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Turners Thesen: Praxis im Studium ist keine Zumutung

Studierende wünschen sich mehr praktische Bezüge in ihrem Studium. Doch das wird bislang sträflich vernachlässigt, meint unser Kolumnist George Turner, Wissenschaftssenator a. D.

Ein von der Universität Konstanz durchgeführter Studierendensurvey hat es belegt: Die Studierenden wünschen mehr praktische Bezüge in ihrem Studium und sehen es in erster Linie als Berufsvorbereitung. Nichts anderes konnte man in der Massenuniversität mit rund 50 Prozent der relevanten Altersgruppe als Studierende auch erwarten.

Dies wurde allerdings beim Ausbau des tertiären Bereichs sträflich vernachlässigt. Statt die Fachhochschulen auszubauen, wurden Universitäten zu Einrichtungen von Massenveranstaltungen. Dort aber steht nicht der unmittelbare Bezug zum Berufseinstieg im Vordergrund. Es ist nun müßig, darüber nachzudenken, ob man vorhandene Kapazitäten von den Universitäten an die Fachhochschulen verlagern kann. Das Beamtenrecht steht dem entgegen. Wer an eine Universität berufen wurde, will sich nicht in einer Institution mit anderem Etikett wiederfinden.

Anreize für Professoren, der Praxis mehr Raum zu geben

Die Aufforderung an die Universitäten, besser: die Professoren, doch bitte der Praxis und Berufsvorbereitung mehr Raum zu geben, wird nicht flächendeckend fruchten. Bei solchen „Zumutungen“ wird die Freiheit der Wissenschaft gern als eine Art Monstranz vor sich hergetragen. Vielleicht helfen Anreize. So wie die Exzellenzinitiative zu beachtlichen Aktivitäten geführt hat, ist vorstellbar, dass entsprechende Impulse für eine praxisorientierte Ausbildung positive Reaktionen auslöst.

Als Signal sollten auch die Fachhochschulen die Ergebnisse der Erhebung verstehen. Ihre als Berufsvorbereitung angelegte Ausbildung wird offensichtlich honoriert. Je mehr sie versuchen, sich den Universitäten anzunähern, würde dieser Vorzug verloren gehen. Ihr Bemühen, sich durch Forschung zu profilieren, ist daher der falsche Weg.

Ihr ursprünglicher Auftrag war eindeutig auf eine Berufsvorbereitung ausgerichtet. Deshalb war Voraussetzung bei der Berufung der Hochschullehrer auch eine fünfjährige praktische Tätigkeit. Offenbar war dies aber für erfolgreiche Praktiker nicht besonders attraktiv, nicht zuletzt wegen der Besoldung. So wurden zunehmend Angehörige des Mittelbaus von Universitäten berufen, zum Teil auch solche mit abgeschlossener Habilitation. Dass sie versuchen, ihre Arbeitsweise mitzunehmen, ist zwar verständlich. Es entspricht aber nicht dem Auftrag der Hochschulart, an der sie nunmehr tätig sind.

So wie es ein Fehler war, statt der Fachhochschulen die Universitäten auszubauen, ist die Bildungspolitik dabei, dem einen weiteren folgen zu lassen. Das wäre die Angleichung der Fachhochschulen an die Universitäten. Der noch bestehende oder vermeintliche Vorzug der Fachhochschulen, dass sie eine praxisorientierte Ausbildung anbieten, ginge verloren.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-mail senden: george.turner@t-online.de

George Turner
George Turner, Berlins Wissenschaftssenator a.D.

© Mike Wolff

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