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Seit 2009 darf die peruanische Polizei ihre Dienste an private Akteure wie Bergbauunternehmen verkaufen.

© dpa/Martin Mejia

Peruanische Polizei-Studenten an der FU: Weiterbildung trotz Menschenrechtsverletzungen?

Nach dem Sturz der Regierung in Peru Ende 2022 reagierte die Polizei mit tödlicher Gewalt auf Protest. Jetzt werden peruanische Polizei-Studenten an der FU empfangen. Ist das zu rechtfertigen?

Mindestens 60 Tote, 1200 zivile Verletzte und der Einsatz von Streumunition gegen Demonstrant:innen. Nachdem Perus linker Präsident Pedro Castillo im Dezember 2022 vom Parlament entmachtet wurde, ließ seine konservative Nachfolgerin Dina Boluarte den Protest der Zivilbevölkerung von der Polizei brutal niederschlagen. Amnesty International hat die Menschenrechtsverletzungen dokumentiert und fordert Konsequenzen für die beteiligten Behörden.

Warum empfängt das Lateinamerika-Institut (LAI) der FU Berlin angesichts dieser Geschehnisse eine Delegation der peruanischen Nationalpolizei? Am Montag sprechen die am LAI tätigen Politikwissenschaftler:innen Günther Maihold und Marianne Braig drei Stunden vor 70 peruanischen Polizei-Studenten über „Die Rückkehr der Söldner: die Privatisierung von Krieg und Sicherheit“.

Die ausnahmslos männlichen Polizei-Studenten, die für den gehobenen Dienst an der Katholischen Universität Peru (PUC) ausgebildet werden, befinden sich aktuell auf Europareise. Während ihres zweitägigen Berlin-Aufenthalts statten sie am Dienstag auch der Polizeiakademie in Spandau einen Besuch ab.

Zustande gekommen sei der Vortrag, weil man im Rahmen des Forschungs- und Ausbildungsprojekts „trandes“ mit der PUC zusammenarbeite, sagt Bettina Schorr, die das Projekt leitet. Wichtig ist ihr zu betonen, dass nicht die peruanische Polizei, sondern die PUC der Kooperationspartner im Rahmen des vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) finanzierten „trandes“-Projekts ist.

Im Vordergrund des Projekts stünde die Ausbildung von Student:innen und Forschung zu sozialer Ungleichheit und nachhaltiger Entwicklung sowie die innersüdamerikanische Vernetzung von Forschungseinrichtungen. Allerdings biete die PUC einen Masterstudiengang für die Polizei an. Anders als in Deutschland verfüge die peruanische Polizei nicht über eigene Akademie, sondern erwerbe an privaten Hochschulen Räume und Lehrpersonal für die Ausbildung des Nachwuchses. 

Was soll der Vortrag bezwecken?

Der Besuch der Polizisten am LAI sei vorher lange intern diskutiert worden. „Natürlich ist das für uns eine Gratwanderung. Durch den Vortrag und die anschließende Diskussion schaffen wir aber eine Plattform, um Menschenrechtsverletzungen anzusprechen. Wir werden gegenüber der Delegation betonen, dass international kritisch beäugt wird, was in den letzten Monaten in Peru passiert ist“, rechtfertigt Schorr die Zusage. 

Natürlich ist der Besuch für uns eine Gratwanderung.

Bettina Schorr, Direktorin des Projekts „trandes“ am Lateinamerika-Institut der FU Berlin

Zwar sei die Anzahl der in Berlin gastierenden Polizisten überschaubar, ihr künftiger Rang könne aber dafür sorgen, dass der Input am LAI mehr Polizist:innen erreiche als in Berlin anwesend sind: „Die Polizisten sind nicht die, die auf die Straße geschickt werden, um Proteste niederzuschlagen. Es sind die, die das im Zweifel befehlen. Wenn wir mit unseren kritischen Überlegungen ein paar der Polizisten zum Nachdenken bewegen können, dann wäre schon etwas gewonnen.“ Dennoch ist sich Schorr bewusst: „Natürlich verändert sich dadurch strukturell nichts, das ist klar.“

Dass der Titel „Die Rückkehr der Söldner: die Privatisierung von Krieg und Sicherheit“ den Anschein erweckt, dass nicht die Polizei, sondern private Akteure das Problem sind, sei ein Missverständnis. Vielmehr sei es die Polizei selbst, die ihre Mittel privatisiere und deswegen auch in dem Vortrag kritisiert werde.

„Seit 2009 kann die Nationalpolizei von privaten Akteuren für eigene Interessen engagiert werden, zum Beispiel von einem Bergbauunternehmen. Polizistinnen werden dann zu privaten Sicherheitskräften, die Minen schützen – auch gegen den Protest der Zivilbevölkerung. Da verschwimmen die Grenzen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren“, sagt Schorr. 

Wer sich selbst davon ein Bild machen möchte, wie stark die peruanische Polizei kritisiert wird, kann dem öffentlichen Vortrag ohne Anmeldung beiwohnen. Zu hören ist der auf spanisch gehaltene Input in der Ihnestraße 22 im G-Hörsaal ab 10 Uhr.

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