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Eine türkische Fahne vor dem Botschaftsgebäude der Türkei in Berlin.

© dpa

Berliner Unis und die Türkei: Sorgen um türkische Gastwissenschaftler

Die Berliner Hochschulen sorgen sich um ihre türkischen Gastwissenschaftler. In Istanbul ist von dem Vorgehen gegen Akademiker auch die Türkisch-Deutsche Uni betroffen.

Alle Dozenten türkischer Hochschulen, die sich derzeit im Ausland aufhalten, sollen in die Türkei zurückkehren. Diese Ankündigung hat an Berliner Hochschulen wie das Vorgehen gegen Akademiker insgesamt Entsetzen ausgelöst – gepaart aber auch mit Ratlosigkeit. Entsetzen über die „tiefen, offenbar skrupellosen Einschnitte in die akademischen Freiheiten“, wie es in einer Erklärung der Hochschulrektorenkonferenz heißt, der sich die Berliner Unis angeschlossen haben. „Die Nachrichten aus der Türkei sind für die Wissenschaft sehr schlecht“, sagt TU-Präsident Christian Thomsen.

Ratlos sind die Unis, was die Aufforderung konkret zu bedeuten hat, und wie die Türkei sie durchsetzen will. „Es ist viel zu früh zu sagen, was das für Konsequenzen haben könnte“, sagt Hans-Christoph Keller, Sprecher der Humboldt-Universität.

Wie viele türkische Gastwissenschaftler sich derzeit in Berlin befinden, ist unklar. An der TU sind es fünf. Der FU ist eine Gastwissenschaftlerin bekannt, die im Rahmen eines Alexander-von-Humboldt-Stipendiums forscht, kann ansonsten aber wie auch die HU keine genauen Zahlen nennen.

Die Aufforderung zur Rückkehr? "Sehr ernst zu nehmen"

Das Thema bewegt insbesondere auch türkischstämmige Wissenschaftler, die fest an den Berliner Unis forschen. Gökce Yurdakul, Soziologie-Professorin an der HU, berichtet von zwei Forschern aus der Türkei, die derzeit bei ihr am Fachbereich zu Gast sind und um die sie sich große Sorgen macht. Deren Namen will sie nicht in der Zeitung lesen: „Das ist viel zu gefährlich.“

Die Aufforderung, in die Türkei zurückzukehren, sei „sehr ernst“ zu nehmen. Wer sich dem widersetze, könnte seine staatlichen Stipendien verlieren oder seinen Job. Deutsche Wissenschaftler müssten jetzt auf die Situation in der Türkei aufmerksam machen und ihre türkischen und kurdischen Kollegen unterstützen.

Eine glaubt, viele werden freiwillig zurückgehen

Die Politologin und Türkei-Expertin Gülistan Gürbey, Privatdozentin an der Freien Universität, ist vom Vorgehen gegen Akademiker nicht überrascht: „Die Wissenschaft war auch zuvor teils betroffen, wenn es darum ging, kritische Meinungen auszuschalten.“ Neu sei die Dimension der Maßnahmen. Gürbey glaubt aber, dass viele Gastwissenschaftler freiwillig zurückgehen werden: „Jedenfalls alle, die nichts zu befürchten haben, werden das auch machen.“ Wenn die Heimatuniversität als Arbeitgeber dazu auffordere, sei dem auch grundsätzlich Folge zu leisten.

An der TU leitet der Informatiker Sahin Albayrak ein deutsch-türkisches IT-Forschungszentrum. Er führt derzeit zahlreiche Gespräche mit türkischen Kollegen. Momentan gebe es in seinem Umfeld aber noch keine Fälle von Wissenschaftlern, die in die Türkei zurückmüssen.

In Istanbul ist die Türkisch-Deutsche Universität betroffen

In Istanbul ist auch die Türkisch-Deutsche Universität betroffen, ein Prestigeprojekt der deutschen Wissenschaftsaußenpolitik. Sie nahm vor drei Jahren ihren Betrieb auf. 35 deutsche Hochschulen stehen in einem Konsortium dahinter, mehr als 900 Studenten sind eingeschrieben. Sie lernen in Studiengängen, die eng in Zusammenarbeit mit den deutschen Partnern entwickelt wurden. Da die TDU als staatliche türkische Uni gegründet wurde, gelten die Repressionen gegen die Wissenschaft auch ihr. Zwei hauptamtliche Dekane und drei kommissarische Dekane mussten wie 1500 Dekane insgesamt in der Türkei zurücktreten (während der Rektor noch im Amt ist).

Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, Präsidentin des deutschen TDU-Konsortiums, spricht von „tiefgreifenden Einschnitten“ angesichts der aktuellen Entwicklungen. Das betreffe laufende Jahresurlaube, die beendet werden müssen, neue Anträge würden nicht genehmigt. Ebenso gebe es auch an der TDU für alle Beschäftigten keine Genehmigung mehr für Dienstreisen. Man müsse jetzt „entschieden, aber auch besonnen reagieren“, sagt Süssmuth.

"Wir sind im Normalbetrieb"

Izzet Furgac, der deutsche Koordinator der TDU in Istanbul, gibt sich zurückhaltend. Er sei erst am Dienstag aus Deutschland zurückgekehrt, könne die Lage daher schwer einschätzen: „Die ändert sich ständig.“ Die Uni müsse jetzt Vorschläge für die Wiederbesetzung der Dekane machen, dabei könnten die alten erneut benannt werden. Insgesamt laufe die Uni im „Normalbetrieb“. Derzeit – es sind Semesterferien – würde man sich auf die Auswahl neuer Studenten vorbereiten.

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