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Bei Vulkanausbrüchen wird viel Schwefeldioxid frei. Dadurch bilden sich mehr Wolken, die wie ein großer Sonnenschirm wirken und die Erderwärmung bremsen.

© AFP

Geo-Engineering: Regeln für Klimaklempner fehlen

Geo-Engineering gilt manchen als Rettung. Die rechtlichen Grundlagen dafür sind oft unzureichend.

Die Ideen klingen plausibel, verlockend, manchmal auch größenwahnsinnig: Mit großem technischen Aufwand lasse sich die Erderwärmung bremsen, vielleicht sogar umkehren. „Geo“- oder „Climate-Engineering“ werden diese Konzepte genannt. Dazu zählt etwa die Düngung der Meere mit Eisen, um Algenblüten auszulösen. Die Einzeller, so die Hoffnung, nehmen während der Photosynthese massenhaft Kohlendioxid (CO2) auf. Oder man bringt Schwefeldioxid in die Stratosphäre, damit sich dort viele kleine Tröpfchen bilden, die wie ein riesiger Sonnenschirm der Erde Schatten spenden. Über die Wirksamkeit und unerwünschten Folgen der Verfahren wird heftig diskutiert.

Bisher sind die meisten Techniken kaum über das Laborstadium hinausgekommen. Wenn sie einsatzfähig sein sollten, tun sich noch mehr Probleme auf: Wer genehmigt ihren Einsatz? Wer kommt für Schäden auf? „Eine einheitliche Rechtsgrundlage, die das Geo-Engineering regelt, gibt es nicht“, sagt Nele Matz-Lück vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (MPIL) in Heidelberg. Sie und ihr Team arbeiten an einem Forschungsprojekt, das die juristischen Schwierigkeiten für die einzelnen Verfahren erkundet.

Sind solche Vorhaben innerhalb eines Landes beziehungsweise seiner Hoheitsgewässer geplant, gelten vorrangig nationale Gesetze, wobei das Völkerrecht vorschreibt, dass „Nachbarstaaten nicht geschädigt“ werden dürfen. Was unter diese ungenaue Formulierung fällt, sei schwer zu beurteilen, sagt Matz-Lück.

Noch komplizierter ist es in internationalen Gewässern. Diese Erfahrung machten etwa die Wissenschaftler des deutsch-indischen „Lohafex“-Experiments. Im vergangenen Jahr wollten sie 20 Tonnen Eisensulfat ins Südpolarmeer schütten, um eine Algenblüte auszulösen. Als Flaggenstaat des Forschungsschiffs „Polarstern“ war Deutschland für den Einsatz zuständig. Dabei galt es auch darauf zu achten, dass diverse internationale Abkommen berücksichtigt werden, die von der Bundesrepublik unterzeichnet worden sind, beispielsweise das Seerechtsübereinkommen und die Konvention zum Schutz der Biodiversität. Das Experiment war mit dem Bundesforschungsministerium abgestimmt, aber nach Protesten von Umweltschützern wurde das Bundesumweltministerium aktiv und forderte, Lohafex zu stoppen. Nach einigem Hin und Her und mehreren Gutachten wurde der Versuch am 27. Januar 2009 gestartet.

Theoretisch wird es vorerst bei solchen kleineren Versuchen bleiben. Denn ein weiteres Übereinkommen, die „London Convention“, verbietet das Einbringen schädlicher Stoffe ins Meer und den Meeresgrund. „Dazu gehört Eisen, und übrigens auch CO2“, erläutert Matz-Lück. Die 78 Vertragsstaaten haben sich aber darauf geeinigt, wissenschaftliche Experimente mit solchen Stoffen zu erlauben. Ein kommerzieller Einsatz solcher Methoden ist also ausgeschlossen.

Dennoch ist es fraglich, ob nicht doch eines Tages die große Eisendüngung beginnt, wenngleich die Folgen für angrenzende Küstenstaaten völlig unklar sind. „Man muss immer fragen: Wer setzt so ein Verbot durch?“, sagt die Juristin. „Der Bruch einer Vereinbarung wird meist nicht sanktioniert.“ Da erscheint es nahe liegend, in Sachen Geo-Engineering die Aufsicht den einzelnen Staaten abzunehmen und einer internationalen Behörde zu übertragen. „Im Einzelfall klingt das plausibel“, sagt Matz-Lück. „Aber ich halte es nicht für sinnvoll, für jedes Problem eine neue Behörde zu schaffen.“ Besser sei es, die neuen Techniken explizit von den beteiligten Ländern in den verschiedenen Konventionen zu diskutieren und aktuelle Vorschriften zu erlassen.

Noch deutlicher wird das Problem bei der Schwefelinjektion in die Stratosphäre. Da oben gibt es kaum Regeln, außer vielleicht dem Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht. Das untersagt, ozonschädliche Stoffe dorthin zu bringen. „Schwefeldioxid gehört zwar zu dieser Stoffgruppe, aber es ist damals nicht in den Verträgen vermerkt worden“, berichtet die MPIL-Forscherin.

Wer Klimaingenieur spielen will und genug Geld hat, könnte sofort loslegen. Ginge das Experiment schief, würde das kaum Konsequenzen haben. „Im Völkerrecht sind Haftungsfragen oft unzureichend geregelt“, macht Matz-Lück deutlich. Gerade beim Geo-Engineering dürfte es schwer sein, unerwünschte Klimaänderungen eindeutig auf Schwefelinjektionen oder Eisendüngung zurückzuführen.

Die Folgen des Lohafex-Versuchs zumindest waren überschaubar. Die Algen wuchsen prächtig, verdoppelten binnen zwei Wochen ihre Biomasse. Doch dann kamen massenhaft Ruderfußkrebse und fraßen die Algen einfach auf. Das Experiment war zu Ende.

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