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Kerzen in Amman für den palästinensischen Dichter Mahmoud Darwisch.

© dpa-Report

ERC Starting Grants: Literatur: Schreiben jenseits der Grenzen

Die Arabistin Refqa Abu-Remaileh widmet sich palästinensischen Schriftstellern auf der ganzen Welt.

Die Geschichte der palästinensischen Literatur als eine Geschichte der Fragmentierung: Die Arabistin Refqa Abu-Remaileh interessiert sich für Literatur jenseits nationaler Konzepte und widmet sich palästinensischen Schriftstellern auf der ganzen Welt. Sie selbst ist in Jordanien geboren und aufgewachsen. Nach einem Studium an der University of British Columbia und der University of Oxford hat sie zunächst als Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung sowie als Postdoctoral Fellow des Forums Transregionale Studien in Berlin und Marburg gearbeitet.

Für ihr neues Projekt wird Abu-Remaileh sowohl ein Forschungsteam als auch eine interaktive digitale Plattform aufbauen – beides gilt in der Literaturwissenschaft als äußerst ungewöhnlich. Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) fördert das innovative Projekt mit einem der renommierten ERC Starting Grants für einen Zeitraum von fünf Jahren. Abu-Remaileh wird im kommenden Jahr beginnen, literarische Produktion und Rezeption palästinensischer Kultur nachzuvollziehen und neu zu verorten.

Die Forscherin hofft, Zugang zu privaten Sammlungen im Nahen Osten und in Europa zu bekommen

Bisher widmete sich die Forschung vor allem Werken aus bestimmten Gegenden oder Zeiträumen. Mit ihrem Projekt will Refqa Abu-Remaileh palästinensische Literatur verschiedener Regionen und Perioden zusammenbetrachten. Die Biografien der Autoren veranschaulichen ihren kosmopolitischen Ansatz: So lebte Mahmoud Darwisch nicht nur in Haifa, sondern auch in Moskau, Kairo, Beirut, Tunis, Paris, Amman und Ramallah. Aber auch die Texte selbst erzählen vom Leben zwischen den Welten: In dem Roman „Der Pessoptimist“ aus dem Jahr 1974 von Emile Habibi verkörpert der Protagonist Said die paradoxe Situation der Palästinenser in Israel.

Um solche Geschichten lebendig werden zu lassen, soll das digitale Projekt neben Ausschnitten aus schwer zugänglichen Texten und den biografischen Daten der Autoren auch eine interaktive Karte und einen Zeitstrahl mit literarischen Ereignissen enthalten sowie Briefe, Illustrationen und Fotos. Abu-Remaileh hofft, Zugang zu privaten Sammlungen im Nahen Osten und in Europa zu bekommen. „Dabei ist es genauso wichtig, die Leerstellen ausfindig zu machen, wie zu versuchen, diese zu füllen“, sagt die junge Forscherin. Die Methoden ihres Projekts könnten zum Vorbild für den Umgang anderer diasporischer Literaturen werden, relevant ist dabei auch die jüdische Erfahrung. Refqa Abu-Remaileh versucht, die Fragmentierung nicht fortzuschreiben, sondern die Gleichzeitigkeit von kultureller Produktion jenseits nationaler Grenzen zu erfassen.

Catarina von Wedemeyer

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