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Präzisionsarbeit. Ein Glaziologe platziert eine GPS-Station auf dem grönländischen Eis, die unter anderem seismische Wellen erfasst. Mit diesen Geräten soll die Fließbewegung des Eispanzers verfolgt werden.

© dapd

Satellitengestützte Navigation: Warnung vorm Vulkanausbruch und bessere Wettervorhersagen

Auch Geowissenschaftler nutzen GPS. Sie überwachen damit die Erde und verhüten so Katastrophen.

Satellitengestützte Navigation hat längst den Alltag erobert: Autofahrer werden dank „Navi“ zum Ziel geführt und Touristen finden sich mit Hilfe eines Smartphones in fremden Städten zurecht. Kaum einer denkt noch daran, dass die Technik aus dem Militär kommt. In den 1970er Jahren wurde das Global Position System (GPS) entwickelt, damit sich US-amerikanische Schiffe und Flugzeuge mitsamt ihren Waffensystemen überall verorten können. Auf sowjetischer Seite sollte das „Glonass“-System Gleiches ermöglichen. Frühzeitig erkannten Geoforscher, wie nützlich diese Technik sein könnte, die jeden Punkt auf der Erde genau bestimmt. Sie ermöglichte Erkenntnisse, von denen man früher nur träumen konnte.

Jens Wickert vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) kann sich noch gut erinnern, wann er das erste Mal das GPS benutzt hat. Es war im Auto, im Winter, in der Antarktis, 1994. Eine Fahrt zu einer Außenstation der Neumayer-Station stand an, ein Schneesturm wütete, die Sicht war gleich null. Die Forscher beschlossen, das Navigationssystem zu testen, programmierten die Position einer Wegmarke ein, ließen sich leiten, und siehe da, als die Daten von Fahrzeug und angepeiltem Ziel übereinstimmten, stand dort tatsächlich die Stange, welche die Wegmarke kennzeichnet. Ein Aha-Erlebnis für ihn als vormaligen GPS-Skeptiker sei das gewesen, sagt Wickert. Heute leitet er beim GFZ die Sektion für globale Navigationssysteme.

So funktioniert die satellitengestützte Navigation - hier am Beispiel des europäischen Galileo-Systems.
So funktioniert die satellitengestützte Navigation - hier am Beispiel des europäischen Galileo-Systems.

© picture-alliance/ dpa

Auf dem Dach des Gebäudes, in dem er arbeitet, befindet sich eine von mehr als 300 Referenzstationen weltweit, die im Netzwerk des International GNSS Service zusammenarbeiten. GNSS steht für globale Navigationssatellitensysteme. Dazu gehören neben GPS und Glonass auch das europäische Galileo- und das chinesische Compass-System, die beide noch im Aufbau sind.

Die GNSS-Antennen sind in ehemalige Schornsteine des Gebäudes einbetoniert. Darum sind mehrere Metallringe montiert. „So wird verhindert, dass Satellitensignale, die von umliegenden Bäumen oder Gebäuden reflektiert werden, in den Empfänger gelangen“, sagt Wickert. Solche Reflektionen sind eine von mehreren Fehlerquellen, welche die Geodäten ausschließen müssen und die auch bei Autofahrern bisweilen Ärger hervorrufen.

Zusätzlich zu der Station des GFZ in Potsdam unterhalten die Landesvermessungsanstalten in Deutschland etwa 350 eigene Referenzstationen. Denn längst arbeiten Vermesser, wenn sie beispielsweise ein Grundstück für das Katasteramt vermessen, in vielen Fällen mit präzisen GNSS-Empfängern. Die Positionen der Referenzstationen sind aufgrund der kontinuierlichen Messungen millimetergenau bekannt. Einflüsse der Atmosphäre, die ebenfalls die Signale verfälschen, werden dort herausgerechnet, denn sie können Wickert zufolge Abweichungen von bis zu 100 Metern verursachen. Diese Korrekturen wiederum gehen in die mobilen Messungen ein, so dass Geodäten in wenigen Minuten eine zentimetergenaue Ortsbestimmung vornehmen können. Referenzstationen verhelfen auch Frühwarnsystemen für Naturkatastrophen zu der erforderlichen Genauigkeit. Ein solches System für Vulkanausbrüche ist „Exupéry“, das von mehreren deutschen Unis und Forschungseinrichtungen entwickelt wurde: An verschiedenen Punkten auf dem Vulkan werden mobile GPS-Stationen aufgebaut. Etwas weiter entfernt, gewissermaßen auf neutralem Boden, wird die Referenzstation platziert. Verändert der Vulkan bei einem nahenden Ausbruch seine Form, weil Magma oder Gas den Boden nach oben drücken, registrieren das die Empfänger und schicken die Daten sofort zu den Computern der Vulkanologen. Ergänzt wird das System durch seismologische Messungen sowie durch Daten von Fernerkundungssatelliten, die Veränderungen an der Erdoberfläche oder Entgasungen aus den Tiefen des Vulkans aufspüren können.

Auch die Fernerkundungssatelliten, die in wenigen 100 Kilometern Höhe kreisen, nutzen GPS-Signale. Weil sie über der Lufthülle fliegen, sind die Störungen sehr gering, so dass ihre Position fast auf den Zentimeter genau ermittelt werden kann.

Irdische Empfänger jedoch müssen die Einflüsse der geladenen Teilchen in der Ionosphäre und des Wasserdampfes in der Troposphäre korrigieren, die die Signale der GNSS-Satelliten bremsen und beugen. Das geschieht durch die Langzeitmessungen der Referenzstationen – langfristig mitteln sich die vielen kleinen Fehler aus. Zudem senden die Satelliten auf zwei Frequenzen gleichzeitig. Weil die beiden Signale in der Atmosphäre unterschiedlich verändert werden, lassen sich deren Einflüsse herausrechnen.

Was den Geodäten noch vor wenigen Jahren ein Fluch gewesen ist, ist den Meteorologen heute ein Segen. Alle Wetterdienste nutzen inzwischen die Milliarden von Messungen, die täglich weltweit mit GNSS-Stationen und Wettersatelliten getätigt werden, um das Geschehen in den Wolken und in der Ionosphäre zu verfolgen. „Damit sind Rückschlüsse auf Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit möglich“, sagt Susanne Crewell, Professorin für Fernerkundung in der Meteorologie an der Universität Köln. Die Vorhersagemodelle für das Wetter seien zuverlässiger geworden als mit Radiosonden, die per Wetterballon gen Himmel geschickt werden. Von dem europäischen Navigationssystem Galileo erhofft sich Crewell noch genauere Daten. Galileo sendet seine Signale auf drei Frequenzen, so dass die atmosphärischen Einflüsse künftig noch besser zu bestimmen seien.

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