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Philosophie: Ekstase und Besonnenheit

„Hedonismus – eine Ethik aus Individualität und Freiheit“. Diesen auf den ersten Blick recht provokanten Titel hatte Bernulf Kanitscheider seinem Vortrag im Tagesspiegel-Wissenschaftssalon gegeben.

Schließlich gelten Hedonisten vielfach als Faulpelze oder Tagediebe, wie der Philosoph und Autor des Buches „Das hedonistische Manifest“ erläuterte. „Jedenfalls sind es keine vertrauenswürdigen Zeitgenossen.“

Bei näherer Betrachtung stellt sich der Hedonismus aus seiner Sicht aber sehr wohl als erstrebenswert heraus, wie Kanitscheider am vergangenen Donnerstagabend darlegte. Denn er begründet sich auf dem lustvollen Erleben des Augenblicks, dem Streben des Menschen nach Glücklichsein. Dabei geht es nicht allein um sexuelle Lust, sondern auch um Freude an der Natur, an der Musik, gar Euphorie an neuen Erkenntnissen – oder wenn einer einen hohen Berg erklommen hat, wie der Hobbybergsteiger erläuterte.

„Natürlich wussten bereits die alten Griechen, bei denen der Hedonismus seinen Ursprung hat, dass die Suche nach leidenschaftlichen Momenten auch negative Folgen haben kann.“ Dann zumeist für andere, siehe Zwangsprostitution oder Knabenliebe. „Doch der Mensch hat neben dem Lustempfinden auch einen Verstand mitbekommen – und den muss er einsetzen“, sagt der Philosoph. Fein austariert sollte das Verhältnis zwischen beiden sein. Keinesfalls jedoch in eine lustfeindliche Gesellschaft kippen, in der das Wohl des Einzelnen unter das Diktat des Kollektivs gestellt wird, betont Kanitscheider. Und geht damit nahezu jede Gesellschaftsform in den vergangenen Jahrhunderten an und die monotheistischen Religionen gleich mit.

Der Hedonismus sei hingegen eine säkulare Ethik, die keiner absolutistischen Lehrmeinung folgt, argumentiert er. Alle Annahmen können revidiert werden.

In der Realität stehen Hedonisten jedoch vor einigen Problemen, wie in der folgenden Diskussion, moderiert von Tagesspiegel-Redakteur Hartmut Wewetzer, deutlich wurde. Als Gesellschaftsprinzip für Millionen Menschen tauge der Hedonismus nicht, lautete ein Vorwurf. Tatsächlich wurde er bisher nur in kleineren Gruppen gelebt, berichtet Kanitscheider und verweist auf die Kommunen der 68er. „Sobald die Gruppen größer wurden, zerfielen sie – trotz aller intellektuellen Anstrengungen.“ Gleichwohl solle jeder nach Möglichkeiten suchen, wo er Hedonist sein kann. „Der Zielpunkt ist ein gelungenes Leben – man hat nur das eine, da soll man das Beste daraus machen“.

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