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Raumstation: Auf verlorenem Posten

Im Dezember werden nur zwei Astronauten in der Raumstation sein – obwohl sie für sechs ausgelegt ist.

Die Zeit der Enge ist vorbei auf der Internationalen Raumstation ISS. Bevor der Spaceshuttle „Atlantis“ am gestrigen Mittwoch vom fliegenden Labor ablegte und Kurs zur Erde nahm, waren es einschließlich Shuttlebesatzung zwölf Leute, die in knapp 400 Kilometer Höhe über der Erde kreisten. Nun sind es nur noch fünf.

Wenn am 1. Dezember planmäßig die Sojus-Kapsel „TMA 15“ mit drei Raumfahrern abkoppelt, um zur Erde zurückzukehren, werden sogar nur noch zwei Astronauten auf der ISS sein. Und das, obwohl die Kapazität des milliardenteuren Raumlabors erst im Mai offiziell von drei auf sechs Personen erhöht wurde. Dazu wurden im Lauf der vergangenen Jahre Wohnmodule und riesige Solarpaneele herangeschafft, die eine Versorgung der Station mit einem halben Dutzend Passagieren sicherstellen sollen. Darüber hinaus brachten die Shuttles Labore, um die Forschung in der Schwerelosigkeit voranzubringen. Allein das europäische Forschungsmodul „Columbus“ ermöglicht es drei Astronauten gleichzeitig, Experimente zu machen.

Jeff Williams und Maxim Surajev werden diese Arbeitsplätze aber kaum nutzen, sie dürften mit dem Steuern und Überwachen der Bordsysteme genug zu tun haben. Erst am 24. Dezember sollen sie Unterstützung bekommen, wenn die dreiköpfige Mannschaft der Sojuskapsel „TMA 17“ die ISS erreicht.

Der Grund für die vorübergehende Personalkürzung ist die Umstellung des Flugplans. Bisher wurden die ISS-Crewmitglieder per Shuttle und Sojuskapsel ausgetauscht. Mit Nicole Stott, die voraussichtlich morgen in Florida landet, ging die letzte Stationsingenieurin mit einem Shuttle von Bord. Künftig soll die Wechselschicht nur noch mit Sojus ein- und ausgeflogen werden. In der Übergangszeit wird zunächst die Personalstärke der ISS reduziert. So lasse sich die Menge des Nachschubs, der zur Versorgung der Raumstation nötig sei, verringern, erläuterte Nasa-Vizechef Bill Gerstenmeier. Der Start der nächsten Sojuskapsel wurde aus Sicherheitsgründen jedoch auf den 21. Dezember verschoben. Folglich müssen die zwei Astronauten, die als minimal mögliche Besatzung der Station gelten, drei Wochen lang allein bleiben.

Die Forschung in der Schwerelosigkeit wird sich in dieser Zeit auf automatisierte Experimente beschränken. Für physiologische Versuche am eigenen Leib werden Williams und Surajev keine Kapazitäten haben. Stattdessen könnten sie aber ein anderes, unerwünschtes Ergebnis liefern. Nämlich, dass die Station langfristig gar nicht sechs Besatzungsmitglieder braucht, weil die Arbeit auch von weniger Leuten zu schaffen ist.

„Die schwache Besetzung über gut drei Wochen ist in der Tat ein schlechtes Signal“, sagt Kai-Uwe Schrogl vom European Space Policy Institute in Wien. Denn derzeit wird mal wieder um die Zukunft der Station gerungen. Bis 2015 ist die Finanzierung gesichert. Europa, Russland und Japan wollen das fliegende Labor am liebsten bis 2020 am Himmel halten. Russland hatte erst kürzlich angekündigt, 2015 ein zusätzliches unbemanntes Orbitallabor ins All zu schicken. Das „Oka T“ genannte Modul soll eigenständig die Erde umkreisen und von Zeit zu Zeit an der ISS festmachen – sofern es sie dann noch gibt –, wo die Astronauten Experimente bergen und neue Versuchsanordnungen montieren können.

Solche Pläne hängen entscheidend von der Nasa ab. Deren Zusage für ein volles Jahrzehnt fehlt noch. Seit Wochen warten die Nasa-Mitarbeiter auf ein Machtwort von Präsident Barack Obama. Eine von ihm eingesetzte Expertenkommission hatte festgestellt, dass für die bisherigen Raumfahrtpläne der USA schlicht zu wenig Geld da ist. Flüge zu Mond, Mars oder gar einem Asteroiden? Ohne eine drastische Budgeterhöhung müssen sich die Amerikaner von einigen Visionen verabschieden.

„Die Zeichen aus der Nasa deuten zumindest darauf hin, dass man sich über 2015 hinaus an der Raumstation beteiligen will“, sagt Volker Sobick vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Eine feste Zusage werde es aber nicht vor Herbst 2010 geben, schätzt er. „Für die internationalen Partner ist die Wartezeit eine Hängepartie“, sagt Sobick. Schließlich wolle man die Forschungsprogramme aufeinander abstimmen.

Kai-Uwe Schrogl sieht das genauso. „Da braucht man schon viel Zuversicht.“ Von einem Kurswechsel, etwa einer intensiven Zusammenarbeit mit der aufstrebenden Raumfahrtnation China, hält er jedoch nichts. Die Europäer ohne eigene bemannte Raketentechnik seien schon immer auf die USA und Russland angewiesen gewesen. „Die haben uns aber nie so richtig im Regen stehen lassen.“ China hingegen habe sich bisher nicht als verlässlicher Partner gezeigt. „Zumindest in der Luftfahrt beschränkte sich die Kooperation auf das Abgrasen von Know-how, um dann in direkte Konkurrenz zu uns zu treten.“mit ddp

 Ralf Nestler

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