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POSITION: Die Unis wissen zu wenig über sich

Käme das neue Onlineportal, gäbe es erstmals Daten über die Wünsche der Bewerber

Nun ist es gekommen, wie viele befürchtet haben: Die Einführung von „Hochschulstart“ ist vorerst gescheitert. Dabei waren die Erwartungen hoch. Als Nachfolgeorganisation der ZVS sollte das Onlineportal für die bundesweite Vergabe von zulassungsbeschränkten Studiengängen verantwortlich sein. Ziel war es, über ein dialogorientiertes Verfahren die Verteilung von Studienplätzen für Interessenten transparenter, schneller und berechenbarer zu machen. Dabei sollte es Bewerbern erstmals möglich sein, ihre Wunschhochschulen in einer Rangliste zu ordnen. In einem mehrstufigen interaktiven Verfahren sollte dann ein Abgleich zwischen Bewerberwünschen und Zulassungsangeboten stattfinden. Sobald sich ein Studieninteressent für einen Studienplatz entschieden hätte, wäre seine Bewerbung aus dem System verschwunden.

Nun heißt es also erst mal zurück zu den alten Direktbewerbungen an den Hochschulen. In den Rektoraten sowie in Politik und Verwaltung werden Alternativen diskutiert, wie man das drohende Bewerbungschaos unter Kontrolle halten kann. Vorschläge gehen von Bewerbungsgebühren über die Wiederbelebung des alten ZVS-Verfahrens bis hin zum kompletten Ausstieg aus „Hochschulstart“.

Trotz aller berechtigten Kritik hat das System gegenüber den diskutierten Alternativen einen großen Vorteil. Als einziges Verfahren ist es in der Lage, die Hochschulen mit belastbaren Daten über Studienbewerberpräferenzen zu versorgen. Bewerberzahlen alleine sind aufgrund der dezentralen Studienplatzvergabe und einer großen Zahl von Mehrfachbewerbungen dazu ungeeignet. So wissen die Hochschulen nicht, wer sich mit wirklich ernsthafter Absicht bei ihnen bewirbt, an welchen anderen Hochschulen sich dieser Interessent noch beworben hat und warum er an genau dieser und nicht an jener das Studium aufnimmt. Diese Informationen wären jedoch für die Hochschulen ungemein hilfreich, um über eine seriöse Grundlage für zielgerichtetes Marketing, passende Rekrutierungsmaßnahmen sowie die nachfrageorientierte Weiterentwicklung ihres Studienangebots zu verfügen. Denn obwohl Hochschulen keine Unternehmen sind, unterscheiden sie sich in diesem Punkt nicht von einem Waschmittelproduzenten: Das Wissen darüber, wer im letzten Jahr Persil gekauft hat oder wer Persil kennt, aber dennoch ein anders Produkt kauft, und welches Produkt das ist, ist eine wichtige Voraussetzung für den langfristigen Erfolg am Markt.

„Hochschulstart“ könnte zumindest einige der größten Datenlücken an Hochschulen schließen und damit zu einem bedarfsorientierten Ausbau von einzelnen Studienangeboten beitragen. Auch für die Wissenschaftsministerien wären die Erkenntnisse interessant, um Trends in der Studiennachfrage frühzeitig erkennen und die knappen Mittel besser einsetzen zu können. Schließlich würden von der besseren Passung zwischen Bewerbern und Angebot auch die Studierenden profitieren.

Hochschulen und Politik täten also gut daran, an „Hochschulstart“ festzuhalten und darauf zu drängen, dass zusätzlich zu den Studiengangspräferenzen weitere Datenpunkte erhoben werden, die eine bessere Zusammenführung von Nachfrage und Angebot möglich macht. So könnte „Hochschulstart“, wenn es denn kommt, nicht nur das Chaos bei der Studienplatzvergabe beenden, sondern auch zum längst überfälligen Einstieg in die strategische Weiterentwicklung der deutschen Hochschullandschaft beitragen.

Der Autor ist Doktorand an der Universität Konstanz und Associate der Stiftung Neue Verantwortung in Berlin

Sebastian Döring

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