ins Web zu stellen. Inzwischen indexiert Google-Scholar auch Server bedeutender Wissenschaftsverlage, was deren Stellung in der Publikationswelt außerordentlich stärkt (direkter Zugriff, direkte Lieferung). OPACs und Online-Archive lassen sich bei Google-Scholar integrieren.

Die Google-Buchsuche ist die umstrittenste Neuerung von Google. Hier arbeiten bedeutende Bibliotheken mit Google zusammen, um ihre Bestände einzuscannen und ins Web zu stellen. Ohne näher auf alles, was die Buchsuche liefern kann, einzugehen, empfehlen wir die Google-Suche nach „Auf den Spuren von Johann Wolfgang von Goethe“. Folgen Sie dort auch den Links zu You Tube, zu Google Maps und den Bildern zu Goethe-Themen mit der Google-Bildsuche!

Google Maps wird heute in der Wissenschaft intensiv genutzt, etwa um regionale Zusammenhänge zu verdeutlichen. Verstreut operierende Gruppen wie die des Deutschen Archäologischen Instituts erhalten damit die Möglichkeit, ihre Einsatzgebiete auf Karten zu markieren und so eine grafisch geschlossene Darstellung ihrer Aktivitäten auf ihrer Homepage anzubieten – mit kommentierten Reiseberichten und -routen, Fotografien und Videos aus dem Umfeld der jeweiligen Arbeitsorte, mit Originaldokumenten bis hin zu 3D-Scans von Monumenten.

Google Earth wird die Grundlage für das Digitale Museum der Welt sein. Schon heute bietet es faszinierende Einblicke – seit 2009 sogar unter Wasser. Wir empfehlen als Beispiel „Das alte Rom in 3D“ (bitte dabei auch „3D-Gebäude“ und andere Ebenen aktivieren). Meisterwerke von Velazquez, Rembrandt oder Goya können mit Google Earth im Prado-Museum in Madrid angeflogen werden. Eine einfache Anleitung dazu findet sich in den Official Google Blogs. Warum sollten sich nicht noch mehr Arbeitsgruppen und kooperative Museumsprojekte dieser attraktiven Möglichkeiten bedienen?

Videos bei YouTube hochzuladen galt in der Wissenschaft noch vor Kurzem als unfein. Heute ist You Tube etabliert, als Instrument, Multimedia-Information global und lokal zu verbreiten. Die OpenCourse-Ware des MIT und seiner Partner (mit Audio- und Video- Kursen zum Teil auf You Tube) erreicht Nutzer selbst in Afrika, da die Audiobänder und Filme auch bei langsamen Netzverbindungen heruntergeladen werden können.

Heute kann jede thematisch fokussierte Gruppe einen eigenen Google-Index definieren. Bei der „benutzerdefinierten Google Suche BETA“ braucht man dazu nur die Liste der infrage kommenden URLs einzugeben. Die benutzerdefinierte Google-Suche arbeitet mit Volltextindex und Page Ranking, wie man es von der „großen Google-Suche“ kennt. Hierzu zwei Beispiele: Google Curriculum Search erschließt Curricula aus der Computer Science. Sie ist in Kollaboration zwischen Google und seinen akademischen Partnern entstanden und verlinkt zu Google Scholar – eine Kombination, die ein starkes Werkzeug für die Forschung ergibt.

Martin Grötschel ist Mathematik-Professor an der TU Berlin und Vizepräsident des Konrad-Zuse-Zentrums (ZIB). Joachim Lügger ist Leiter der Abteilung Wissenschaftliche Informationssysteme des ZIB. Ihr Artikel basiert auf einem Beitrag in der Zeitschrift „Gegenworte“ (Thema: „Die Wissenschaft geht ins Netz“), die am 15. Juni im Akademie-Verlag erscheint. Online-Version unter: http://opus.kobv.de/zib/volltexte/2009/1170/

Martin Grötschel, Joachim Lügger

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