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Klimaschutz: Riesige Sonnenhüte und massenhaft Algen

Es gibt viele Ideen, wie man den Klimawandel aufhalten will. Überzeugend ist keine.

Seit Dienstag läuft es nun, das umstrittene Experiment des deutsch-indischen Forschungsteams: Von der „Polarstern“ aus werden sechs Tonnen Eisenspäne in den Südatlantik geschüttet, um eine künstliche Algenblüte auszulösen. Die Wissenschaftler sagen, sie wollen nur untersuchen, wie genau die Planktonvermehrung abläuft. Doch da die Einzeller während des Wachstums massenhaft Kohlendioxid – das Gas, das wesentlich zur Erderwärmung beiträgt – einbauen, könnte eine Eisendüngung im großen Stil den Klimawandel bremsen. Manche sehen darin eine große Gefahr, andere eine Riesenchance.

Und es gibt noch mehr Vorschläge: Etwa Schwefelverbindungen in die Stratosphäre blasen oder mit Sonnensegeln im Weltraum Schatten auf die Erde werfen. So vielfältig die Ideen sind, so einheitlich fällt die Reaktion von Klimaforschern darauf aus: „Solche Maßnahmen bergen erhebliche Risiken“, sagt etwa Mojib Latif vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IfM-Geomar) in Kiel. Ähnlich reagiert Rainer Gersonde vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven, das übrigens das aktuelle Eisenexperiment im Ozean koordiniert. Beide Forscher nennen dasselbe Beispiel einer gescheiterten Gegenmaßnahme: die Kaninchen in Australien und Neuseeland und den Versuch, sie zu dezimieren.

In beiden Ländern brachten europäische Siedler Kaninchen mit, die bald darauf erhebliche Schäden anrichteten. Um der Plage Herr zu werden, führte Neuseeland kurzerhand Hermeline ein, die Kaninchen jagen und deren Fell bei Pelzhändlern heiß begehrt ist. Doch die Kaninchen hoppeln nach wie vor übers Land. Die Hermeline verlegten sich nämlich auf Beute, die sie leichter als die flinken Nagetiere erwischen, etwa Vo geleier. Mittlerweile sind etliche Vogelarten ausgestorben – was gut gemeint war, wurde zur ökologischen Katastrophe.

Ähnliche Risiken sehen Gersonde und Latif bei den meisten technischen Maßnahmen, die den Klimawandel bremsen sollen. Eine Idee ist die erwähnte Eisendüngung. Damit soll in den Meeresregionen das Wachstum von Algen angeregt werden, in denen wenig Eisen gelöst ist. Die toten Algen würden zum Meeresgrund sinken und so reichlich Kohlendioxid dem Kreislauf zwischen Luft und Wasser entnehmen.

Ähnliches muss während der letzten Kaltzeiten passiert sein. Damals war der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre deutlich niedriger als vor Beginn der Industrialisierung. Untersuchungen an Fossilien zeigen aber, dass sich in der Vergangenheit immer zuerst der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre geändert hat – und erst danach die Menge des Eisens im Meer. Ob die umgekehrte Reihenfolge ebenfalls klappen könnte, weiß niemand.

Als eine Forschergruppe bei den Crozet-Inseln im Südpolarmeer eine natürliche Eisendüngung – hervorgerufen durch herangewehten Staub vom Festland – unter die Lupe nahm, erhielten die Wissenschaftler dann auch einen ernüchternden Befund. Dort verschwindet 15 bis 50 Mal weniger Kohlendioxid in den Tiefen, als die Befürworter es sich erhoffen, berichtet das Team um Raymond Pollard im Fachmagazin „Nature“ (Band 457, Seite 577).

Außerdem sind die Weltmeere heute viel wärmer als in der Eiszeit. Möglicherweise sind jetzt ganz andere Organismen Nutznießer des Eisens als damals, so dass unter Umständen bisher ungeahnte Reaktionen ausgelöst werden – ähnlich der Wirkungskette „Kaninchen – Hermelin – Vogelwelt“ in Neuseeland. Zudem müsste eine solche Eisendüngung wohl über Jahrtausende erfolgen, um den Kohlendioxidgehalt spürbar zu senken. Da die Menschheit aber einen beträchtlichen Teil ihrer Nahrung aus dem Meer holt, dürften auch die wirtschaftlichen Risiken einer solchen Dauermaßnahme ihren Nutzen wohl weit übertreffen, schreibt Tim Lenton von der Universität von East Anglia im Fachjournal „Atmospheric Chemistry and Physics Discussions“ (Band 9, Seite 1). Er und seine Kollegen haben untersucht, wie effektiv verschiedene technische Maßnahmen gegen den Klimawandel sind.

Noch schlechter fällt die Beurteilung für die Pumpen aus, mit denen James Lovelock von der Universität Oxford nährstoffreiches Wasser aus den Tiefen der Weltmeere an die Oberfläche pumpen will. Damit würde ebenfalls ein Algenwachstum ausgelöst. Der Haken an dieser Methode: Weltweit bräuchte man mehr als vier Millionen Pumpen, die Wasser aus 500 Metern Tiefe an die Meeresoberfläche befördern sollten. Selbst dann wäre die Auswirkung auf den Kohlendioxidgehalt der Luft nur minimal.

Bessere Chancen sieht Lenton für technische Maßnahmen weit über dem Erdboden. Der Physiker Lowell Wood vom US-Verteidigungsministerium hat zum Beispiel vorgeschlagen, riesige Metallsegel zwischen Erde und Sonne zu installieren, um so die Erde zu beschatten und abzukühlen. Roger Angel von der Universität von Arizona will das Gleiche mit Milliarden transparenter Scheiben in einer Erdumlaufbahn erreichen.

Mojib Latif sieht da große Risiken: „Niemand weiß, welche Auswirkungen solche künstlichen Schatten auf die Pflanzen und Algen der Erde haben, die Sonnenlicht in Biomasse umwandeln.“ Außerdem dürfte so das Verdunsten von Wasser und damit die Wolken- und Niederschlagsbildung verändert werden.

Gleiches gilt für den Vorschlag von Paul Crutzen vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, gigantische Mengen feiner Sulfatteilchen in die Stratosphäre zu blasen. Damit will der Chemie-Nobelpreisträger einen natürlichen Prozess nachahmen: Vulkanausbrüche schleudern manchmal riesige Mengen Sulfat in die Luft, die dort das Sonnenlicht abschirmen. Allerdings gibt es in der Höhe inzwischen einen weiteren Mitspieler, der die natürlichen Verhältnisse massiv verändert hat. FCKWs aus Kühlmitteln und Spraydosen bauen dort die Ozonschicht ab. Niemand weiß, wie sich unter den neuen Bedingungen Winde, Strahlungsverhältnisse und Chemie der Stratosphäre verändern würden – und welche Risiken daraus erwachsen.

Als risikoärmste Möglichkeit, den Klimawandel zu stoppen, bleibt für Latif nur eine altbekannte Methode: „Wir müssen weniger Treibhausgase ausstoßen.“ Eine Hilfe dabei könnte die unterirdische Lagerung von Kohlendioxid aus Kraftwerken sein. Zurzeit laufen mehrere Tests für dieses Verfahren. Doch ob es in den erforderlichen Dimensionen machbar – und vor allem sicher – ist, steht noch nicht fest.

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