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Preisträger. Der Diabetes-Forscher Matthias Tschöp.

© Paul-Martini-Stiftung

Paul-Martini-Preis: Den Zucker bezwingen

Matthias Tschöp will Diabetes nicht nur in Schach halten, sondern heilen. Für seine Forschung bekommt er nun den Paul-Martini-Preis 2014.

Seine Vision ist es, Diabetes mit Pillen oder Spritzen zu verhindern, zu stoppen oder sogar zu heilen. Nicht nur in Schach zu halten, wie es bereits möglich ist. Für seine Forschung, die dieses Ziel etwas näherrücken ließ, bekommt Matthias Tschöp am heutigen Montag den mit 25 000 Euro dotierten Preis der Paul-Martini-Stiftung – während des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Wiesbaden.

Tschöp, der erst an der Uniklinik München, dann in den USA und für kurze Zeit am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke forschte, war 2011 der erste Mediziner, dem die Alexander-von-Humboldt-Professur zugesprochen wurde. Heute ist er Leiter des Instituts für Diabetes und Adipositas der Helmholtz-Gemeinschaft in München, an der dortigen Technischen Universität hat er zugleich einen Lehrstuhl für Stoffwechselerkrankungen.

Der Zusammenhang zwischen Übergewicht und „Zucker“ fasziniert Tschöp seit rund 20 Jahren – damals wurde das körpereigene Fettgewebe als Stoffwechselorgan entdeckt. Es begann mit den Hormonen Leptin und später Ghrelin, die, beide auf ihre Art, Hunger und Appetit beeinflussen. „Zu der Zeit gab es viel Aufregung und die Hoffnung, mit einem dieser Faktoren Diabetes vom Typ II und Adipositas auszurotten“, berichtete Tschöp auf einem Workshop der Stiftung in Berlin.

Diabetes lässt sich nicht so einfach besiegen

Inzwischen ist klar, dass die Wege zum Ziel deutlich verschlungener sind. Tschöps Arbeitsgruppe treibt allerdings weiter die Hoffnung an, wichtige Signalwege so zu manipulieren, dass bei Übergewichtigen der Appetit gehemmt und die Verbrennung von Kalorien gefördert wird. Zusammen mit dem amerikanischen Chemiker Richard DiMarchi hat er an genetisch veränderten Mäusen bereits viele Substanzen getestet, die Stoffwechselvorgänge beeinflussen könnten. Ein Weg besteht darin, bestimmte Hormone mit dem Peptid GLP-1 in den Körper einzuschleusen. Synthetisch hergestellte Nachahmer dieses nach dem Essen freigesetzten Darmhormons gehören zu den neuen Medikamenten gegen Diabetes.

Vor eineinhalb Jahren berichtete Tschöp im Fachblatt „Nature Medicine“ über eine trickreiche Koppelung des Peptids mit dem weiblichen Geschlechtshormon Östrogen. Versuchstieren halfen die Spritzen gegen krankhaftes Übergewicht, erhöhte Blutzuckerwerte und eine Störung des Fettstoffwechsels. „Sie scheinen die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse zu schützen“, sagte er. Der Vorteil der stabilen Kombination: Östrogen wird nur dort freigesetzt, wo Zellen Andockstellen für das Peptid GLP-1 haben, also zum Beispiel nicht im Gewebe der Brustdrüse, wo es das Krebsrisiko erhöhen könnte.

Dass es sich lohnt, dem Wechselspiel von Nahrungsbestandteilen mit den Zellen des Verdauungstrakts, mit Verdauungshormonen und Botenstoffen des Nervensystems nachzugehen, zeigt auch eine verblüffende, aber durchaus erwünschte „Nebenwirkung“ von Operationen gegen Fettleibigkeit: Ein Magen-„Bypass“ wirkt, wie man inzwischen weiß, nicht allein gegen Übergewicht, sondern auch gegen Diabetes. Und zwar schon bevor die Operierten abgenommen haben. Der Eingriff beeinflusst also auch den Stoffwechsel aus. Diese Nebenwirkung besser zu verstehen, kann im besten Fall bedeuten: sie ohne Operation mit unblutigen Mitteln zu erreichen.

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