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Der Schutz von Studiendaten ist essentiell für die Forschung, sagen Regina Riphan, Universität Erlangen, und Gert Wagner, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung und Technische Universität Berlin

© Universität Erlangen; Promo

Position: Big-Data statt Big-Brother

Sensible Forschungsdaten müssen besonders geschützt werden. Ein Gastbeitrag.

Seit einiger Zeit werden in Brüssel Entwürfe einer EU-Datenschutz-Grundverordnung diskutiert. Ist schon der Titel schwer lesbar („Verordnung zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr“), so ist es die EU-typische Abkürzung erst recht: DSGVO. Manche Wissenschaftler vermuten hinter der DSGVO denn auch ein weiteres bürokratisches EU-Monstrum und Hindernis für die Spitzenforschung. Doch das täuscht: Die Europäische Union wird erstmals eine einheitliche Datenschutzregelung erhalten, die für alle Mitgliedsstaaten eine unmittelbar bindende rechtliche Wirkung hat. Ein sinnvolles Unterfangen. Und die EU-Datenschutz-Grundverordnung bietet die Chance, den Datenschutz für die Forschung so effektiv zu machen, dass die Ängste der Menschen, dass hinter „Big Data“ in der Forschung der „Big Brother“ steht, abgebaut werden können. Damit dies möglich ist, kommt es auf Details an.

Keine medizinischen Daten für kommerzielle Zwecke

Der wichtigste Punkt: Es ist sehr gut, dass im Entwurf der Datenschutz-Grundverordnung eine „Forschungsklausel“ (Artikel 83) enthalten ist. Diese erleichtert den Aufbau von Langzeitstudien. Was allerdings fehlt, ist eine eindeutige Zweckbindung: Es sollte klar gesagt werden, dass in der EU Forschungsdaten nur der Forschung dienen können – und keinerlei anderen Zwecken. Damit wäre zum Beispiel ausgeschlossen, dass etwa medizinische Messwerte für forschungsfremde kommerzielle Zwecke missbraucht werden dürfen. Und von Sozialwissenschaftlern erhobene Daten dürften nicht für staatliche Interessen, etwa für Nachforschungen durch die Staatsanwaltschaft verwendet werden.

Durch eine effektive Forschungsklausel wären zum Beispiel Forschungsdaten, die sich mit kriminellem Verhalten beschäftigen, vor einem staatlichen Zugriff geschützt. Dies ist wichtig, denn die Bereitschaft, an wissenschaftlichen Datenerhebungen teilzunehmen und die Erlaubnis zur Verwendung von Informationen basiert auf einem Vertrauensverhältnis zwischen Forschenden und Beforschten.

Negative Folgen für die Forschung

Die fehlende verbindliche Zusage, dass bestimmte Daten nur für Forschungszwecke verwendet werden und von anderen Bereichen abgeschottet werden, kann sich negativ auf die Forschung auswirken. In der amtlichen Statistik hingegen ist die Zweckbindung als „Statistik-Geheimnis“ seit Jahrzehnten selbstverständlich. Die vor gut 30 Jahren ausgefallene Volkszählung ist genau daran gescheitert, dass damals das Statistik-Geheimnis verletzt werden sollte, indem statistische Informationen an die Einwohnermeldeämter gegeben worden wären.

Ebenso wichtig wie eine wasserdichte Forschungsklausel ist ein praktikabler Datenschutz. Im Entwurf der EU-Grundverordnung wimmelt es nur so von unbestimmten Rechtsbegriffen. Hier wäre eine Orientierung am deutschen Datenschutzrecht hilfreich. Eine hundertprozentige Anonymisierung von Forschungs- und Statistikdaten ist nur möglich, wenn ein Datensatz gar keine Informationen mehr enthält und damit nutzlos wird. Deshalb geht das deutsche Datenschutzrecht davon aus, dass „faktische Anonymität“ von auskunfts- und datengebenden Personen sichergestellt werden muss. Dazu gehört etwa die frühzeitige Trennung von Namen und Daten.

Noch vor der Sommerpause soll der „Trilog“ des Europäischen Rates, der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlamentes über die endgültigen Formulierungen der EU-Grundverordnung zum Datenschutz beginnen. Das deutsche Wissenschaftssystem sollte nicht nur seinen Einfluss in Brüssel geltend machen, sondern zuerst in Deutschland in transparenter Weise für wissenschaftsfreundliche Regelungen werben.

Regina T. Riphahn (Universität Erlangen) und Gert G. Wagner (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung und TU Berlin) sind Mitglieder des Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten, Regina T. Riphahn ist dessen Vorsitzende.

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