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Ideal für Plantagen. Typischer Terra-preta-Boden in Brasilien. Er entstand aus Holzkohle, Dung und Kompost.

© Marc Steinmetz / VISUM

Bessere Böden: Schwarzer Schatz

Vorbild Regenwald: In einem speziellen Reaktor verwandeln Chemiker bei 800 Grad Pflanzenabfall zu „Biokohle“. Sie macht Böden fruchtbarer und bindet langfristig Kohlenstoff. Das nützt auch dem Klima.

Tiefschwarz und voller Nährstoffe, so sieht der Boden auf etwa einem Zehntel des Amazonasgebiets aus. Die Pflanzen wachsen dort viel besser als auf den übrigen Flächen, die hell und nährstoffarm sind. Erst vor wenigen Jahren konnten Forscher den Ursprung der „terra preta“ genannten schwarzen Böden aufklären. Sie gehen auf bis zu 3000 Jahre alte Abfälle zurück, die Ureinwohner an ihren Siedlungen hinterließen.

Die chemischen Vorgänge, die damals eher zufällig zu fruchtbaren Böden führten, wollen Wissenschaftler jetzt gezielt einsetzen, um aus nährstoffarmem Bioabfall wie Heckenschnitt und Reisspreu einen natürlichen Dünger herzustellen. Zudem werden dabei dauerhaft große Mengen Kohlenstoff fixiert. „Wenn es gelingt, das Verfahren wirtschaftlich zu machen und damit großflächig einzusetzen, wäre das zugleich ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, der wesentlich billiger ist als andere Ansätze“, schreibt Saran Sohi von der Universität Edinburgh im Fachmagazin „Science“. Mehrere Forscher arbeiten daran, diese Idee Wirklichkeit werden zu lassen.

Einer von ihnen ist Bruno Glaser von der Martin-Luther-Universität in Halle. Ihm gelang es Ende der 1990er Jahre die Entstehung der schwarzen Böden aufzuklären, die im Amazonasbecken zu finden sind. Bereits vorher waren Archäologen viele Tonscherben in den Terra-Preta-Böden aufgefallen, die auf eine deutlich höher entwickelte Kultur als bei den heutigen Völkern im Regenwald hindeuteten.

Um herauszubekommen, ob nicht nur die Scherben, sondern auch die gesamten Schwarzerde-Böden auf den Menschen zurückgehen, entwickelte Glaser damals neue Analysemethoden, etwa für Coprostanol. Die Substanz entsteht im Darm aus Cholesterin und kann im Boden jahrhundertelang überdauern. Glaser konnte in den Schwarzerdeproben größere Mengen Coprostanol nachweisen. Damit war klar, diese auch aus menschlichen Exkrementen hervorgegangen sein mussten.

Als der Biogeochemiker auch noch die massenhaft verkohlten Teilchen untersuchte, fand er die Erklärung für die fruchtbare Erde inmitten des sonst so kargen Amazonas-Untergrunds: „Anscheinend hatten die Indianer ihre Abfälle einschließlich der Fäkalien und der mit angekohltem Holz durchsetzten Asche ihrer Kochfeuer rings um die Siedlung deponiert.“ Gerade die Holzkohlestücke sind entscheidend für die Fruchtbarkeit der Schwarzerde. Sie bestehen fast nur aus Kohlenstoff und haben eine extrem große Oberfläche, weil sie mit unzähligen winzigen Löchern übersäht sind. „Die große Oberfläche hält Nährstoffe, Wasser, für die Bodenfruchtbarkeit wichtige Mikroorganismen und Luft hervorragend fest“, erläutert der Forscher. Die Nährstoffe wiederum stammen aus den mit Fischgräten, Knochen und eben Fäkalien durchsetzten Haushaltsabfällen, die sich im Boden langsam zersetzt haben.

Die Terra-Preta-Böden sind also nichts anderes als mit reichlich Holzkohle durchsetzter Kompost. Und weil sich die winzigen Holzreste auch im Tropenklima etliche Jahrhunderte lang halten, sind die Schwarzerde-Böden auch noch 500 bis 3000 Jahre nach ihrer Entstehung äußerst fruchtbar. „Vermutlich haben die Indianer irgendwann entdeckt, dass ihre Ackerpflanzen auf diesen ehemaligen Abfallhaufen viel besser wuchsen als auf dem kargen Boden des Regenwaldes, den sie vorher gerodet hatten“, sagt Glaser.

Was vor Jahrtausenden im Amazonasregenwald geklappt hat, sollte mit den technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts auch auf den kargen Sandböden Norddeutschlands möglich sein, hofft der Hallenser Forscher.

Er und seine Mitarbeiter setzen auf ein Verfahren namens Pyrolyse. Dabei werden Pflanzenreste auf Temperaturen um die 800 Grad Celsius erhitzt. Flüchtige Stoffe wie Alkohole, Kohlenwasserstoffe oder organische Säure entweichen in dieser Hitze als Gas. Zurück bleibt eine Art Grundgerüst der einstigen Pflanzen, das fast nur aus reinem Kohlenstoff besteht. Diese „Biokohle“ ist sehr porös, weil die entwichenen Gase unzählige, winzige Löcher hinterlassen. Sie ähnelt damit der Holzkohle, die die Terra-Preta-Böden so fruchtbar gemacht hat.

In Deutschland gibt es inzwischen zwei Firmen, die solche Pyrolyse-Anlagen verkaufen. „Pyreg“ bietet kleinere Anlagen, die im Jahr ungefähr 350 Tonnen Biokohle herstellen, während „Carbon Terra“ einen Meiler baut, der zu erheblich größeren Einheiten zusammengekoppelt werden kann. Der Clou bei diesen Anlagen ist die Energiebilanz: Die entweichenden Gase werden verbrannt und liefern dabei mehr Energie als für die 800 Grad der Pyrolyse-Reaktion benötigt werden. So ein Reaktor braucht also selbst keine Energie, sondern kann sogar noch heizen oder Strom erzeugen.

Allerdings müssen die Anlagen auch gebaut und betrieben werden – unterm Strich rechnet sich die Pyrolyse bisher kaum. Darauf weist Saran Sohi vom Biokohle-Forschungszentrum an der Uni Edinburgh hin. Man dürfe auch nicht vergessen, so schreibt er, dass damit logistische Herausforderungen verbunden sind: von der Lagerung großer Mengen Bioabfall über den Transport zu und von den Anlagen bis hin zum Einarbeiten der Biokohle in den Boden.

Dieselben Probleme gibt es bei dem zweiten Verfahren, das Bioabfall zu Biokohle macht, der „hydrothermalen Karbonisierung“. Dort wird grüner Abfall ebenfalls erwärmt und zudem unter hohem Druck behandelt, um flüchtige Bestandteile zu entfernen und den Kohlenstoffgehalt zu steigern.

Um Bodenverbesserer mittels Pyrolyse herzustellen, empfiehlt der Hallenser Forscher Glaser, die Biokohle aus besonders nährstoffarmen Pflanzenabfällen zu erzeugen. Dazu gehört etwa Heckenschnitt. Den nährstoffreicheren Rest der Bioabfälle mitsamt Klärschlamm und Fäkalienresten gibt man zusammen mit der Biokohle auf große Kompostmieten. Werden diese häufig gewendet und so gut belüftet, erhitzt sich das Gemisch von selbst einige Tage lang auf Temperaturen von rund 70 Grad Celsius. „Das genügt, um krankmachende Mikroorganismen sowie Unkrautsamen zu vernichten“, sagt Glaser. Am Ende erhält man einen schwarzen Kompost, der die enthaltenen Nährstoffe ähnlich gut und lange speichert wie die schwarze Erde am Amazonas.

In Brandenburg und im niedersächsischen Wendland haben Glaser, seine Mitarbeiter und Bauern diesen Kompost bereits unter die dortigen mageren Sandböden gemischt. Die beste Düngerwirkung erzielten dabei große Mengen von 20 Tonnen Biokohle pro Hektar, bei denen konventionelle Landwirte ihre vorherigen Ernten im besten Fall sogar verdoppeln konnten, berichtet er. Im Normalfall ist der Nutzen jedoch geringer. Im Schnitt lässt sich Pflanzenproduktivität um zehn bis fünfzehn Prozent steigern, zeigen Untersuchungen. Der Einsatz scheint sich dennoch zu lohnen. In Österreich werden pro Tonne Biokohlekompost bis zu 120 Euro gezahlt, berichtet Glaser. Für herkömmlichen Kompost werde nur ein Bruchteil dessen erzielt.

Biokohle ist aber nicht nur als Nährstoffträger interessant. Da sie im Boden auch Wasser sehr gut speichert, kann sie den Pflanzen helfen, die mit dem Klimawandel wohl häufiger vorkommenden Dürren im Frühjahr und Sommer zu überstehen.

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