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Stress. Die Umstellung auf das verkürzte Abitur ist in der Kritik. "Wo bleibt die Kindheit", fragt eine Mutter.

© dpa

Schulstress: Mütter geben wieder Nachhilfe

Eltern beklagen Druck in der Schule. Viele meinen, sich und dem Kind „den Luxus freier Zeit nicht gönnen zu können“.

In den Jahren um die Jahrtausendwende waren Politiker wie besessen von der Annahme, dass in Deutschland zu lange studiert und zu lange die Schule besucht wird. Die Antwort für die Schule war „G8“, das um ein Jahr verkürzte Gymnasium. Jetzt hat die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung dazu eine groß angelegte Befragung von Eltern und Lehrern veranlasst. Das Ergebnis fällt verheerend aus: Die gestiegenen Leistungsanforderungen in immer kürzerer Zeit haben das Familienleben verändert, schaden Frauen bei ihrer Berufstätigkeit und nehmen Kindern die Freude an der Freizeit.

Die Untersuchung verantworten Katja Wippermann und Carsten Wippermann von der katholischen Stiftungsfachhochschule Benediktbeuren sowie Andreas Kirchner, Professor an der katholischen Stiftungsfachhochschule München. Die Forscher haben 255 Interviews mit Lehrern, Müttern und Vätern geführt. Außerdem haben sie eine Stichprobe mit 2788 Eltern und 623 Lehrern ausgewertet.

Die Autoren der Studie „Eltern – Lehrer – Schulerfolg“ schreiben: „War früher die Nachhilfe ein letzter Ausweg, um ein Sitzenbleiben zu verhindern, so ist Nachhilfe heute selbstverständlich, sobald sich erste kleine Probleme mit der Stoffbewältigung zeigen.“ An den Nachmittagen steht die Erledigung der Hausaufgaben an erster Stelle. Verabredungen fänden fast nur noch am Wochenende statt. Bei dieser festen Verplanung meint man, sich und dem Kind „den Luxus freier Zeit nicht gönnen zu können“.

Vor allem die Mütter engagieren sich als Lernhilfe zu Hause. Eine Mutter sagt: „Aus diesem Grund bin ich auch derzeit nicht berufstätig, weil es ganz schwer ist, eine Arbeit zu finden, die meinen Qualifikationen entspricht und wo ich mittags zu Hause bin.“ Wenn sich die Kinder dann auf das Gymnasium hochgearbeitet haben, machen Eltern eine weitere Beobachtung: „Der Lerndruck ist konstant hoch, da alle Noten in allen Fächern wichtig sind und es kaum Phasen der Erholung gibt.“ Der Schulstoff muss immer schneller in die Kinder hinein: „Wo ist die Kindheit?“, fragt eine Mutter.

Die Autoren der Studie sehen vor allem die Mütter herausgefordert: „Im Konflikt zwischen Arbeit oder Familie sind Mütter im Milieu eher bereit, eigene berufliche Ziele zurückzustellen als ihre Ansprüche an ihre Präsens zu Hause und ihren Einsatz für die Förderung ihres Kindes herunterzuschrauben.“ Es setzt sich unter diesen Bedingungen die Vorstellung von „einer guten Mutter“ durch. Für sie muss die Zukunft der Kinder Priorität haben. Dabei könnte die Ganztagsschule einen Ausweg bieten. Aber auch hier sind die Meinungen der Eltern geteilt. Für die einen bietet sie die Chance, dennoch berufstätig zu sein, für die anderen einen Eingriff in das System Familie.

Auch jenseits von G8 sehen die Eltern die Schulreformen sehr skeptisch. Versprechen würden nicht eingelöst, vor allem mehr „Zeit für individuelle Förderung und kleine Klassen“. Die Folge: Eltern suchen den Ausweg über Nachhilfelehrer oder Privatschulen. Die befragten Lehrer fordern eine verlässliche Bildungspolitik, kleine Klassen und Hilfe von Sozialpädagogen und Psychologen.

Auch Migranten haben die Wissenschaftler befragt. Wenn es um den Bildungsweg geht, orientieren sich die, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, an dem, was türkische Medien, Kulturvereine und islamische Gemeinden sagen.

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