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Hoffnungsvoll. Als neuer Karriereweg wurde 2002 die Juniorprofessur eingeführt, die Münchner Unis schaffen sie jetzt wieder ab.

© dapd

Sichere Karriere für Professoren: Der amerikanische Weg

Deutsche Universitäten wollen Professorenkarrieren planbar machen. Doch der gesicherte Aufstieg über den Tenure Track ist umstritten. Die Berliner Universitäten wollen ihn weiterhin nicht flächendeckend anbieten.

Jahrzehntelang war den deutschen Universitäten das Verbot der Hausberufung heilig. Es galt als Qualitätsmerkmal, dass Nachwuchswissenschaftler nicht als Professor an die eigene Hochschule berufen werden können. Der Flaschenhals auf dem Weg zur Professur wurde bewusst eng gehalten, Wissenschaftler sollten sich immer wieder einer scharfen Konkurrenz stellen – so verstand man das Prinzip der Bestenauslese. Dass Karrieren in der Wissenschaft dadurch weniger planbar sind und junge, hoch qualifizierte Forscher ihre Lage als prekär erleben, wurde hingenommen.

Es kommt daher einem Kulturbruch gleich, wenn jetzt mit den Münchner Universitäten ausgerechnet zwei Eliteunis den geregelten Aufstieg zu einer Lebenszeitstelle einführen. In drei Schritten wollen sie junge Wissenschaftler zu einer Vollprofessur führen, wenn sie auf jeder Stufe nachprüfbare Höchstleistungen bringen. Vorbild sind US-Unis, die einen solchen Tenure Track seit jeher anbieten.

Rückendeckung erhalten die Münchner von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und aus der Bundespolitik. Auch der HRK-Senat wolle sich im Oktober für ein dreistufiges Modell der Professorenlaufbahn aussprechen, sagte HRK-Präsident Horst Hippler dem Tagesspiegel auf Anfrage. An einer entsprechenden Empfehlung werde derzeit gearbeitet. „Wir müssen erfolgreichen jungen Kräften eine Zukunftsperspektive bieten, sie müssen die Option haben, an ihrer Hochschule zu bleiben“, sagt Hippler. Die schwarz-gelbe Koalition will im November im Bundestag einen Antrag beschließen, der Ländern und Hochschulen ebenfalls eine Professorenlaufbahn wie in den USA empfiehlt.

In Deutschland erschwerten lange Zeit beamtenrechtliche Probleme den Tenure Track. So mussten Planstellen grundsätzlich ausgeschrieben und in einem offenen Bewerbungsverfahren besetzt werden. Zudem galt das Hausberufungsverbot, Nachwuchsforscher durften nicht ohne auswärtige Stationen an die eigene Uni berufen werden. In den Landeshochschulgesetzen sind diese Regelungen allerdings weitgehend gelockert worden. Bislang haben aber bundesweit nur wenige Unis davon Gebrauch gemacht.

Viele Unipräsidenten fürchten, sie müssten zahlreiche neue Professoren einstellen, die sie sich gar nicht leisten können. So warnt Dieter Lenzen, der Präsident der Universität Hamburg, vor einer flächendeckenden Übernahme des US-Vorbilds. Auch in den USA sei der Anteil an Professuren mit Tenure Track rückläufig, heute seien es nur noch 50 Prozent. Ein großer Teil der Professoren könne kurzfristig gekündigt werden. In Deutschland gebe es dagegen überwiegend Dauerstellen für Hochschullehrer. Der Präsident der Berliner Humboldt-Universität, Jan-Hendrik Olbertz, hält das Münchner Modell zwar für „eine entschlossene Lösung“. Aber auch er sieht die Gefahr, es könnten sich „zu manifeste Strukturen“ bilden. Zu erwarten sei, dass kaum ein Nachwuchsforscher negativ evaluiert werde. Dementsprechend müsste man alle übernehmen.

München schafft die Juniorprofessur ab - ein Signal auch für andere Unis?

Tatsächlich will die TU München bis 2017 allein 21,5 Millionen Euro aus ihren Bordmitteln für den Tenure Track ausgeben. Dazu kommen 2,3 Millionen Euro aus der Exzellenzinitiative. Die Berliner Unis könnten sich das gar nicht leisten, sagt Peter-André Alt, der Präsident der Freien Universität. Die FU etwa müsste für aufrückende junge Wissenschaftler 40 bis 50 zusätzliche Professuren einrichten, würde sie den Münchner Weg gehen. Die drei großen Berliner Unis wollen daher weiterhin keinen generellen Tenure Track anbieten.

Ein Mittel gegen die unsicheren Karriereperspektiven von Nachwuchsforschern sollte die 2002 eingeführte Juniorprofessur sein. Mit ihr verband sich die Hoffnung, junge Forscher könnten sich frühzeitig an der Uni etablieren. Nach Ansicht vieler Hochschulexperten ist die Juniorprofessur derzeit nach einer Stagnationsphase wieder im Aufwind. Doch in München wird sie zugunsten der neuen Karrierewege abgeschafft. An der TU München steigen Nachwuchsforscher auf einer „Assistenzprofessur“ ein, die besser als eine Juniorprofessur dotiert ist (siehe Kasten).

Könnte das den Anfang vom Ende der Juniorprofessur bedeuten? So sieht es nicht aus. Ganz im Gegenteil wollen viele Unis sie weiterentwickeln, darunter die Berliner Unis. Die Juniorprofessur funktioniere hier auch ohne Bleibeperspektive und werde von Nachwuchswissenschaftlern gut angenommen, sagt FU-Präsident Alt: „Es ist für niemanden eine Zumutung, sich nach sechs Jahren Juniorprofessur auf eine Stelle zu bewerben.“ 85 Prozent derjenigen, die seit 2003 die FU verlassen haben, haben einen Ruf auf eine unbefristete Professur im In- oder Ausland erhalten. Auch von den 63 HU-Juniorprofessoren, deren Stelle bereits abgelaufen ist, wurden 53 berufen. Davon blieben 15 mit einer Tenure-Option an der HU, der Rest wechselte an andere Unis. Für Jörg Steinbach, Präsident der TU Berlin, ist die Position auch deswegen wichtig, weil es zwischen der Promotion und einer W2-Professur eine Zwischenstufe geben müsse, auf der junge Forscher Lehrerfahrungen sammelten.

An der Frage, ob die Juniorprofessur finanziell wirklich attraktiv ist, scheiden sich allerdings die Geister. Die Münchner argumentieren, für einen Standort mit hohen Lebenshaltungskosten verdienten Forscher auf diesen Positionen zu wenig Geld. Tendenziell sieht das auch HRK-Chef Hippler so, der der Juniorprofessur dann eine Zukunft gibt, wenn sie besser besoldet wäre. In Baden-Württemberg gebe es entsprechende Überlegungen. HU-Präsident Olbertz hält dem entgegen: „Junge Wissenschaftler gehen nicht nur nach dem Gehalt.“ Wichtig sei auch ein exzellentes wissenschaftliches Umfeld, mit dem gerade Berlin punkten könne. Die FU will jetzt ihr Netzwerk von außeruniversitären Einrichtungen gezielt nutzen, um herausragende Juniorprofessuren zu halten. Wenn an der FU gerade keine passende Stelle frei werde, könnten Wissenschaftler vorübergehend in einem Institut der Max-Planck-Gesellschaft oder der Helmholtz-Gemeinschaft arbeiten, sagt Präsident Alt.

Die Mutter der Juniorprofessur, Edelgard Bulmahn (SPD), verfolgt die Diskussion erstaunt. Den Tenure Track habe sie damals ins Hochschulrahmengesetz schreiben wollen, doch die Länder hätten sich dagegen gewehrt. Dass jetzt neue Bewegung in die Professorenlaufbahn komme, sei erfreulich, sagt Bulmahn. Die Bezeichnung „Assistenzprofessur“ lehnt sie allerdings ab. „ ,Assistenz’ hat für mich einen falschen Klang, die Nachwuchswissenschaftler sollen auf ihrer ersten Professur doch ausdrücklich selbstständig forschen und lehren können.“

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